Wandpilates: Was bringen die Muskelübungen an der Wand?
"Ab an die Wand" Da trainieren gerade nämlich viele Menschen ihre Muskeln – weshalb der virale Fitness-Trend, wenig überraschend, auch Wandpilates heißt.

"Ab an die Wand" Da trainieren gerade nämlich viele Menschen ihre Muskeln – weshalb der virale Fitness-Trend, wenig überraschend, auch Wandpilates heißt.
Es sieht schon anstrengend aus: mit den Füßen an der Wand das Becken heben und senken, Liegestütz oder Handstand gegen die Mauer oder in der Planke, Füße an der Wand, abwechselnd die Knie nach vorne ziehen. Unter dem Hashtag Wandpilates wimmelt es in den sozialen Medien nur so von 28-Tage-Challenges und Übungen, und auch Promis von Beyoncé über Jennifer Aniston bis Nina Bott tun es. Was ist dran am viralen Hype? Und warum lohnt es sich, es mal auszuprobieren?
"Ähnlich wie der Reformer oder der Pilates-Stuhl ist die Wand ein Trainingsgerät, das man zur Kräftigung und Dehnung nutzen kann – und das gibt es schon sehr lange", erklärt die Pilates-Trainerin Natalia Cichos-Terrero, die ein Buch über den Trend geschrieben hat. "Neu ist, dass Wandpilates-Übungen bei Tiktok, Youtube und Instagram sehr häufig ausgespielt werden und so für alle Menschen sehr einfach zu Hause umsetzbar sind – gratis und ohne Hilfsmittel oder Studio."
Der Vorteil dieser Herangehens- weise: "Man merkt sofort die Dysbalancen und Asymmetrien im Körper – deshalb ist die Wand ein tolles Trainingsgerät und auch für Anfänger:innen gut geeignet. Und man kann die Übungen sehr gezielt, sicher und genau machen." Der Nachteil: Dass in den sozialen Netz- werken viele Workouts unter dem Label Wandpilates kursieren, die mit der ursprünglichen Methode gar nichts zu tun haben. "Nicht jede Übung an der Wand ist Pilates, nur weil es draufsteht."
Aber jetzt mal ganz von vorn: Was genau ist eigentlich Pilates?
Auf keinen Fall ein neuer Trend – das Ganzkörpertraining wurde schon vor mehr als 100 Jahren von Joseph Pilates entwickelt. Weil die Übungen präzise und kontrolliert aus der Körpermitte heraus ausgeführt werden, trainiert es sehr effektiv auch die tiefen Haltemuskeln und bringt Stabilität. "Pilates ist aber viel mehr als ein reines Körpertraining", sagt Cichos-Terrero: "Die Verbindung von Körper und Geist hilft, besser auf die eigenen Bedürfnisse zu hören, aufmerksamer durchs Leben zu gehen und im Hier und Jetzt zu sein."
Wie finde ich heraus, ob ein Angebot seriös ist?
Pilates ist kein geschützter Begriff, daher entspricht nicht alles, was unter dem Label angeboten wird, der Grundidee des Erfinders. "In guten Pilateskursen werden die Übungen präzise angeleitet", so Expertin Cichos-Terrero. "Beim Wandpilates zum Beispiel ist es wichtig zu erklären, wie man sich korrekt am Gerät ausrichtet: Wie soll die Wirbelsäule anliegen, was ist mit dem Becken, mit den Füßen? Wie weit soll ich von der Wand entfernt stehen? Das ist individuell nämlich sehr unterschiedlich." Auch wichtig: das Powerhouse zu aktivieren, also jede Übung aus einer starken Körpermitte auszuführen, von der Mitte nach oben und von der Mitte nach unten. Natalia Cichos-Terrero empfiehlt, am Anfang mit einer Trainerin oder einem Trainer die Grundlagen zu üben – und vorher zu checken, welche Qualifikationen sie oder er hat.
Was bringt mir Wandpilates, wenn ich es regelmäßig mache?
