Die besten Reisetipps : Die besten Reisetipps fürs Bayern-Trio
Ein Hoch auf Bayern in drei Akten: Doris Ehrhardt war für uns in Regensburg, Würzburg und Augsburg unterwegs.

Ein Hoch auf Bayern in drei Akten: Doris Ehrhardt war für uns in Regensburg, Würzburg und Augsburg unterwegs.
Regensburg
© Peter Neusser
Was zum Dableiben
Andernorts gurren Tauben, in Regensburg schwirren die Stimmen auffallend vieler junger Menschen über die Plätze. Sie sitzen im Gras der Donau-Ufer, auf Hochwassermauern, Treppenstufen, Balustraden, Fahrrädern und natürlich auch in Cafés. Rund 30 000 der 170 000 Einwohnerinnen und Einwohner studieren.
Und relativ viele, die dafür mal hergezogen sind, bleiben "kleben", sagt Sophia, der es vor zehn Jahren selbst so erging, nachdem sie ihren Abschluss in Jura in der Tasche hatte. Ich lerne sie auf dem Domplatz kennen. "Wir haben hier die tollsten Freizeitangebote am Tag und in der Nacht, aber nicht die Hektik typischer Großstädte. Regensburg ist überschaubar. Du kommst überall schnell hin, auch ins grüne Umland."
Auf meinem Streifzug durch die buckligen Kopfsteingassen der Weltkulturerbe-Stadt fällt mir auf: Hey, so was wie Instagram gab’s früher auch schon – als Plattform für Ästhetik dienten damals allerdings die Häuser. Da wimmelt es von Schnitzereien an Türen, Stuckrahmen um die Fenster und figürlichen Skulpturen an Erkern. Neobarock, Jugendstil, Neorenaissance. Noch früher, im Mittelalter, ließen Patrizierfamilien weithin sichtbare Türme hochziehen, die keinen anderen Zweck hatten, als in den Himmel zu schreien: "Meiner ist größer als deiner!"
Auf stattliche neun Stockwerke kommt zum Beispiel der Goldene Turm in der Wahlenstraße. Die steinernen Statussymbole waren Mitte des 13. Jahrhunderts so stabil gebaut worden, dass von den etwa 80 Türmen immer noch rund 20 senkrecht stehen. Ein paar sind heute Wohnheime für Studierende – inklusive Partykeller.
Für Kontraste im Stadtbild sorgt zeitgenössische Kunst. Andre Maier (Instagram: @kunst_m) etwa integriert seine unverwechselbaren Wandmalereien gekonnt in die Umgebung. Mein Mural-Art-Favorit ist sein Porträt von Regensburg, das er auf eine fünfstöckige Hauswand gemalt hat: eine coole Frau in Ritterrüstung mit Schoßhündchen. Die Frau symbolisiert die Stadt, das Hündchen steht für Regensburgs Bevölkerung – wie ein geliebtes Accessoire.
Ganz schön frech, aber die Leute hier mögen so was. Sie sind selbstbewusst aus Tradition, haben Humor und ein Faible für das Zusammenspiel von Alt und Modern.
Sehr gelungen finde ich auch das Konzept des Restaurants "Offsid3" mit seinem grünen Innenhof mitten im Zentrum: saisonale Fusionsküche, spezialisiert auf Menüs im Mezze-Stil, überraschend komponierte orientalische Vorspeisen. Ich versinke im Genuss geheimnisvoller Gemüsekreationen und bleibe den ganzen Abend kleben.
Würzburg
© Peter Neusser
Fränkisch Dolce Vita & barocker Pomp
Was sich Sommer wie Winter jeden Abend auf der Alten Mainbrücke abspielt, die nur für Fußgängerinnen und Fahrradfahrer geöffnet ist, hatte ich vor meiner Ankunft für eine Touri-Abzocke gehalten. Ist aber keine. Als ich selbst auf dem historischen Gemäuer stehe, höre ich hauptsächlich den unverkennbaren fränkischen Dialekt der Einheimischen.
