Expertenrat für Klimafragen bestätigt Klimalücke im Verkehr
Für die kommenden Jahre erwartet der Expertenrat für Klimafragen auch keine nennenswerten Impulse, dafür seien die Vorschläge der Großen Koalition zu dünn. Der Beitrag Expertenrat für Klimafragen bestätigt Klimalücke im Verkehr erschien zuerst auf Elektroauto-News.net.

Der Expertenrat für Klimafragen hat seinen Prüfbericht zur Berechnung der deutschen Treibhausgasemissionen für das Jahr 2024 und zu den Projektionsdaten 2025 vorgelegt (hier als ausführliches PDF). Das unabhängige Gremium aus fünf sachverständigen Personen verschiedener Disziplinen konnte demnach die Berechnung der Emissionsdaten für das Vorjahr 2024 nachvollziehen und bestätigt die Ergebnisse des Umweltbundesamts. Dabei stellt der Expertenrat fest, dass der Gebäudesektor sowie insbesondere der Verkehrssektor im Jahr 2024 zum wiederholten Male die vorgegebenen Jahresemissionsmengen überschreiten. In beiden Sektoren ist die Überschreitung höher als im Vorjahr.
Der Verkehrssektor emittierte nach Berechnungen des Umweltbundesamtes 143,1 Mt CO2-Äq. (Millionen Tonnen CO2-Äquivalente) im Jahr 2024. Damit sanken die THG-Emissionen um 2,1 Mt CO2-Äq. gegenüber dem Vorjahr. Prozentual entspricht dies einem Rückgang von 1,4 Prozent. Die Jahresemissionsmenge von 125,2 Mt CO2-Äq. wurde dennoch um 17,8 Mt CO2-Äq. überschritten. Der Sektor verfehlt damit zum vierten Mal in Folge die Jahresemissionsmenge, weshalb die die Internationale Energieagentur (IEA) vor wenigen Monaten die Deutsche Bundesregierung bereits kritisiert hat.
Im Jahr 2024 gab es keine wesentlichen strukturellen Entwicklungen im Verkehrssektor, sodass die Emissionsreduktion gegenüber dem Vorjahr weiterhin moderat bleibt. Im Personenverkehr dominiert weiterhin der Anteil fossiler Pkw sowohl im Bestand als auch bei den Neuzulassungen. Im Vergleich zum Jahr 2023 verringerten sich die Neuzulassungen von Elektroautos um 5 Prozent, der Bestand an E-Autos wuchs daher nur geringfügig. Auch der Bestand an fossilen Pkw blieb konstant. Folglich kam es nur zu geringfügigen Veränderungen des Gesamtbestands.
Im Güterverkehr verläuft der Aufbau des nicht-fossilen Kapitalstocks ebenfalls schleppend. Hier sei zu berücksichtigen, dass sich die Marktdiffusion von Elektro-Lkw im Anfangsstadium befindet. Auch wenn die absoluten Zahlen gering ausfallen, betont der Expertenrat in seinem Prüfbericht, dass die Anteile von E-Autos und E-Lkw an den Neuzulassungen im Januar und Februar des Jahres 2025 die höchsten im Vergleich zu den Vorjahresmonaten waren, ein Trend, der sich auch im März und April weiter fortsetzte.
Gesamtbudget bis 2030 könnte eingehalten werden
Gemäß den diesjährigen Projektionsdaten würde das im Klimaschutzgesetz festgelegte Emissionsbudget für die Jahre 2021 bis 2030 mit einem Puffer von 81 Mt CO2-Äq. eingehalten werden. In seiner Prüfung der Daten gelangt der Expertenrat zum Ergebnis, dass die Projektionsdaten die Emissionsmengen bis 2030 tendenziell unterschätzen. Das Maß der Unterschätzung liegt nach Einschätzung des Expertenrats aber etwa in der Größenordnung des in den Projektionsdaten 2025 ausgewiesenen Puffers.
Vor dem Hintergrund der gegebenen Unsicherheiten stellt der Expertenrat im Sinne seines Auftrags fest, dass die Summe der Treibhausgasemissionen der Jahre 2021 bis 2030 die entsprechende nach Klimaschutzgesetz zulässige Menge weder über- noch unterschreitet. Somit liege keine zweite Überschreitung im Sinne von § 8 Absatz 1 KSG vor und der Auslösemechanismus zur Nachsteuerung komme nicht zur Anwendung.