Es verbessert – genau wie Pilates auf der Matte – die Körperwahrnehmung und -kontrolle, Haltung, Gleichgewicht, Beweglichkeit und Kraft, vor allem in der Körpermitte, also der Bauch-, Beckenboden-, Hüft- und Rückenmuskeln. "Man sollte sich aber nicht nur auf ein einziges Hilfsmittel fokussieren", sagt Trainerin Cichos-Terrero und rät, immer wieder zum Training auf der Matte zurückzukommen, "um zu sehen, was der eigene Körper zu tun imstande ist, auch ohne Tools." Was weder Wand- noch Pilates auf der Matte können: das Herz-Kreislauf-System trainieren. Da sind Laufen, Schwimmen und Radfahren besser.
Und für wen ist Wandpilates geeignet?
Grundsätzlich für alle, vor allem für Einsteigerinnen, denn es hilft, die Wirbelsäule besser auszurichten, das Becken und die Hüfte stabil zu halten – die Wand gibt immer ein ehrliches Feedback, schummeln klappt da nicht. Super ist es auch für Menschen, die viel unterwegs sind, Wände gibt’s ja so ziemlich überall – in Hotels, am Flughafen ... Und für Pilateserfahrene Schwangere und Leute mit Gleichgewichtsproblemen ist es ebenfalls eine gute Sache.
How to: Wandpilates
1. Powerhouse
© Manuel Ringlstetter
Mit dem Rücken an die Wand stellen, die Füße ein bis zwei Fußlängen von der Wand entfernt, die Fersen berühren sich, die Zehen zeigen leicht nach außen (Pilates-V). Die Knie sind soft, der Hals ist lang. Die Hände liegen am Brustkorb. Nun durch die Nase in den seitlichen und hinteren Brustkorb ein- und durch den leicht geöffneten Mund wieder ausatmen. Beim Ausatmen die Rippen zueinanderziehen und nach unten in Richtung Hüftknochen. Den Beckenboden aktivieren und mit der nächsten Ausatmung den Bauchna- bel in Richtung Wirbelsäule nach innen und oben ziehen. Die Hüftknochen ziehen zueinander, die Oberschenkelinnenseiten sind aktiv. 2- bis 4-mal.
2. Arm Slides
© Manuel Ringlstetter
Der Rücken liegt an der Wand, Füße im Pilates-V,
ein bis zwei Fußlängen von der Wand entfernt. Der Kopf lehnt, wenn möglich, an der Wand, das Kinn ist leicht nach unten geneigt. Die Oberarme sind parallel zum Boden, die Unterarme senkrecht. Schultern, Ellenbogen und Handrücken berühren die Wand, die Rippen ziehen zueinander. Nun die Arme nach oben strecken und wieder zurück in die Ausgangsstellung bringen. Dabei sind die hinteren Oberschenkelmuskeln und das Gesäß aktiv. 4- bis 6-mal.
3. Wall Squat
© Manuel Ringlstetter
Der Rücken liegt an der Wand, die Füße stehen hüftbreit,
ein Stück von der Wand entfernt. Arme und Handflächen liegen an der Wand. Einatmend die Arme heben, bis sie parallel zum Boden sind, und gleichzeitig mit dem Körper entlang der Wand nach unten rutschen, bis die Knie 90 Grad gebeugt sind. Die Knie schauen nicht über die Füße hervor. Ausatmend mit dem Körper wieder an der Wand noch oben rutschen und gleichzeitig die Arme absenken. 3- bis 4-mal.
4. Push-ups
© Manuel Ringlstetter
Mit dem Gesicht zur Wand stellen, mit mindestens zwei Fußlängen Abstand, sodass die Arme gestreckt an die Wand kommen. Beine sind zusammen, Füße im Pilates-V, Arme nach vorne auf Schulterhöhe angehoben und die Hände an der Wand platziert. Powerhouse ist aktiv. Nun einatmend die Arme beugen und ausatmend strecken. Die Ellenbogen bleiben am Körper und ziehen in Richtung untere Rippen. Der Körper ist gerade wie ein Brett. Eine fortgeschrittene Variante: die Übung auf Zehenspitzen machen. 4- bis 6-mal.