Im Rücken habe ich die Weinberge und die Festung Marienberg, unter mir den Main, vor mir die Altstadt-Silhouette, in der Hand einen Weißwein – wie fast alle hier. Den Schoppen "to go" holt man sich am Ausschank (alte-mainmuehle.de) und trinkt ihn aus echten Gläsern an einem freien Plätzchen irgendwo auf der Brücke. Auf der Brüstung zu stehen ist tabu – zu groß, heißt es, sei die Gefahr, dass jemand beim Sturz in den Main einen Fisch erschlagen könnte.
Ein paar Schritte weiter Richtung Innenstadt sieht der "Beim Grafeneckart"-Platz einer italienischen Piazza zum Verwechseln ähnlich. Barocker Vierröhrenbrunnen, Eisdiele, Laternen, Genuss in Grüppchen unter freiem Himmel. Die Atmo ist Dolce Vita. Laut dagegen geht es am Wochenende in der Partyzone an der Sanderstraße zu. Dort rufen Plakate zur Einhaltung der Nachtruhe auf und warnen Feiernde davor, die Straße mit einem Klo zu verwechseln: „Bier rein 5 Euro, Bier raus 55 Euro“.
Würzburg, die mittelgroße Stadt, liegt zwar in Bayern, aber die Identität ist fränkisch, genauer: unterfränkisch. "Der Franke", sagt man, "ist stur". Aber ich möchte die nachgesagte Sturheit nicht mit launenhafter Bockigkeit verwechseln, sondern im Zusammenhang mit der Historie sehen. Über die Jahrhunderte versuchten Bauernvolk und Bürgertum immer wieder, sich gegen ausbeuterische Feudalherrscher zur Wehr zu setzen. Dass Würzburgs Bürgerinnen und Bürger politisch jedoch so gut wie nichts zu sagen hatten, wird beim Besuch des ursprünglichen Rathauses aus dem 13. Jahrhundert, dem Grafeneckart, ersichtlich – der heute älteste Teil ist ungefähr so groß wie ein Feigenblatt.
Ums Zigfache raumgreifender hingegen die Würzburger Residenz. Sie war ab 1780 Sitz der Fürstbischöfe, also jener Herren, die doppelte Macht hatten und gern einen Lebensstil der Doppelmoral pflegten. Das dreiflügelige, barocke Schloss mit zauberhaftem Hofgarten könnte man wegen seiner Ausmaße mit Frankreichs Schloss Versailles verwechseln. Aber das passiert eigentlich nur, wenn man nicht weiß, dass die Residenz Versailles in diversen Details übertrifft.
Grandios allein das Treppenhaus mit dem größten Deckenfresko der Welt, gemalt von Tiepolo, einem der bedeutendsten Maler des Rokoko. Zusammen mit einer Schar von Helfern pinselte der Italiener filigrane Meisterwerke auf das 700-Quadratmeter-Gewölbe. Die gewagte freitragende Konstruktion stammt von Balthasar Neumann. Und der war kein gelernter Architekt, sondern technischer Ingenieur.
Augsburg
© Peter Neusser
In Sachen Glück weit vorn
Im Kräutergarten am Rande der Altstadt steht zwischen rosa Rosenstöcken eine Bank, auf der sich eine junge Frau zum Sonnen ausgestreckt hat. Ums Eck schneidet eine andere ein paar Kräuter ab und packt sie in ihre Tasche. Das ist offiziell erlaubt und wird von den Besucherinnen und Besuchern so freundlich dosiert praktiziert, dass der Garten alles andere als gerupft aussieht.
Augsburg kommt mir wie eine Kulisse für ein Feel-Good-Movie vor: Man hat sofort gute Laune. Ich fühle mich selbst in den zentralen Quartieren von Bayerns drittgrößter Stadt nicht erdrückt vom Verkehr. Besonders gefällt mir die Kirchgasse im Ulrichsviertel, wo die Leute ihre Straße eigeninitiativ mit Bänken und viel Grün wohnlich gestaltet haben.
Auch der Umgang mit Ressourcen überzeugt mich. Gegen den Durst unterwegs muss man kein Plastikflaschengetränk kaufen, man zapft einfach einen der 25 Brunnen an (sw-augsburg.de – Menüpunkt "Wasser"). Das Angebot hat Tradition: Schon vor mehr als 500(!) Jahren schuf Augsburg ein vorbildliches Wassermanagement-System, das kostenloses Trinkwasser bot und dieses klug vom Brauchwasser trennte. Das ist bis heute so und hat das Prädikat "Unesco Welterbe".
