Das neue Streaming-Portal von ZDF – ein Überblick über die Änderungen mit Fokus auf UX Design
Nachdem das ZDF nach langer Vorlaufzeit den Relaunch seiner digitalen Angebote vollzogen hat, steht das Medienangebot, vom ZDF nunmehr als „Streaming-Portal“ bezeichnet, in einer technisch, inhaltlich, funktional wie auch optisch weiterentwickelten Version bereit. Ein Überblick über die Änderungen mit Fokus auf UX Design.

Nachdem das ZDF nach langer Vorlaufzeit den Relaunch seiner digitalen Angebote vollzogen hat, steht das Medienangebot, vom ZDF nunmehr als „Streaming-Portal“ bezeichnet, in einer technisch, inhaltlich, funktional wie auch optisch weiterentwickelten Version bereit. Ein Überblick über die Änderungen mit Fokus auf UX Design.
Unter dem Motto „Ein ZDF für alle“ unternimmt das ZDF einen bedeutenden Schritt in Richtung Bündelung der digitalen Angebote. Damit vollzieht das Zweite Deutsche Fernsehen auch den Abschied von der „TV-Mediathek“, zumindest sprachlich. Als das ZDF im Oktober 2016 den letzten umfassenden Relaunch des digitale Angebotes unternahm – seinerzeit wurde die klassische ZDF.de-Website mit der Mediathek verschmolzen –, verkündete das ZDF mit einem Ausdruck von Pathos, man habe die „dienstälteste TV-Mediathek in Deutschland generalüberholt“.
In Zeiten von Streaming klingt all dies freilich wenig einladend und ansprechend, weshalb in Pressetexten und redaktionellen Beiträgen nun wahlweise „Streaming-Portal“ oder „Streaming-Plattform“ als bevorzugte Selbstbezeichnung verwendet wird. „Stream dir mehr“.
Sprachlich und inhaltlich wendet sich das ZDF mit dem runderneuerten digitalen Angebot jüngeren Zielgruppen zu, diese gilt es anzusprechen und abzuholen. Stars und Hits findet und feiert die Generation Z bei Streaming-Diensten wie Netflix, Twitch, TikTok, Spotify und YouTube. Das klassische lineare Fernsehen, einschließlich der Angebote des ZDF, spielt bei den unter 20-Jährigen nur eine sehr geringere Rolle. Nach der Vorstellung des ZDF soll und muss sich dies ändern.
Dass nun sowohl das Design wie auch die Sprache und somit das Wording angepasst werden, ist Teil der Strategie und folgerichtig. In Form der neu gestalteten digitalen Plattform wird die strategische Ausrichtung sichtbar und erlebbar. Wie sich das User-Interface im Zuge des Relaunchs verändert hat, lässt sich anhand der nachfolgenden Vorher-Nachher-Gegenüberstellungen ablesen.
Startseite – vorher und nachher
- Die Bildschirmfläche wird besser/mehr ausgenutzt, insbesondere in Bezug auf die Hauptbühne (Hero)
- Im Vergleich zu bisher ist der Aufbau gleichmäßiger, weniger rythmisch / Teaser/Thumbnails verfügen über eine einheitliche Größe. Ein Aufbau, der teils als klar, teils als monoton wahrgenommen wird (siehe vereinzelt Kommentare z.B. auf YouTube).
- Die neue Oberfläche ist dunkler, und entspricht nun einem Dark Mode (Netflix, Amazon Prime, u.v.a. nutzen ebenfalls einen Dark Mode)
- Textinformationen (Titel, Beschreibungen, Meta, Navigation) sind demnach, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nun weiß
- Der Kontrast von Text zu Hintergrund ist in vielen Fällen größer als bisher
- Hauptnavigation und Logo nehmen weniger Platz in Anspruch
- Im Webauftritt (zdf.de) ist die Navi oben (ebenso auf Apple TV), auf Smart-TVs ist die Navi links (siehe Screen), auf Smartphones und Tablets ist die Hauptnavigation im Footer. Somit ein situatives auf den jeweiligen Anwendungskontext zugeschnittenes Interface.
- Die Hauptnavigation besteht nunmehr einzig aus den Menüpunkten „Startseite“, „Kategorien“, „Kinder“ und „Live & TV“ (alle linksbündig), sowie „Suche“ und „Mein ZDF“ (beide rechtsbündig)
- Ein zweite Hierarchieebene, wie im Fall des Sub-Menüs bisher bei „Rubriken“, existiert nicht mehr
- Lediglich noch bei „Suche“ und „Mein ZDF“ kommen Icons zum Einsatz (Lupe, User Avatar). Eine gute Entscheidung, den Einsatz von Icons zu reduzieren!
Rubrikseite – vorher und nachher
- Auf Rubrikseiten / Übersichtsseiten fällt der veränderte Einsatz der Farbe Orange besonders auf: Orange wird in der neuen vom ZDF propagierten Designsprache weniger häufig verwendet. Bei Funktionselementen und Schaltflächen (laden, abspielen, teilen, u.a.) wird anstelle von Orange nun Weiß bzw. Grau verwendet. Lediglich innerhalb der Hauptnavigation wird Orange zur Kennzeichnung der Auswahl / als Indikator verwendet.
