Geometrie: Wie die Blatt-Form den Fall beeinflusst – und wozu das den Bäumen nützt
Wenn die Blätter von den Bäumen fallen, ist oft vorbestimmt, wie und wo sie zu Boden sinken. Entscheidend ist die Symmetrie der Blätter – von der Laubbäume besonders profitieren

Wenn die Blätter von den Bäumen fallen, ist oft vorbestimmt, wie und wo sie zu Boden sinken. Entscheidend ist die Symmetrie der Blätter – von der Laubbäume besonders profitieren
Wer möchte nicht manchmal frei sein wie ein Blatt im Wind, sich einfach treiben lassen, wohin auch immer sein Atem uns trägt? Dieser metaphorische Wunsch ist für Menschen oft schwer umzusetzen – und selbst Blätter werden alles andere als willkürlich vom Wind fortgetragen, zeigt die Forschung jetzt. Denn anders als der Apfel, der – Schwerkraft sei Dank – sowohl sprichwörtlich als auch physikalisch nicht weit vom Stamm fällt, entscheidet bei Blättern deren geometrische Form darüber, ob sie an Ort und Stelle zu Boden sinken oder vom Wind mitgetragen werden.
Ovale und symmetrische Blätter mit wenigen hervorstehenden Lappen an den Rändern fallen schnell zu Boden und landen deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit in der Nähe des Baumes, von dem sie abstammen, schreiben Forscher der Technischen Universität Dänemarks in einer Studie im "Journal of the Royal Society Interface". Asymmetrische Blätter mit vielen Lappen hingegen sinken deutlich langsamer zu Boden. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Windstoß das Blatt erfasst und es weiter wegträgt.

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In ihrer Studie analysierten die Physiker Matthew Biviano und Kaare Jensen die Blätter von 25 verschiedenen Baumarten. Dazu schnitten sie mit einem Laser Papierblätter in den unterschiedlichen Formen aus und ließen diese in einen mit Wasser gefüllten Tank fallen, um das Sinken in Zeitlupe zu analysieren. Anschließend verstärkten sie die Asymmetrie der Blätter, indem sie zusätzliche Lappen hinzufügten. Die mutierten Blätter fielen dadurch 15 bis 30 Prozent langsamer zu Boden. Insbesondere die Asymmetrie verlängerte die Fallgeschwindigkeit und sorgte dafür, dass die Blätter beim Fallen langsam um sich selbst wirbelten. Die besonders asymmetrischen Blätter einer Mutante des Ackerschmalkrauts fielen von Anfang an 15 Prozent langsamer als die Blätter des Wildtyps mit symmetrischeren Blättern.
Nährstoffe werden recycelt
In der Natur beeinflusst neben der Form der Blätter auch die Windstärke, die Feuchtigkeit und der Standort des Baums, wohin ein Blatt fällt. Und das ist für Laubbäume alles andere als gleichgültig: Mit ihrem Laub werfen sie im Herbst nämlich 40 Prozent ihrer Kohlenstoff- und Nährstoffspeicher ab. Fällt das Laub auf direktem Wege zu Boden und landet in der Nähe der Basis, sind die Nährstoffe jedoch nicht verloren, sondern stehen dem Baum wieder zur Verfügung, sobald die Blätter sich am Boden zersetzen. Im Gegensatz zu den Samen, die der Baum für seine Fortpflanzung möglichst weit streuen will, kommt es ihm beim Laub also entgegen, wenn die Blätter schnell zu Boden fallen und in der Nähe des Mutterbaums landen.
Das könnte erklären, warum die Blätter vieler Laubbäume symmetrisch sind. "Die Daten, die die Form und das Absetzen einer Vielzahl natürlicher, mutierter und künstlicher Blätter miteinander in Beziehung setzen, stützen die Hypothese der schnellen Blätter: Laubblätter sind symmetrisch und relativ ungelappt, zum Teil, weil dies ihre Absetzgeschwindigkeit und die damit einhergehende Nährstoffbindung maximiert", schreiben die Forschenden. Perfektioniert haben das Laubbäume wie die Ulme oder der Apfelbaum, deren Blätter besonders symmetrisch sind und nur wenige Lappen aufweisen.
Wie so oft könnte die Klimakrise aber auch diesen ausgeklügelten Mechanismus stören: Weil sich der Klimawandel nachweislich auf die Blattform der Bäume auswirkt und die Blätter kleiner und schmaler werden, könnten diese künftig weiter getragen werden, warnen die Forscher – und so den Nährstoffkreislauf der ohnehin geschwächten Wälder weiter beeinträchtigen.