Überhaupt plätschert und gluckert es hier auffällig oft. An der von Prachtbauten gesäumten Maximilianstraße sprudeln drei poolgroße Brunnen im Stil der Renaissance. Der Lech, die Wertach und diverse Kanäle fließen quer durch die Stadt, und als Fußgängerin spaziert man so nah an den Gewässern, dass man stets ein angenehmes Frischegefühl abbekommt.
Man darf sich Augsburg aber nicht dörflich vorstellen. Die Architektur hat Wumms. Im Zentrum stehen Stadtvillen groß wie Wohnblocks. Offenbar sind im 15. und 16. Jahrhundert einige Leute in Geld geschwommen, die Familien der Fugger jedenfalls gehörten zu den wohlhabendsten ihrer Zeit. Jakob Fugger, genannt "der Reiche", gründete anno 1516 die erste Sozialsiedlung der Welt, die Fuggerei. Die 142 Wohnungen werden nach wie vor zu extrem preiswerten Bedingungen an Bedürftige abgegeben – zugleich ist es die meistbesuchte hiesige Sehenswürdigkeit.
Gut 300 000 Menschen leben in Augsburg, fast die Hälfte hat einen Migrationshintergrund, und alle zusammen vermitteln unterm Strich die Haltung "Sei offen für das Leben der anderen". Zu spüren ist das zum Beispiel auf Events und Festivals vom Copa Caribe (copacaribe.de), etwa auf dem Königsplatz, der sich unter lateinamerikanischen Rhythmen in eine Tanzfläche verwandelt. Auf innigere Weise fühlbar ist es bei den Veranstaltungen des Augsburger Hohen Friedensfest, das seit 1650 begangen wird – der 8. August ist hier sogar gesetzlicher Feiertag.
Die Wohlfühl-Atmo ist übrigens auch statistisch erfasst: Im Glücksatlas belegt Augsburg Platz sieben unter den deutschen Großstädten.
Doris’ Tipps fürs Bayern-Trio
Hinkommen und Rumkommen
Alle drei Städte sind gut per Zug zu erreichen. In Augsburg verkehren Busse und Straßenbahnen, in der City-Zone sogar kostenlos (AVV). Regensburg bietet viele Buslinien, u. a. fährt ein E-Bus ("emil") durch die Altstadt (RVV). In Würzburg sind die Straßenbahnen, genannt Straba, im Innenstadtbereich im 5-Minuten-Takt unterwegs (WVV).
Übernachten
Augsburg/Maximilian’s. Zentral, historisch, elegant. Die Zimmer haben teils Blick aufs Schaezlerpalais im Rokokostil oder auf die Maximilianstraße. Super Frühstück! Außerdem ein Spa mit Saunen und Fitness. DZ ab 205 Euro (Maximilianstraße 40, Tel. 082 15 03 60, hotelmaximilians.com).
Regensburg/Das Regensburg. Familiengeführtes Hotel in der Altstadt mit wohnlich gestalteten Zimmern, Dachgarten und nachhaltigem Konzept. Zur Begrüßung erhalten Gäste eine Glasflasche – für unterwegs zum Auffüllen. DZ/F ab 118 Euro (Jesuitenplatz 1, Tel. 09 415 45 42, das-regensburg.de).
Würzburg/Rebstock. Best-Western-Premier-Hotel in zentraler, aber ruhiger Lage. Hinter der Rokokofassade wartet moderner Komfort. DZ/F ab 220 Euro (Neubaustraße 7, Tel. 093 13 09 30, rebstock.com).
Genießen
Augsburg/Emmi’s Kitchen. Vegane Küche – und von Spinatspätzle (ca. 15,50 Euro) über Bowl bis Falafel mit Salat wird alles von Hand zubereitet (Kirchgasse 1, Tel. 08 21 81 55 59 95, emmiskitchen.de).
Regensburg/Offsid3. Gute-Laune-Location mit Innenhof. Auf der Karte: kreative, saisonal wechselnde Speisen von früh bis spät, z. B. „Pink Potato Salat“ als Vorspeise für ca. 8 Euro (Viereimergasse 2a, offsid3.de).
