News: Vandalismus, 1. FC Düren, Dettmar Cramer
Zertrümmerte Toiletten gehören mittlerweile zum Fußballwochenende wie Pöbeleien und Schmähplakate. Was soll das eigentlich?

Im geilsten Wutraum der Welt
Was bewegt Menschen dazu, einen ganzen Sanitärtrakt in seine Einzelteile zu zerlegen? Ist es ein Allmachtsgelüst? Die Sehnsucht nach dem Chaos? Ein Gefühl von Stärke? Oder ist es einfach nur die Hirnverbranntheit, die Auswärtsfans dazu veranlasst, Stadiontoiletten kaputtzumachen? Mittlerweile vergeht kaum ein Wochenende, an dem keine Fotos von zerdepperten Keramikschüsseln und herausgerissenen Waschbecken die Runde machen. Kürzlich war der 1. FC Magdeburg zu Gast beim polnischen Zweitligisten Odra Opole, um das neue Stadion einzuweihen. 1200 Fans nutzten die Einladung, weil es sich vielleicht auch ein wenig wie eine längst verblasste Europapokalerinnerung angefühlt hat. Zurück ließ der Auswärtsmob eine Keramikabteilung, die aussah, als hätte man 90 Minuten lang zwei Grizzlys dort eingesperrt. Dazu waren die Wände mit Graffitis und Stickern beschmiert, quasi als Signatur. Was die Magdeburger in Polen angestellt haben, war längst kein Einzelfall. Am Millerntor in Hamburg waren sie so schlau, dem Rostocker Anhang vorsichtshalber den Zugang zu den Toiletten zu verwehren und stellten stattdessen Dixie-Klos zur Verfügung. Darauf hätten die Italiener auch mal kommen können: Im Januar ließen Dortmunds Anhänger ihren Frust am Badezimmermobiliar in Bologna raus, Fürther rissen in Nürnberg kürzlich die Pinkelrinne aus der Wand, und auch die Leverkusener Fans machten mit beim Trend: Sie verwüsteten die Toiletten auf der Alm beim Pokalaus unter der Woche. Wohl kaum als verkanntes Plädoyer für mehr Flach- statt Tiefspüler.
Fanforscher Harald Lange meinte im Gespräch mit der Sächsischen Zeitung vor einiger Zeit eine Erklärung für die ständigen Verwüstungen darin zu sehen, „dass das Stadion in der Wahrnehmung von Fans auch als ein Ort angesehen wird, wo sich Grenzen bisweilen verschieben.“ Eine Art gesetzesfreie Zone. Provokationen und Schmähungen hätten ohnehin Tradition im Fußball, „es gehört gewissermaßen zur Folklore“. Auch wenn das Toilettenzerdeppern da natürlich nicht drunter falle. Muss man die Zersörungslust vielleicht aber in einen größeren Zusammenhang setzen? Braucht der tief verwurzelten Destruktivismus im Menschen nun mal seinen Raum? Nein, das kann auch nicht gelten. Am Sonntag spielt der VfL Wolfsburg bei Union Berlin. Eine Idee für die Barbaren aus der Autostadt: Es gibt in Berlin einen „Crash Room“. Dort kann man ab 300 Euro Möbel, Geschirr und Dekorationen kaputtmachen, Besucher kriegen Hämmer und Äxte in die Hand gedrückt und können „Stress abbauen“, wie es auf der Website heißt. „Im geilsten Wutraum der Welt!“
Auf nach Düren!
Neues aus dem Westen: Der Regionalligist 1. FC Düren meldete Insolvenz an und hat jetzt keine Spieler mehr. Weil der Verein die Saison aber dennoch zu Ende bringen möchte, lädt er nun zum Sichtungstraining. Einzige Voraussetzung: Man darf ein halbes Jahr nicht gespielt haben – um sofort spielberechtigt zu sein. Geworben wird unter anderem damit, dass theoretisch jeder zwischen 16 und 35 Jahren nächstes Wochenende schon gegen den MSV Duisburg auf dem Platz stehen kann. Den Influencer Bilal Kamarieh beauftragte der Verein damit, über Instagram einen Aufruf zu starten. Dort schreibt er: „Von vereinslos/wenig Spielpaxis, lange verletzt in die Regionalliga-West. Meldet euch hier an!“ Offenbar wird Kamarieh dieses Training sogar selbst leiten. Und nicht nur das. Womöglich sieht er sich gar als Dürener Übergangstrainer, wenn er schon sagt: „Wenn ihr im Sichtungstraining bei mir performt, werdet ihr auch von Anfang an spielen!“ Also: Worauf wartet ihr noch? Holt die Töppen aus dem Keller!
100 Jahre Dettmar Cramer
Als er Diana Sandmann sah, die damalige Freundin von Franz Beckenbauer, wäre Dettmar Cramer am liebsten gleich wieder umgedreht. In den Händen hielt die Fotografin eine seltsame Kluft, die sie ganz offensichtlich nicht selbst zu tragen gedachte. Wie Cramer feststellen musste, handelte es sich um eine Uniform, in die sie den Erfolgstrainer für das Fotoshooting im Olympiastadion zwängen wollte. Dabei erinnerte nur Cramers Körpergröße von 1,61 Metern an Napoleon Bonaparte, Dettmar Cramer selbst war dagegen ein bescheidener Mann, kein größenwahnsinniger Tyrann. Selbst glorreiche Siege, wie den Weltmeistertitel von 1954, ließen ihn nicht aus den Schuhen steigen: „Schauen Sie auf die Bilder: In Fritz Walters und Sepp Herbergers Gesichtern sieht man keine Spur von Triumphgefühl“, sagte er später einmal. Es sei ein Sieg in einem Fußballspiel gewesen, nicht mehr, nicht weniger, kein Grund für Überhöhungen. Und trotzdem ließ er sich 1974, mittlerweile Bayern-Trainer, von Diana Sandmann überreden, ihr den Napoleon zu machen. „Die hat dann so lange geflötet, bis ich 'Ja' gesagt habe“, erzählte er. Es entstand das legendäre Foto, das wir heute für euch aus dem Archiv gekramt haben. Denn es ist ein wirklich guter Tag, um es mal wieder zu zeigen. Dettmar Cramer wäre heute hundert Jahre alt geworden. Ein Mann, dessen Gedanken auf und abseits des Fußballfeldes bis heute Gültigkeit haben. Cramer war seiner Zeit stets voraus, wusste früh schon: „Es hängt alles irgendwo zusammen. Sie können sich am Hintern ein Haar ausreißen, dann tränt das Auge.“ Er erkannte auch: „Es gibt überhaupt nur zwei Probleme im Fußball – das sind Zeit und Raum. Es geht darum, dass man auf engstem Raum in kürzester Zeit gut spielt.“
Er sprach über den Fußball, als wäre er sein Vater:
„Einfachheit gewinnt Spiele“
Wo geknobelt wird
Welchen Wappenmischmasch haben wir hier heute angerichtet? Lösungen an newsletter@11freunde.de. Gestern suchten wir die 4-Minuten-Meister-Mannschaft von 2001. Zum Heulen.
Was steht heute an?
Bundesliga! Mit Augsburg gegen Bayern. Und zweite Liga! Mit Karlsruhe gegen Hannover und Braunschweig gegen Paderborn. Und jetzt entschuldigt uns, wir sind auf dem Weg nach Duisburg, Gegneranalyse.
Habt ein schönes Wochenende!