Geldanlage: Was passiert an den Märkten, wenn das Schuldenpaket scheitert?
Noch ist das geplante Sondervermögen von Union und SPD nicht durch den Bundestag. Ein Scheitern würde die Märkte bewegen – und Europas Aufholjagd zu den USA jäh stoppen

Noch ist das geplante Sondervermögen von Union und SPD nicht durch den Bundestag. Ein Scheitern würde die Märkte bewegen – und Europas Aufholjagd zu den USA jäh stoppen
Dass Europas Aktienmärkte in diesem Jahr so viel besser performen als die Wall Street, liegt nicht nur am erratischen Politikstil von US-Präsident Donald Trump. Auch das ist zwar ein Grund – aber ein wesentlicher Treiber für Europas Comeback war nicht zuletzt das geplante Schuldenpaket der möglichen nächsten Bundesregierung in Deutschland. Seit dem Amtsantritt Trumps hat der deutsche Leitindex Dax gut 9,5 Prozent zugelegt und der breite europäische Euro Stoxx 600-Index immerhin 4,7 Prozent, während der MSCI USA ganze 6,1 Prozent verlor. Die Märkte setzen also enorme Hoffnungen in das deutsche Schuldenpaket von mehr als 1 Billion Euro, das in den kommenden Jahren Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur anschieben soll.
Was dabei untergehen könnte: Das Paket ist bislang nur angekündigt, aber noch lange nicht beschlossen. Erst am Dienstag soll nach zweiter und dritter Lesung im alten Bundestag darüber abgestimmt werden, am Freitag dann den Bundesrat passieren. Ob das alles so läuft wie geplant, ist allerdings keineswegs sicher. Aus den Fraktionen melden sich immer wieder einzelne Stimmen, die dem Schuldenpaket die Zustimmung wollen. Insgesamt kommen Union, SPD und Grüne auf 520 von 733 Stimmen. Sie benötigen mindestens 489 Stimmen und können sich somit bis zu 31 Abweichler erlauben. Das klingt viel, es ist aber keineswegs ausgeschlossen. Auch im Bundesrat ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Als entscheidend gilt hier Bayern, wo die Freien Wähler Vorbehalte haben.
Was aber, wenn das Paket tatsächlich nicht durchgehen sollte? Was passiert dann mit den europäischen Aktienmärkten? Geht es dann so schnell wieder runter, wie es rauf ging?
Die meisten Experten haben darauf eine eindeutige Antwort: nein. Jedenfalls nicht im gleichen Maß, wie es zuvor nach oben gegangen ist. Und wenn doch – dann sei das nicht allein auf Friedrich Merz zurückzuführen. Der Grund dafür sind alternative Wege, die eine kommende Regierung gehen könnte. Allen voran, die Aussetzung der Schuldenbremse aufgrund einer Notlage. Mit der bröckelnden Unterstützung der USA für die Verteidigung Europas könnte die Regierung eine solche Notlage begründen, auch wenn dies wohl höchst umstritten wäre. Die Folgen wären Verfassungsklagen und hitzige Diskussionen im Bundestag, weshalb Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz auch das Schuldenpaket bevorzugt.
Sondervermögen bietet Abwärtspotenzial
Dennoch dürfte ein Scheitern des Schuldenpakets die Märkte einbrechen lassen. „Der gesamte Dax und vor allem der MDax würden wohl leiden. Aber auch die europäischen Märkte“, sagt ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski zu Capital. Besonders betroffen wären davon wohl der Bausektor und Infrastrukturaktien, da dort stärker gespart werden müsste als beim Rüstungssektor.
Brzeski warnt aber generell davor, die Europa-Rally derzeit für voll zu nehmen. Ob das Paket durchgeht oder auch nicht – das Abwärtspotenzial bleibt aktuell groß. „Die Jubelstimmung der letzten Tage war eher etwas überzogen. Die Märkte sehen zu wenig, dass es noch keine Regierung gibt und nur viel Geld ohne Strukturreformen auch schnell verpuffen könnte“, sagt Brzeski. Dazu komme noch die latente Gefahr aus den USA, wo Präsident Trump immer wieder mit Strafzöllen droht. Brzeski meint: egal, ob mit oder ohne Schuldenpaket – Europa sei aktuell zu hoch bepreist. Eine Korrektur wäre daher nur logisch, ganz unabhängig von Deutschlands Schuldenplänen.
Der Kapitalmarkt findet die Pläne der Deutschen zwar grundsätzlich gut, hat aber auch die langfristigen Anleihenrenditen in die Höhe getrieben. Hier hätte ein Scheitern vermutlich den spürbarsten und positivsten Effekt. Vor allem Hauskäufer käme das zugute, denn die Bauzinsen orientieren sich an den langfristigen Anleihenrenditen. Nimmt Deutschland also weniger Schulden auf, werden auch Baukredite wieder günstiger – möglicherweise sogar günstiger als vorher, weil der politische Schaden so groß wäre, dass Deutschland in Zukunft noch weniger zugetraut wird.