Würzburg/Backöfele. Klassische fränkische Küche in uriger Atmosphäre, drinnen mit Kachelofen und dunklem Holz, draußen im Innenhof bei Kerzenschein ist es im Sommer mindestens genauso gemütlich. Köstlich: das "Fränkische Hochzeitsessen" mit Kalbstafelspitz und gebratenen Semmelnudeln für ca. 21 Euro (Ursulinergasse 2, Tel. 093 15 90 59, backoefele.de).
Einkaufen
Augsburg/Handwerkerweg. Hey, so etwas gibt‘s noch?! Bütten aus einer Papierwerkstatt (papiermanufaktur-wengenmayr.de); von Hand getriebene Trauringe und Tabletts (goldschmiede-eidel.de); geflochtene Körbe aller Art (korbflechterin.de) … Der Handwerkerweg in der Altstadt hat ein bisschen was von Zeitreise (kostenlose App zum Orientieren: "Augsburger Handwerkerweg").
Regensburg/Keramikwerkstatt Küffer. Eine Fundgrube für Handgemachtes! Meister Gerhard Küffer entwirft die Designs selbst – außerdem kocht er mittags für die ganze Belegschaft und hat in seinem Betrieb schon 70 Azubis ausgebildet (Goldene-Bären-Straße 1, Tel. 094 15 55 42, instagram.com/kueffer.keramik).
Regensburg/Carakess. Ein schöne Verbindung aus Vintage-Laden und Café. Claudia Flügel-Eber flößt hier Dingen aus den 50er- bis 70er-Jahren wie Möbeln und Wohnaccessoires mit handwerklichem Geschick neues Leben ein. Ihre Spezialität sind filigran gestrickte Perlbeutel zum Dirndl (Unter den Schwibbögen 11,Tel. 09 41 46 52 29 20, carakess.de).
Würzburg/Zukunftshaus. Einmalig in Deutschland ist das kein klassisches Warenhaus, sondern ein Ort, an dem man Dinge kaufen, mieten, tauschen oder zur Reparatur bringen kann. Jeder Besuch macht Lust, den eigenen Alltag nachhaltiger anzugehen (Augustinerstr. 4, Tel. 09 31 66 08 04 80, zukunftshaus-wuerzburg.de).
Erleben
Augsburg/Tim. Bis in die 1960er-Jahre boomte Augsburgs Textilindustrie. Das Museum in einer ehemaligen Fabrik vermittelt anschaulich die Produktionsschritte von der Baumwolle bis zum Abendkleid und erzählt darüber hinaus Geschichte und Geschichten mit Augenmerk auf die Arbeitsbedingungen von Frauen (Provinostraße 46, Tel. 082 18 10 01 50, timbayern.de).
Augsburg/Moritzkirche. Für ihre Neugestaltung wurde der britische Star-Architekt John Pawson engagiert. Herausgekommen ist ein ergreifend puristischer, lichterfüllter Raum – so innovativ, dass man sogar die zentrale Lindenholzfigur des Christus Salvator für avantgardistisch halten mag; tatsächlich ist sie 400 Jahre alt. Führungen jeden 1. und 3. Samstag im Monat (Moritzplatz 1, Tel. 082 12 59 25 30, moritzkirche.de).
Regensburg/Stadtamhof. Weltkulturerbe mit Hipster-Flair: Das sehenswerte Viertel Stadtamhof liegt auf einer Insel in der Donau. Im historischen Salzlager Andreasstadel sind heute Galerien, Ateliers, ein Kino und ein Café untergebracht (Andreasstraße 28).
Würzburg/MiK. Am Alten Hafen liegt der Kulturspeicher, ein Ort für Kabarett, Theater, Tanz, Musik – und das Zuhause des "Museum im Kulturspeicher" MiK. Die Dauerausstellungen präsentieren u. a. Europas größte Sammlung konkreter Kunst (Oskar-Laredo-Platz 1, Tel. 09 31 32 22 50, kulturspeicher.de).
Würzburg/Dom St. Kilian. Deutschlands viertgrößte romanische Kirche brannte infolge des verheerenden Bombenangriffs am 16. März 1945 komplett aus. Beim Wiederaufbau wurden die einigermaßen gut erhaltenen Elemente stilgetreu rekonstruiert, die völlig zerstörten neu aufgelegt (Domstraße 40, dom-wuerzburg.de).