Watches & Wonders: Uhrenmesse-Chef Humair: „Wir erleben eine Phase der Konsolidierung“
In Genf trifft sich die Uhrenbranche zur Fachmesse Watches & Wonders. Es sind schwierige Zeiten für die Luxusindustrie, doch Messechef Matthieu Humair bleibt positiv: Er will die Jugend auf allen Kanälen für die Uhrmacherei begeistern

In Genf trifft sich die Uhrenbranche zur Fachmesse Watches & Wonders. Es sind schwierige Zeiten für die Luxusindustrie, doch Messechef Matthieu Humair bleibt positiv: Er will die Jugend auf allen Kanälen für die Uhrmacherei begeistern
Wer sich dieser Tage mit Matthieu Humair über die Lage der Uhrenbranche unterhalten möchte, den schwächelnden Markt in China, die Sorgen vor einer Rezession in den USA und die aktuell recht durchwachsenen Zahlen der meisten Luxuskonzerne, der erntet ein überaus freundliches Lächeln. Und erfährt dann, dass die Stimmung in Genf vor dem Messestart am 1. April voller Optimismus sei und das Programm in den Hallen des Palexpo-Geländes wie auch im Stadtzentrum randvoll mit faszinierenden Angeboten und Events.
Dabei kennt der CEO der Watches and Wonders Geneva Foundation, gegründet 2022 von Rolex, Richemont und Patek Philippe, die Uhrenwelt und ihre Herausforderungen wie seine Westentasche. Humair studierte Wirtschaftswissenschaften in Lausanne und Sydney und sammelte Branchenerfahrungen bei Rolex, Richemont und der ehrwürdigen Fondation de la Haute Horlogerie (FHH), die er nach 14 Jahren als CEO verließ. Nun sieht er seine Aufgabe wesentlich darin, die aktuell 60 Aussteller des Neuheiten-Spektakels glücklich zu machen und gemeinsam mit ihnen die Faszination der Uhrmacherei zu promoten. Da passt ein Lächeln eben besser als sorgenvolle Stirnfalten.
Eine wichtige Rolle spielen bei dieser Mission die Publikumstage am Schluss-Wochenende der Watches & Wonders. Immerhin 19.000 Tickets zu je bis zu 70 Franken konnten 2024 dafür verkauft werden. Insgesamt zählte die Messe im vorigen Jahr rund 49.000 Besucher aus 125 Nationen, die mindestens 3500 Schritte benötigten, um das 75.000 Quadratmeter umfassende Areal abzulaufen.
© Valentin Flauraud
CAPITAL: Matthieu Humair, es gab schon erfreulichere Phasen für die Uhrenbranche und Ihre Messe. Wie nehmen Sie die aktuelle Stimmung wahr?
MATTHIEU HUMAIR: In Genf fließt so kurz vor dem Start reichlich positive Energie und alle fiebern aufgeregt diesem jedes Jahr einmaligem Ereignis entgegen. Mit sieben Newcomern, darunter Bulgari, und jetzt 60 Marken feiern wir einen neuen Rekord, und wir arbeiten zusammen mit den Ausstellern rund um die Uhr dafür, die Uhrmacherei noch bekannter zu machen. Die Watches & Wonders eint unsere Branche, das macht sie so wichtig.
Der makroökonomische Gegenwind für nahezu die gesamte Luxusindustrie, darunter auch die Uhrenmanufakturen, ist dennoch beträchtlich.
In den letzten vier, fünf Jahren schrieb unsere Branche durchweg mehr als erfreuliche Zahlen. Jetzt ist eine Phase der Konsolidierung eingetreten, würde ich sagen. Umso wichtiger ist der Austausch auf einem Forum, wie es unsere Messe bietet – um ein Weltpublikum an die Magie unserer Zunft zu erinnern, und zwar in Genf, der „Hauptstadt der Zeit“ und ihrer Messung.
Wie groß kann die Watches & Wonders eigentlich noch werden?
