Teleshopping 2.0: Der Tiktok-Shop wird der digitale Vorhof zur Hölle

Völlig zu Recht ist das lineare Verkaufsfernsehen gestorben. Dass Tiktok es nun in digitaler Form wiederbeleben will, ist gruselig

Mär 28, 2025 - 10:41
 0
Teleshopping 2.0: Der Tiktok-Shop wird der digitale Vorhof zur Hölle

Völlig zu Recht ist das lineare Verkaufsfernsehen gestorben. Dass Tiktok es nun in digitaler Form wiederbeleben will, ist gruselig

Die schönsten Schultage waren die, als man vor den Eltern nach Hause kam, den Fernseher einschaltete, und einfach nichts tat. Stören konnte dann nur eines: Wenn Sport 1 keinen Sport zeigte, sondern Teleshopping. Staubsauger statt Fußball, Messer statt Skispringen. Ich erinnere mich noch, als ich mit elf Jahren heimlich den Horrorfilm „Saw“ sah. Das war sicher schwierig. Doch die schlecht synchronisierten Darsteller in amerikanischen Show-Küchen – die gruseln mich bis heute. Wenn ich später mal irgendetwas für meine Küche bräuchte, schwor ich mir, dann würde ich genau diese Produkte als Erstes meiden. Völlig zu Recht starb das lineare Teleshopping wenige Jahre später weitestgehend aus.

Dass der Social-Media-Gigant Tiktok nun genau dieses Werbefernsehen wieder aufleben lässt, irritiert mich deshalb umso mehr. Mit seinem Tiktok Shop, der am 31. März in Deutschland an den Start gehen soll, will die Plattform offenbar erreichen, das Teleshopping ins digitale Zeitalter zu holen. Gruselig. Mein digitaler Vorhof zur Hölle.

Natürlich – der neue Auftritt wird jünger und interaktiver. Mit Influencern, die sich selbst „Content-Creator“ nennen, und die ihrer Zielgruppe schon seit vielen Jahren alles verkaufen, wofür sie Geld bekommen – und bekommen können. Schlicht, weil sie eines der ältesten Menschheitsbedürfnisse bedienen: Vertrauen. 

Das war nie anders, und es gibt offensichtlich eine Zielgruppe dafür, zu der ich noch offensichtlicher nicht gehöre. Marketingexperten haben sogar ein Wort für Menschen wie mich: „werbeblind“. Diese Gruppe riecht Werbung zehn Kilometer gegen den Wind. Und sie mag den Geruch nicht. Auch mir ist wichtig, dass frühere HSE24-Größen wie Verona Pooth, Udo Walz und Alfons Schuhbeck nicht durch mich berühmt wurden. Und doch weiß ich: Die drei wären garantiert auch heute berühmt geworden. Dann aber nicht bei HSE24, sondern im Tiktok Shop.

Tiktok ist perfekt für Impulskäufe

Dass Tiktok nun das Homeshopping revitalisiert, macht die Welt deswegen trotzdem nicht zu einem besseren Ort. Im Gegenteil. Eine noch kürzere Zündschnur für Impulskäufe? Das kann nicht gut sein. Damals stand immerhin noch das Telefon zwischen Messerblock und Werbeblog. Ab dem 31. März sind es jetzt noch weniger Handgesten.

Die gute Nachricht für mich ist die Parallele zwischen damals und heute. Denn genau wie damals bleibt mir heute die gleiche Option: Ich kann einfach wegschalten. Und im Zweifel finde ich bestimmt auch noch meine alten DVDs wieder, lege sie ein, und schaue entspannt „Bundesliga Total 2001/2002“.