Frühlingsbilder

Mir fiel auf, und es tat nicht einmal weh, dass ich diesen Frühling gerade verpasse wie keinen anderen in den letzten zwanzig Jahren. Ich bin in diesem Jahr mehr vor Bildschirmen als vor knospenden Büschen und Bäumen, mein Naturbezug kam mir im Winter etwas abhanden. Das halte ich nicht für dramatisch, ich habe diesen Bezug... Der Beitrag Frühlingsbilder erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.

Apr 8, 2025 - 07:44
 0
Frühlingsbilder

Mir fiel auf, und es tat nicht einmal weh, dass ich diesen Frühling gerade verpasse wie keinen anderen in den letzten zwanzig Jahren. Ich bin in diesem Jahr mehr vor Bildschirmen als vor knospenden Büschen und Bäumen, mein Naturbezug kam mir im Winter etwas abhanden. Das halte ich nicht für dramatisch, ich habe diesen Bezug in den letzten Jahren genug ausgetobt, auch mehr als andere. Es ist alles nur eine Phase. Und es passt mir gerade so, wie es ist, das ist immer schon ein Glück, wenn man das so feststellen kann. Állerdings wird es, und ich ahne schon, wie irritierend es sich anfühlen wird, in Kürze auf einmal Sommer sein, ohne gefühlten Übergang.

Auf der Einkaufsrunde am Nachmittag komme ich mehrfach an einem Spielplatz vorbei. Ich kann mir da aus den Bildern beim Vorbeigehen eine Szene zusammenstückeln, die ich für den Montag als Frühlingssurrogatextrakt nehme.

Ein Elternpaar steht und sitzt dort neben der Sandkiste, noch jung, mit einem Kind dabei. Zwei Jahre wird es etwa alt sein. Seine Eltern benehmen sich in einer Weise wie frisch verliebt, wie man sie auf Spielplätzen gar nicht so oft sieht. Es wird geküsst und umhalst und gekuschelt und auch etwas albern teenagermäßig herumgerangelt, dass Kleidung und Frisuren verrutschen. Seine Hände sind dauernd an ihr. Sie lässt sich in seine Arme fallen, also Disneyprinzessin nichts dagegen. Die Balzrituale der Menschen, recht ansprechend in Szene gesetzt. Die beiden sehen auch attraktiv aus, und was sie da machen, das ist zwar noch vorabendprogrammtauglich, aber es könnte anders werden, wenn die Szenerie und die Gelegenheiten sich ändern. Schön, schön.

Dann setzt er sie auf die Schaukel, er trägt sie sogar hin. Er hat also noch nichts mit dem Rücken, denkt man da als etwas älterer Zuschauer, und man erinnert sich kurz. Er steht vor ihr, sie sitzt auf der Schaukel und sieht anhimmelnd zu ihm auf, er fasst sie an den Schultern und gibt ihr sanft Schwung. Und sie lachen und lachen, sie küssen auch, also wenn die Schaukel gerade wieder bei ihm ist. Was aber nicht so elegant gelingt, wie es vermutlich gemeint ist. Es gibt Schwierigkeiten in der Zielansprache und wirkt daher etwas clownesk. Sicher ohne so gemeint zu sein, und einmal scheint auch etwas weh zu tun.

Vielleicht stieß da Zahn an Zahn oder was in solchen Situationen eben passieren kann. Es gibt nun einmal Szenen, die gehen nicht auf wie gedacht, und die Distanz zwischen großer Leidenschaft und Peinlichkeit ist oft verblüffend kurz, man kennt das.

Neben den turtelnden Eltern das Kind im Sand. Mit offenem Mund staunend, was ist das jetzt für eine Nummer mit den beiden da. Und warum guckt keiner, wie ich hier ein prima Loch grabe.

Neben dem buddelnden Kind die Tauben am Rand der Sandkiste. Mit schiefgelegten Köpfen, die darauf warten, dass Eltern und Kind hoffentlich bald verschwinden und dabei möglichst größere Mengen zerbröselten Butterkeks zurücklassen. Die Vögel haben immerhin auch Nachwuchs zu versorgen und etwas mehr Verständnis und Entgegenkommen wäre da angebracht.

Neben den Tauben der Autor dieser Zeilen, der sich das alles ansieht und im Weitergehen an Ringelnatz denkt: „Nie bist du ohne Nebendir.“

Na, wie auch immer. So geht es hier jedenfalls im Frühling zu, das wollte ich nur eben notiert haben.

***

Ein buntes Wandgemälde mit dem Schriftzug "Colors"

***

Sie können hier Geld in die virtuelle Version des Hutes werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch. Die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Der Beitrag Frühlingsbilder erschien zuerst auf Buddenbohm & Söhne.