- Orange ist demnach für das ZDF-Logo „reserviert“, dient verstärkt der Repräsentation der Marke
Detailseite – vorher und nachher
- In vielen Fällen werden Videoinhalte direkt nach nur einem Klick abgespielt (Beispiel „Elon Musk Story“). Während bislang in der Regel eine Detailseite geladen wurde, öffnen und starten Videos nun in Fullscreen (was Stamm-User irritieren dürfte)
- Auch deshalb rücken Textinhalte/Textinformationen in den Hintergrund, der strategischen Ausrichtung des ZDF hin zu Bewegtbild folgend
- Die Detailinformation, wie lange ein Videoinhalt verfügbar ist, verschwindet nicht etwa vollständig, wie es fälschlicherweise in einem Beitrag auf Giga.de heißt, diese erscheint vielmehr erst nach einem weiteren Klick auf das in der Fußzeile befindliche Info-Icon (siehe Screen)
- Statt in der Schriftart ZDF Type sind viele Textinformationen nun in einer anderen Schrift aus der sogenannten ZDF Schriftsippe (PDF) gesetzt, und zwar in der ZDF Micro (Beispiel ZDF Royal).
- Bei der ZDF Micro handelt es sich um eine Schrift, die gemäß ZDF-CD-Vorgaben primär für Kleinstanwendungen vorgesehen ist. Eine größere Laufweite, eine angehobene X-Höhe sowie explizitere Letterformen sollen zu einer besseren Lesbarkeit führen
ZDF „Mediathek“ (Apple TV) – vorher und nachher
Zwischenfazit
Nach dem Relaunch wird es, davon ist auszugehen, Feinjustierungen und Optimierungen geben. Daher ein kurzes Zwischenfazit. Positive Kritik kommt in dem gesamten Beitrag offen gestanden etwa zu kurz.
Die strategische Ausrichtung als solche ist nachvollziehbar, und richtig. Kritik von Seiten des klassisch-traditionellen Zuschauers muss das ZDF bei diesem Relaunch in Kauf zu nehmen. Was nicht heißt, geäußerte Kritik (z.B. zu kleine Schrift, Änderung der Menüpunkte, Entfall von „Sendung verpasst“, etc.) wäre grundsätzlich falsch.
Zum Design: Den Einsatz von Orange in dieser Weise zu minimieren, also primäre Bedien- und Funktionselemente sowie Schaltflächen mit Call-to-Action-Charakter (CTA) nicht mehr in Orange darzustellen, scheint mir wenig stichhaltig und plausibel zu sein, zumal dieser Farbton zentraler Bestandteil der Marken-DNA des ZDF ist (siehe ZDF-Promotion-Design). Mit Orange als funktionsgebundes Asset und hinweisgebende Information wäre das Interface meines Erachtens intuitiver bedienbar, kontrastreicher, und auch rein optisch wäre es ansprechender (Vergleich Sky/Wow, Spotify -> grün). Nach dem Relaunch ist in der ZDF App auf Apple TV kaum noch zu erkennen, welcher Menüpunkt angewählt ist (siehe Video). It’s not a bug it’s a feature.
Der Schriftumstellung von ZDF Type auf ZDF Micro kann ich ebenfalls wenig abgewinnen. Ich teile die Auffassung des ZDF dahingehend nicht, die ZDF Micro sei besser lesbar. Meine persönliche Wahrnehmung ist eine andere. Zudem führen eine größere Laufweite und eine angehobene X-Höhe nicht zwangsläufig zu einer besseren Lesbarkeit – viele weitere/andere Faktoren beeinflussen diese. Das Schriftbild der ZDF Type ist klar und zugänglich, während die ZDF Micro zum Teil, bedingt durch die eigenständigere respektive eigenwilligere Form der Lettern, vom Inhalt ablenkt (den üblichen anfänglichen Umstellungsaufwand habe ich in dieser Einschätzung mitberücksichtigt ;). In Sachen Typo fallen zudem, wie bei „Faszina-tion Erde“, Umbrüche von Titeln negativ auf (MacOS, Firefox 136.01 / Chrome 133.0.6943.127).
Die Kategorie-Seite (Screen, Abb. ganz oben) mit generischen, gänzlich bezugslosen Motiven als Thumbnail/Symboldbild halte ich in jeder Hinsicht für ein Ärgernis: der Bedienkomfort ist schlecht (viel Content und Scrollen für wenig Inhalt), die Performance ist schlecht (26 MB Datenvolumen), die Ästhetik ist schwach und einfallslos, und nicht zuletzt im Hinblick auf das Ziel, die Attraktivität der Marke ZDF zu verbessern, setzt eine solche Seite ein denkbar falsches Signal. Viel Schein, wenig Inhalt.
Damit derlei Sub-Kategorie-Thumbnails im Kontext UX einen Wert und einen Nutzen (Utility) haben sollen, braucht es ausreichend Differenzierungsmerkmale (Farbgebung, Stilistik). Eine Bedienoberfläche mit zwanzig, dreißig überwiegend in blau gehaltenen Thumbnails und Motiven, die fast durchweg Lichteffekte zeigen, ist in dieser Hinsicht für Anwender wert- und nutzlos. Die Orientierung erfolgt hier rein über die Textauszeichnung. Die Kategorie-Seite ist immerhin eine von lediglich sechs Seiten der höchsten Navigationsebene. Die Aufbereitung spiegelt diese Bedeutung in keiner Weise wider.
Soweit mein Eindruck vom ersten Besuch. Das UX-Team beim ZDF hat noch viel Arbeit vor sich. Dabei wünsche ich gutes Gelingen. Nun bin ich gespannt, wie dt-Leser die Streaming-Plattform bewerten. Wie ist Eurer erster Eindruck?
Mediengalerie










Weiterführende Links