Oh, das Palexpo-Gelände ist ziemlich weitläufig und in unseren bisherigen Hallen sind definitiv noch einige Quadratmeter frei. Bei den letzten Ausgaben der Messe kamen regelmäßig rund eine Handvoll neuer Marken dazu und wir sind ständig im Gespräch mit allen Ausstellern sowie möglichen Interessenten. Allerdings dauert die Entwicklung eines Messeauftritts gut ein ganzes Jahr. Wer interessiert ist, darf sich gern melden.
© Valentin Flauraud
Wie wichtig sind die Publikumstage mittlerweile für Ihr Business?
Als Non-Profit-Stiftung geht es uns nicht um möglichst hohe Umsätze oder Gewinne. Ja, die Tickets kosten 70 Franken, doch es gibt Sonderpreise, etwa für Studenten, und vergünstigte Wochenendpakete.
Dann steht also das B2C-Marketing im Vordergrund.
Wir wollen nicht in einer Bubble stattfinden und unsere Türen einem möglichst breiten Publikum öffnen. Im letzten Jahr wurden die Publikumstickets zu einem Viertel von Besuchern unter 25 gekauft, das Durchschnittsalter lag bei 35 Jahren. Das ist ein sehr ermutigendes Signal dafür, dass junge Generationen an unserem Metier und seinen Produkten durchaus Interesse haben. In diesem Jahr heißen wir „The Youth“ deshalb auch ganz offiziell als Ehrengäste willkommen und bieten viele speziell auf diese Zielgruppe zugeschnittene Programmpunkte und Events. Offline und online.
Was genau ist geplant?
Natürlich stehen einerseits die Uhren-Neuheiten im Mittelpunkt, präsentiert auf eine möglichst immersive, emotionale Weise. Außerdem stellen auf der „The Lab“-Fläche Start-ups und Schulen innovative Projekte und Prototypen vor, und gemeinsam mit Swiss Skills prämieren wir den begabtesten Uhrmacher-Lehrling mit einem Preis. Zu sehen sind auch die Bilder des Genfer Fotografen Fred Merz, der für seine spektakuläre Serie auf dem Null- oder Greenwich-Meridian entlang gereist ist. Auf der Fußgängerbrücke Pont de la Machine ist derweil ein Uhrmacher-Dorf entstanden, wo dieses Kunst- und Ingenieurshandwerk auf faszinierende Weise beobachtet und erprobt werden kann. Dazu gibt es öffentliche Live-Konzerte, Cocktail-Empfänge in Marken-Boutiquen, in Galerien und vieles mehr. Nicht nur den Gästen gefällt das, auch die Bewohner der Stadt sind von dieser großen Uhren-Party begeistert.
© Valentin Flauraud
Wie sieht es mit den Ablegern der Watches & Wonders aus, beispielsweise in Asien?
Wir konzentrieren uns in diesem Jahr definitiv auf die Hauptmesse in Genf, zu der wir ja einen Großteil der interessierten (Fach-)Welt willkommen heißen werden. Gerade aus China. Die W&W in Schanghai setzen wir vorerst aus und folgen damit den Wünschen unserer Aussteller. Was zukünftig dort und anderswo passiert, werden wir beizeiten diskutieren.
Auffallend war 2024 die starke Präsenz von Markenbotschaftern aus Südkorea, Thailand und Vietnam. Geht es darum, ein „neues China“ zu finden, wo aktuell der Absatz lahmt?
Ich kann schon einmal versprechen, dass der Kalender der diesjährigen Auftritte von Prominenten – nicht nur aus Asien – erneut sehr vielversprechend aussieht. Gerade an den ersten Tagen, wo die Presse alle Augen und Kameraobjektive auf neue Uhren und anwesende Stars gerichtet hat. Im vergangenen Jahr gab es insgesamt 620 Millionen Interaktionen mit den Inhalten unserer Messe und ihren Ausstellern. Über sämtliche Online- und Social-Kanäle hinweg. Das war eine beeindruckende Leistung aller Beteiligten.