Gefährliche Romantik: "Beziehungen sind häufig unglücklich und ungesund für Frauen"

Kulturwissenschaftlerin Beatrice Frasl fordert: "Die romantische Beziehung gehört abgeschafft!" – weil sie Frauen unglücklich und krank macht, während Männer ausschließlich profitieren. Und nun?

Mai 17, 2025 - 22:30
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Gefährliche Romantik: "Beziehungen sind häufig unglücklich und ungesund für Frauen"

Kulturwissenschaftlerin Beatrice Frasl fordert: "Die romantische Beziehung gehört abgeschafft!" – weil sie Frauen unglücklich und krank macht, während Männer ausschließlich profitieren. Und nun?

BRIGITTE: Wer dein Buch liest, wird anschließend wahrscheinlich darüber nachdenken, sich zu trennen: Du beschreibst, dass romantische Beziehungen Frauen nachweislich unglücklicher und ungesünder machen, während Männer profitieren. Aber was ist die Lösung? 

Beatrice Frasl: Mein Buch ist ein Plädoyer für Freundschaften, besonders unter Frauen. Mir geht es hauptsächlich darum, die romantische Liebe zu dezentrieren. Andere Beziehungen sollten dringend mehr Bedeutung, Platz, Energie und Liebe in unserem Leben bekommen. Wir können sehr viel dessen, was wir traditionell nur in romantischen Beziehungen tun, auch in freundschaftlichen Beziehungen tun. Theoretisch könnten wir auch Kinder mit unseren Freundinnen bekommen, man kann sich unabhängig von einer romantischen Liebesbeziehung fortpflanzen. Ich stelle im Buch die These auf, dass es vielleicht sogar sinnvoller wäre, dies in freundschaftlichen Beziehungen zu tun, weil diese oft länger bestehen und krisenfester sind.

Nun haben wir aber von klein auf gelernt, dass die „große Liebe“ das ultimative Endziel ist.  

Es wird fast wie ein religiöses Heilsversprechen verkauft: Dort wartet unser ganzes Lebensglück. Wenn wir diese „große Liebe“ nicht haben, fehlt uns das Wichtigste im Leben. Daher ist das Suchen nach dieser romantischen Liebe mit besonderer Bedeutung und Emotion aufgeladen. Es gilt als nicht so wichtig, eine beste Freundin oder einen besten Freund zu haben. Ob man einen Partner hat oder nicht, ist hingegen sehr wichtig. Wir werden gesellschaftlich und rechtlich durch unseren Beziehungsstatus definiert: ledig, verheiratet, verwitwet, geschieden. Das zeigt, wie dominant Ehe und romantische Beziehung sind, sie sortieren Menschen in Kategorien ein. 

Viele stürzt die Suche nach dem "Richtigen" in tiefes Unglück und Einsamkeit. Vor allem Frauen haben oft das Gefühl, ihnen läuft die Zeit davon und probieren es mit Dating-Apps. 

Die Suche nach Liebe ist wirklich ein verzweifeltes Hetzen nach etwas, das nie wirklich eingelöst wird. Die meisten Menschen, die Dating-Apps verwenden, sind einsam und hinterher noch einsamer, unglücklicher und depressiver als zuvor. 

Will die romantische Liebe abschaffen: die österreichische Autorin, Kulturwissenschafterin und Feministin Beatrice Frasl.
Will die romantische Liebe abschaffen: die österreichische Autorin, Kulturwissenschafterin und Feministin Beatrice Frasl.
© Michael Würmer

Du zitierst viele Studien, die zeigen, dass es immer mehr Singlefrauen gibt. Zuletzt sorgte die 4B-Bewegung für Aufsehen, deren Anhänger:innen keinen Sex, keine Dates, keine Ehen und keine Kinder mehr mit Männern wollen, unter anderem als Antwort auf Trumps Wahlsieg. Gleichzeitig gibt es immer mehr „Tradwives“ – junge Frauen, die kochen, putzen und sich schick machen – für ihren Mann. Wie erklärst du dir das? 

