Tag der Befreiung: Deutsche Konzerne bekennen sich zu Verantwortung in NS-Zeit – mit einem Appell
Am Tag der Befreiung bekennen sich deutsche Unternehmen zu ihrer Verantwortung im Dritten Reich. Sie waren an den Verbrechen der NS-Zeit und im Zweiten Weltkrieg beteiligt.

Am Tag der Befreiung bekennen sich deutsche Unternehmen zu ihrer Verantwortung im Dritten Reich. Sie waren an den Verbrechen der NS-Zeit und im Zweiten Weltkrieg beteiligt.
Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg in Europa mit der Kapitulation des Deutschen Reiches. Dass Nazi-Deutschland den Krieg überhaupt so lange durchgehalten hatte, lag auch an zahlreichen Zwangsarbeitern, die in der Kriegswirtschaft eingesetzt wurden. Auch darüber hinaus profitierten viele große deutsche Firmen von den Verbrechen der NS-Zeit – beispielsweise durch Aufträge und Enteignungen.
Zum 80. Jahrestag der Befreiung haben 49 große deutsche Unternehmen einen Text veröffentlicht, in dem sie sich zu ihrer Verantwortung im Dritten Reich bekennen. In der "Erklärung deutscher Unternehmen zum 8. Mai" heißt es unter anderem: "Deutsche Unternehmen trugen dazu bei, die Herrschaft der Nationalsozialisten zu festigen. Auf ihren eigenen Vorteil bedacht, waren viele Unternehmen und ihre damaligen Akteure verstrickt."
Unternehmen melden sich zum Tag der Befreiung
Unterschrieben haben die Erklärung unter anderem die Chefs von Bayer, Adidas, Rheinmetall, Mercedes-Benz, Deutsche Telekom und Siemens. Man übernehme "Verantwortung, die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit sichtbar zu machen". Die Unterzeichner positionieren sich gegen Hass, Antisemitismus und Ausgrenzung: "Einen Schlussstrich darf und wird es mit uns nicht geben."
"1933 und danach waren zu viele still, haben weggesehen und geschwiegen", erklären die Unternehmen. Daraus erwachse eine Verantwortung für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Der Text wurde in großen überregionalen Zeitungen veröffentlicht, einige der Unternehmen veröffentlichten ihn auch auf ihren Websites.
Aufarbeitung geht voran – aber nicht überall
Die Aufarbeitung der Rolle deutscher Unternehmen in der Nazi-Zeit gestaltete sich in der Vergangenheit schwierig. Lange wurde jegliche Beteiligung an den Verbrechen abgestritten oder ignoriert. In jüngerer Zeit haben einige Unternehmen Historiker damit beauftragt, die Verstrickungen aufzudecken. Unter anderem Bahlsen, Dr. Oetker und VW wurden von Experten für ihre Anstrengungen in dieser Hinsicht gelobt.
Andere Unternehmen wie die Speditions- und Logistikfirma Kühne + Nagel verschließen sich einer öffentlichen Aufarbeitung, wie die "Tagesschau" jüngst berichtete. Kühne + Nagel gehört Klaus-Michael Kühne, einem der reichsten Deutschen. Die Firma transportierte im Dritten Reich die Möbel geflohener, deportierter und ermordeter Juden aus den besetzten Westgebieten ins Deutsche Reich.
Die Erklärung deutscher Unternehmen hat Kühne + Nagel nicht unterschrieben. Die Initiative kam laut "Süddeutscher Zeitung" von Bayer, BASF und Evonik, allesamt Nachfolger des Chemie-Konglomerats IG Farben (beteiligt an der Produktion des Giftgases Zyklon B), sowie von Siemens. Bayer-Chef Bill Anderson habe dann eine Reihe weiterer Unternehmen kontaktiert.
Allerdings bleibt auch diese Erklärung an entscheidenden Punkten vage: Worte wie "Zwangsarbeit" oder "Schuld" kommen darin nicht vor. Vielmehr wirkt sie wie ein Aufruf zur Wachsamkeit in der aktuellen politischen Situation. Die Aufarbeitung der Nazi-Verstrickungen von Deutschlands größten Unternehmen ist somit noch längst nicht abgeschlossen.
Quellen: "Frankfurter Allgemeine Zeitung", "Süddeutsche Zeitung", "Tagesschau", Deutschlandfunk