Beachtlicher Fund: Bildungzentrum der Antike: Einzigartiger Hörsaal der alten Griechen entdeckt
Archäologinnen und Archäologen haben auf Sizilien einen antiken Hörsaal freigelegt. Er liefert neue Einblicke in die intellektuelle Ausbildung der Jugend im alten Griechenland

Archäologinnen und Archäologen haben auf Sizilien einen antiken Hörsaal freigelegt. Er liefert neue Einblicke in die intellektuelle Ausbildung der Jugend im alten Griechenland
Ein internationales Archäologenteam unter der Leitung von Prof. Dr. Monika Trümper und Dr. Thomas Lappi von der Freien Universität Berlin hat in der antiken Stadt Agrigent einen außergewöhnlichen Fund gemacht: Im Gymnasium der ehemals griechischen Stadt an der Südwestküste Siziliens – heute Teil des UNESCO-Weltkulturerbes und bekannt für seine gut erhaltenen Tempel in unmittelbarer Nähe zum Mittelmeer – legten die Forschenden ein antikes Auditorium frei, das bislang einzigartig ist im westlichen Mittelmeerraum und neue Einblicke in die Erziehung junger Männer in der hellenistischen Welt liefert.
Agrigent: Ein Gymnasium der Superlative
Das Gymnasium von Agrigent, gegründet im 2. Jahrhundert v. Chr., war schon zuvor als imposante Anlage bekannt. Es diente, wie die Gymnasien vieler anderer antiker Städte auch, als der zentrale Ort, an dem junge Männer körperlich und intellektuell auf ihre zukünftigen Aufgaben als Bürger vorbereitet wurden – eine Mischung aus Fitness-Center und Schule.
Mit einer 200 Meter langen Laufbahn, einem großen Schwimmbecken und Tribünen mit Inschriften galt das Gymnasium in Agrigent als Zentrum der Superlative und als bedeutendste Ausbildungsstätte der Region. Die jüngste Entdeckung des antiken Hörsaals bestätigt diese Sonderstellung eindrucksvoll.
Der Hörsaal: Einzigartig im westlichen Mittelmeerraum
Dieser Hörsaal, ein kleines, überdachtes Theater mit acht halbrunden, ansteigenden Sitzreihen, bot rund 200 Menschen Platz. Er diente nicht nur dem Unterricht, sondern vermutlich auch rhetorischen Übungen, Vorführungen und Wettbewerben. An das Auditorium anschließend, öffnete sich ein weiterer großer Saal mit Bänken, der ebenfalls für Unterricht, Vorführungen und Wettbewerbe genutzt werden konnte.
© Rolf Sporleder / FU Berlin, Institut für Klassische Archäologie
Bislang waren Gymnasien mit vergleichbaren Hörsälen nur aus dem östlichen Mittelmeerraum bekannt. Das Gymnasium von Agrigent ist das erste Beispiel dieser Art im Westen und war seiner Zeit weit voraus: Erst 250 bis 300 Jahre später erhielt das berühmte Gymnasium in der antiken Metropole Pergamon in der heutigen Türkei ein ähnliches Auditorium.
Inschriften als Fenster ins soziale Leben
Ein weiterer bedeutsamer archäologischer Fund sind zwei große Kalksteinblöcke mit griechischen Inschriften im Halbrund des freigelegten Hörsaals. Denn obwohl das antike Agrigent mehr als 1000 Jahre lang besiedelt war, sind nur sehr wenige Inschriften erhalten geblieben, die wie der Neufund Einblicke in das soziale Leben der Stadt gewähren können.
Die Buchstaben, in roten Farbtönen hervorgehoben, nennen den Gymnasiarchen – den Leiter des Gymnasiums – und berichten von der Erneuerung des Dachs des Umkleideraums, gestiftet von einem wohlhabenden Bürger und den Schutzgöttern Hermes und Herakles geweiht. Die Inschrift stammt laut dem Forschungsteam aus dem späten 1. Jhd. v. Chr., als Agrigent bereits unter römischer Herrschaft stand, aber weiterhin griechische Sprache, Ämter und Traditionen pflegte.
© Rolf Sporleder / FU Berlin, Institut für Klassische Archäologie
Bedeutsam für die Forschung
Der Fund des Auditoriums zeigt, dass die Ausbildung im antiken Griechenland weit mehr war als sportliche Ertüchtigung. Die Philosophie des "gesunden Geists im gesunden Körper" wurde hier architektonisch umgesetzt: Der Hörsaal war Ort des Lernens, der Debatte und der Selbstdarstellung. Die Entdeckung liefert damit einzigartige Einblicke in die Bildungsarchitektur und das soziale Leben einer bedeutenden griechischen Kolonie.
Die Ausgrabungen wurden von der Freien Universität Berlin in Kooperation mit dem Politecnico di Bari und dem Parco Archeologico Valle dei Templi di Agrigento durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Für 2026 sind weitere Grabungen geplant, die Sport- und Unterrichtsräume sowie zusätzliche Inschriften zutage fördern könnten – und damit das Bild des antiken Gymnasiums von Agrigent weiter vervollständigen. Mit diesem Fund rückt Agrigent als Zentrum innovativer griechischer Bildungsarchitektur ins Licht der internationalen Forschung – und zeigt, wie hoch die antiken Griechen die intellektuelle Ausbildung ihrer Jugend schätzten.