Die einen machen den Arbeitsstreik im Privaten und ziehen sich aus heterosexuellen Beziehungen und Kernfamilie zurück, die anderen aus der Erwerbsarbeitswelt in die traditionelle Rolle der Ehefrau und Mutter. Letzteres halte ich für keine gute Lösung, da es finanzielle Abhängigkeit von einem Mann bedeutet. Aber ich sehe beides als Ausdruck der grundlegenden Situation, dass Frauen extrem erschöpft sind und merken, dass diese Ansprüche nicht zusammengehen.

Woher kommt diese Scham, wenn eine Beziehung scheitert? Dieses Gefühl, versagt zu haben? 

Frauen werden nicht nur darauf sozialisiert, Liebe finden zu sollen. Sie sind dann auch dafür verantwortlich, dass die Beziehung erhalten bleibt. In heterosexuellen Paarbeziehungen ist ein Großteil der Beziehungsarbeit die Aufgabe der Frau. Damit meine ich nicht nur Haushalts-, Reproduktions-, Erziehungs- oder Betreuungsarbeit, sondern auch die Beziehungsarbeit mit dem Partner. Die Frau ist dafür zuständig, Frieden zu stiften, ein schönes Zuhause einzurichten, im metaphorischen und emotionalen Sinne. Sie bringt den Großteil der Kommunikationsfähigkeiten mit und wendet sie auf emotionaler Ebene an. Daher ist es nicht überraschend, dass Frauen in Beziehungen oft zerbrechen oder den Eindruck haben, sie seien schuld, dass die Beziehung zerbrochen ist. Das ist auch der Grund, warum Beziehungen häufig unglücklich und ungesund für uns Frauen sind, während Männer davon profitieren. Studien zeigen, dass Frauen in romantischen Beziehungen kürzer leben als andere Frauen, während Männer zwei Jahre länger leben, wenn sie verheiratet sind. 

Buchcover: Entromantisiert euch!
"Entromantisiert euch!" von Beatrice Frasl: 24,90 €, Haymon Verlag.
© PR

Ich habe eine Freundin, von der man drei Monate nichts hört, wenn sie frisch verliebt ist. Sie stellt die romantische Liebe über alles. 

Das kann böse enden. Die Forschung sagt uns, dass wir pro romantischer Paarbeziehung zwei Freundschaften verlieren. Das ist relativ tragisch, weil gerade die Freundschaften uns dann halten, wenn die romantische Paarbeziehung zerbricht, was statistisch sehr wahrscheinlich ist. Romantische Liebe reißt uns aus anderen Beziehungen heraus. Deshalb macht sie ganz oft einsam – weil wir mehr Menschen brauchen, mit denen wir in engen Bindungen stehen, um gesund und glücklich zu sein. Das kann schlimmstenfalls lebensgefährlich sein, weil es gewalttätige Männer leichter haben. Oft ist es die Strategie von Tätern, Opfer zu isolieren, damit niemand von außen sagen kann: "Moment mal, der behandelt dich nicht gut". Menschen in einem Kokon haben keinen externen Reality Check. Diese Isolationstendenzen werden oft nicht erkannt, weil es für so normal gehalten wird, dass sich Frischverliebte selten melden.

Du schreibst, dass Männer in Beziehungen länger leben als Frauen. Wieso?

Männer werden in heterosexuellen Beziehungen umfassend befürsorgt und verpflegt. Ein Beispiel von vielen ist das Thema Gesundheitsmanagement. Oft ist die Frau diejenige, die für alle in der Familie Arzttermine ausmacht, dafür sorgt, dass der Mann seine Medikamente nimmt, weiß, welche Blutgruppe oder Allergien er hat, und manchmal mit ihm zum Arzt geht, um zu erklären, was los ist. Medizinisches Personal berichtet, dass sie fast nur Kontakt zu Frauen haben, auch wenn der Mann der Patient ist. Bei einem Notfall weiß die Ehefrau alle Details über ihren bewusstlosen Mann, während der Mann nichts weiß, wenn die Frau bewusstlos ist. Das kann sie das Leben kosten.