Höhere Abgeltungsteuer: „Es werden vor allem die bestraft, die Eigenverantwortung übernehmen“
Der Finanzbedarf des Bundes ist riesig. Mit einer höheren Abgeltungsteuer will die SPD Anleger zur Kasse bitten und trifft damit die Falschen, sagt die Finanzexpertin Margarethe Honisch

Der Finanzbedarf des Bundes ist riesig. Mit einer höheren Abgeltungsteuer will die SPD Anleger zur Kasse bitten und trifft damit die Falschen, sagt die Finanzexpertin Margarethe Honisch
Aus den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD verlautet in der Arbeitsgruppe „Haushalt, Finanzen und Steuern“ für Anleger nichts Gutes. Medienberichten zufolge will die SPD die Abgeltungssteuer von 25 auf 30 Prozent anheben. Welche Konsequenzen hätte die Erhöhung?
MARGARETHE HONISCH: Eine Erhöhung der Abgeltungssteuer von 25 auf 30 Prozent mag auf den ersten Blick moderat erscheinen. Es bedeutet aber langfristig eine wirklich spürbare Minderung der Rendite. Über Jahre hinweg kann das Tausende Euro weniger Vermögen bedeuten. Der Zinseszinseffekt wird so deutlich geschwächt.
Darüber hinaus soll sich die SPD auch dafür aussprechen, die Finanztransaktionssteuer wieder einzuführen. Wie würde sich das für Anleger bemerkbar machen?
Sie würde jegliche Kauftransaktion – auch langfristiger ETFs – ein wenig verteuern und so die Kosten für den Vermögensaufbau erhöhen. Gerade bei regelmäßigem Sparen oder beim Rebalancing können diese kleinen Beträge langfristig spürbare Renditeeinbußen verursachen.
© Marcus Witte
Wen würde die Erhöhung der Abgeltungssteuer und die Einführung der Finanztransaktionssteuer besonders treffen?
Kleinanleger und Menschen, die für die Altersvorsorge investieren – also eigentlich nicht die Zielgruppe, die man treffen will. Die große Sorge ist: Es werden vor allem die bestraft, die Eigenverantwortung übernehmen und für ihr Alter vorsorgen statt spekulativer Großanleger. Wenn private Initiative mit höheren Steuern und Abgaben belegt wird, schwächt das das Vertrauen in langfristige Geldanlage – und sendet ein fatales Signal an junge Anlegerinnen. Mit Blick auf das Rentensystem und fehlende Reformen darf man sich fragen: Wie sollen denn die Menschen heutzutage überhaupt noch vorsorgen? Und macht man wirklich noch Politik für die Mittelschicht?
Lohnt sich ein Sparplan unter diesen Vorzeichen überhaupt noch?
Langfristiges Investieren bleibt auch unter den neuen Bedingungen sinnvoll, da es weiterhin bessere Renditechancen als klassische Sparprodukte bietet. Aber man muss auch sagen, die Steuerpläne verschlechtern das Kosten-Nutzen-Verhältnis deutlich und könnten viele abschrecken, überhaupt zu starten. Das Risiko ist groß, dass genau die Generation, die erstmals verstärkt in Aktien investiert, wieder ausgebremst wird. Und genau diese Generation muss angesichts des Rentensystems wirklich dringend selbst vorsorgen.
Was wären sinnvolle Maßnahmen, um die Aktienkultur zu fördern?
Statt neue Hürden zu schaffen, braucht es gezielte Anreize: etwa steuerfreie Haltefristen, Aktiensparkonten mit Freibeträgen oder Zuschüsse für Altersvorsorge-Depots. Es scheint, dass die Denkweise nur wohlhabende Menschen würden investieren, sich stark in den Köpfen mancher gut verdienenden Politiker, die keine Rentensorgen haben müssen, hält. Aber auch Finanzbildung, einfache steuerliche Regelungen und langfristige Planungssicherheit würden helfen, das Vertrauen in die Börse zu stärken. Wer eine stabile Aktienkultur möchte, muss private Anlegerinnen ermutigen – nicht entmutigen. Denn dann muss man sich auch im gleichen Zuge die Frage stellen: Was sollen die Menschen denn stattdessen tun – das Geld aufs Sparbuch legen und zusehen, wie es von der Inflation aufgefressen wird?
Welche Risiken sehen Sie in den Vorschlägen der SPD?
Wenn wir das Investieren jetzt teurer und unattraktiver machen, steuern wir direkt auf eine Generation von Altersarmut zu. Wer private Vorsorge bremst, verschärft das Problem, das wir eigentlich lösen müssten.
Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.