Dani Parthum: Immer erst Frau, dann Fachkraft – warum dieses Denken schadet

Frauen wird oft mehr ihr Geschlecht als ihre Fachkompetenz zugeschrieben, besonders im Beruf. Ein Perspektivenwechsel zeigt, wie man durch Offenheit und Eigenverantwortung seine Unabhängigkeit stärken kann

Mai 8, 2025 - 15:05
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Dani Parthum: Immer erst Frau, dann Fachkraft – warum dieses Denken schadet

Frauen wird oft mehr ihr Geschlecht als ihre Fachkompetenz zugeschrieben, besonders im Beruf. Ein Perspektivenwechsel zeigt, wie man durch Offenheit und Eigenverantwortung seine Unabhängigkeit stärken kann

„Ich bin immer erst mein Geschlecht, bevor ich meine Persönlichkeit bin.“ Dieser Satz stammt von Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Er trifft bei mir einen Nerv. Denn egal, ob Aktivistin, Ärztin, Politikerin, Ingenieurin, Managerin oder Verkäuferin: Frauen werden oft nicht zuerst für ihre Fähigkeiten, ihre Klugheit oder ihr Engagement gesehen, sondern für ihr Frausein, also ihr Geschlecht, wie es Neubauer präzise formulierte. 

Das Geschlecht als unsichtbarer Stempel, den die Gesellschaft Frauen aufdrückt: kümmert euch, seid verfügbar, haltet euch zurück, lächelt. Tun Frauen das nicht und machen ihr eigenes Ding, mischen öffentlich mit, sagen kluge Dinge, treten für Veränderungen ein, wie Luisa Neubauer, werden sie oft harsch und teils abwertend kritisiert. Wären sie Männer, würde die Gesellschaft applaudieren. Dieses Denken, das sich in Verhalten niederschlägt, prägt das Leben von Frauen nachhaltig negativ – gerade auch bei den Finanzen.

Teilzeit, Kita-Platz, Ehegattensplitting

Wer als Frau Mutter wird, erlebt es schlagartig: Das eigene Einkommen rauscht meist ab – durch Erwerbspausen und Teilzeit, weil – so oft das Argument – der Vater als Mann „in seinem Job nicht reduzieren kann“. Was bei Müttern wie selbstverständlich geht, scheint bei Vätern ausgeschlossen zu sein. Geschlecht statt Mensch. Unternehmen und Gesellschaft gehen davon aus, dass „sie ja jetzt einen Versorger“ hat; also wird sie schlechter bezahlt, er besser. 

In vielen Personalabteilungen herrscht tatsächlich noch dieser Geist vor. Teilzeit wird deshalb pro Stunde in einigen Branchen bis zu 17 Prozent geringer entlohnt als Vollzeit. Eine Diskriminierung, die rechtlich verboten ist und besonders Mütter trifft. Und die Väter? Bei ihnen bleibt alles wie gehabt; weiter Vollzeit mit teils mehr Geld. Das Geschlecht bestimmt mit über die Höhe des Gehalts. Vor dem Hintergrund der hohen Zahl an alleinerziehenden Müttern kann das als Abwertung verstanden werden.

Ein anderes Beispiel: Kita-Plätze. Sie sind politisch hochrelevant für die Gesellschaft. Doch Kitas werden meist nur als Erleichterung für Mütter debattiert, nicht als Unterstützung für Familien insgesamt.

Oder das Steuerrecht: Das Ehegattensplitting belohnt das Modell des Hauptverdienenden (oft männlich) und einem Zuverdienenden (oft weiblich). Gehen beide Eheleute gleichberechtigt der Erwerbsarbeit nach, lässt sich keine Steuer sparen. Wobei die Rolle des Zuverdienenden der Frau zugeschrieben wird, nicht dem Mann. Hier zeigt sich wieder: Das Geschlecht steht vor Fachqualifikation und Gleichstellung als Mensch mit eigenen Rechten. Das Steuerrecht unterstützt keine moderne Rollenverteilung. 

Die Frau als Kümmerin

Das Muster dahinter ist immer dasselbe: Frauen werden selten als eigenständige, ökonomisch aktive Menschen betrachtet, sondern als Ergänzung. Als diejenigen, die sich kümmern – nicht als diejenigen, die eigenständig leben, fordern, gestalten, Neues entwickeln.

Stellen wir uns vor, jeder Mann müsste sich rechtfertigen, warum er trotz seines Mannseins Karriere macht und sich selten zu Hause um die Kinder kümmert. Oder warum er es wagt, Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen. Oder warum er in der Vorstandsetage sitzt, wo sein Platz doch im Haus und bei der Familie ist. Wozu hat er denn Kinder bekommen? Um sie dann abzugeben? 

Absurd? Absurd! Aber genau diese absurde Denke erleben Frauen Tag für Tag. Frauen sind nicht Fachkräfte mit Familie. Sie sind zuerst Familie – und dann vielleicht irgendwann Fachkraft und eigenständiger Mensch.

#womaninmanfields

Der Hashtag #womaninmanfields ist ein Trend auf Instagram. Mit ihm machen Frauen auf ihre Ungleichbehandlung aufmerksam. Es ist eine Bloßstellung, ein Sichtbarmachen, wie die Gesellschaft über das Geschlecht definiert, was sie von ihnen erwartet.

Denn Kompetenz, Engagement und Können sind keine Frage des Geschlechts, sondern der Persönlichkeit, des Talents und Ehrgeizes. Dazu gehört, beim Geld eigene Spielregeln aufzustellen. Denn finanzielle Selbstbestimmung fängt nicht beim Kontostand an, sondern bei der Haltung zu sich selbst und den gesellschaftlichen Rollenerwartungen.

Was jede von uns tun kann:

  • Sprechen Sie über Geld. Laut und offen. Egal ob Gehalt, Altersvorsorge oder Karriereziele. Schweigen schützt die Strukturen, Reden bricht sie auf. 
  • Planen Sie aktiv Ihre Unabhängigkeit, besonders, wenn Familie da ist. Ein eigenes Konto, ein eigenes Depot, eine eigene Altersvorsorge: Das ist keine Kür, sondern Pflicht für ein selbstbestimmtes Leben – als Mensch und Frau.
  • Fordern Sie Sichtbarkeit. Melden Sie sich zu Wort, fordern Sie ein, was Ihnen zusteht. Nicht als Ausnahme oder „Powerfrau“, sondern als Selbstverständlichkeit. 

Finanzielle Klarheit ist keine Extraleistung im Leben. Sie ist Teil Ihrer persönlichen Freiheit. Wer aufhört, sich auf sein Geschlecht beschränken zu lassen, verändert die Spielregeln – für sich und alle anderen. Und dann sehen viele in der Gesellschaft in mutigen Frauen wie Luisa Neubauer zuerst die Aktivistin. Und nicht zuerst ihr Geschlecht, um sie stereotyp abzuwerten.