„Zwar stellen wir im Ergebnis unserer Prüfung keine Überschreitung des Emissionsbudgets bis 2030 fest. Aber ohne den Puffer, der sich in den Jahren 2021 bis 2024 unter anderem durch Corona und die schwache Wirtschaft aufgebaut hat, wäre bis Ende 2030 mit hoher Wahrscheinlichkeit eine deutliche Budgetüberschreitung zu erwarten gewesen“, so der Ratsvorsitzende Hans-Martin Henning. „Zudem werden laut Projektionsdaten die nationalen Verpflichtungen unter der europäischen Lastenteilung ab dem Jahr 2024 verfehlt. Sie weisen eine im Vergleich zum vorigen Jahr gewachsene Ziellücke bis 2030 auf. Auch das übergeordnete 65-Prozent-Ziel für das Jahr 2030 würde nicht erreicht.“
Expertenrat regt Weiterentwicklungen im Klimaschutzgesetz an
Für die Jahre nach 2030 zeigen die Projektionsdaten eine deutliche und im Zeitverlauf zunehmende Zielverfehlung. Der Sektor Landnutzung LULUCF (Land Use, Land Use Change and Forestry) wird in den Projektionsdaten nicht mehr als Senke von Emissionen, sondern als Emissionsquelle ausgewiesen – ein Trend, der laut Projektionsdaten bis 2045 und darüber hinaus anhält. Grund dafür sei der schlechte Zustand des Waldes. Damit verbleiben laut den Projektionsdaten im Jahr 2045 ohne den Sektor LULUCF Emissionen in Höhe von 204 Mt CO2-Äq. Wird der Sektor LULUCF einbezogen, fallen die Restemissionen sogar noch höher aus. Das übergreifende Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 würde damit sehr deutlich verfehlt.
Um Klimaneutralität zu erreichen, müssen verbleibende Restemissionen durch die Senkenleistung des Sektors LULUCF und durch technische Senken ausgeglichen werden. Derzeit besteht Unklarheit darüber, ob und unter welchen Bedingungen sich der Sektor LULUCF wieder zu einer Emissionssenke entwickeln kann. Auch der Einsatz negativer Emissionstechnologien sei bislang mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbunden. Vor dem Hintergrund der projizierten Zielverfehlungen und der unabsehbaren Entwicklungen im Bereich der Senken empfiehlt der Expertenrat in seinem Gutachten die Klärung und Ergänzung der Zielarchitektur des Klimaschutzgesetzes.
Insbesondere sollte zügig eine Langfriststrategie entwickelt werden, die das Zusammenspiel von Restemissionen, dem LULUCF-Sektor und technischen Senken beim Erreichen der Klimaneutralität im Zieljahr 2045 und auf dem Weg dorthin präzisiert. „Das Klimaschutzgesetz enthält bislang kein eigenständiges Ziel für die Restemissionen im Jahr 2045, die Bundesregierung hat das Ziel für die technischen Senken noch nicht definiert, und das Ziel für LULUCF wird in den Projektionsdaten weit verfehlt“, erläutert Ratsmitglied Marc Oliver Bettzüge und ergänzt: „Damit ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar, wie die Bundesregierung das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 erreichen will.“ Der Expertenrat empfiehlt deshalb eine rasche Klärung und fordert einen konsistenten klimaschutzpolitischen Rahmen.
„Vom Koalitionsvertrag geht kein nennenswerter Impuls für die Zielerreichung im Jahr 2030 aus“
Auch wenn kein Nachsteuern aufgrund einer zweiten Zielverfehlung notwendig sei, steht laut Klimaschutzgesetz der Beschluss eines Klimaschutzprogramms innerhalb der ersten zwölf Monate nach Beginn der Legislatur an, also bis Ende März 2026. Gemäß Gesetz müssen darin die festgestellten Zielverfehlungen bis 2040 vollständig adressiert werden. Zusätzlich sollte aus Sicht des Expertenrats auch die Zielverfehlung der Klimaneutralität bis 2045 in den Blick genommen werden, auch wenn letztere nicht ausdrücklicher Bestandteil eines Klimaschutzprogramms sein müsse. Im Bericht identifiziert der Expertenrat eine Reihe von Handlungsfeldern, die eine besondere Aufmerksamkeit im Klimaschutzprogramm verdienen, unter anderem Maßnahmen im Verkehrs- und Gebäudesektor, die Umsetzung des 2. Europäischen Emissionshandels EU-ETS 2 sowie Maßnahmen im Sektor LULUCF und zur Umsetzung von technischen Senken.
In seinem Bericht nimmt der Expertenrat auch einen Abgleich dieser Handlungsfelder mit den Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag vor. „Vom Koalitionsvertrag geht kein nennenswerter Impuls für die Zielerreichung im Jahr 2030 aus“, stellt die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf fest. „Zudem adressiert der Koalitionsvertrag die maßgeblichen Problemfelder nicht explizit und bleibt an vielen Stellen vage. Wir empfehlen daher, das anstehende Klimaschutzprogramm neben der Sicherstellung der Zielerreichung für das Jahr 2030 auch explizit auf die identifizierten Handlungsfelder und die langfristige Erreichbarkeit der Klimaneutralität auszurichten.“
Quelle: Expertenrat für Klimafragen – Pressemitteilung vom 15.05.2025
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