Automobilstandort Deutschland: Umsatz und Beschäftigung sinken
Die aktuelle Krise der Autoindustrie sei erst der Anfang eines schmerzhaften, aber unabwendbaren Schrumpfungsprozesses, so eine aktuelle Studie. Der Beitrag Automobilstandort Deutschland: Umsatz und Beschäftigung sinken erschien zuerst auf Elektroauto-News.net.

Der Umsatz der deutschen Automobilindustrie schrumpfte im vergangenen Jahr deutlich – um fünf Prozent – auf 536 Milliarden Euro. Auch die Beschäftigung war rückläufig: Die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland sank im Jahresdurchschnitt um 0,9 Prozent. Zum Jahresende 2024 lag die Zahl der Beschäftigten sogar um 2,4 Prozent unter dem Vorjahreswert – damit sind im Verlauf des Jahres 2024 insgesamt fast 19.000 Stellen in der deutschen Autoindustrie verloren gegangen.
Vor allem die Automobilzulieferer geraten unter Druck. So schrumpfte der Umsatz der in Deutschland angesiedelten Zulieferer gegenüber dem Vorjahr um acht Prozent und damit doppelt so stark wie der Umsatz der Hersteller. Auch die Zahl der Beschäftigten ging bei den Zulieferern mit minus 2,4 Prozent deutlich stärker zurück als bei den Herstellern, deren Mitarbeiterzahl im Jahresmittel nur um 0,1 Prozent sank. Damit setzte sich der negative Langfrist-Trend bei den Zulieferern fort – die Zahl der Beschäftigten sank 2024 auf den tiefsten Stand seit mindestes 18 Jahren – für die Jahre vor 2005 sind keine vergleichbaren Zahlen verfügbar.
Das sind zentrale Ergebnisse einer aktuellen Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zur Entwicklung der deutschen Automobilindustrie. Basis der Studie, die nur in Deutschland tätige Betriebe analysiert, sind aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts und der Agentur für Arbeit. Untersucht wurden Unternehmen ab einer Größe von 50 Mitarbeitern.
„Die deutsche Automobilindustrie steckt in einer massiven und umfassenden Krise“, sagt Constantin M. Gall, Managing Partner und Leiter Mobility bei EY für die Region Europe West. „Die Probleme reichen von einer schwachen Nachfrage aufgrund der anhaltenden Konjunkturkrise über zu hohe Kosten bis hin zum teuren Nebeneinander von Verbrennern und Elektroautos.“
Insbesondere die Investitionen in Elektromobilität hätten hohe Summen verschlungen, die gewünschten Markterfolge haben sich bisher nicht eingestellt. Hinzu komme der mehr und mehr wegbrechende chinesische Markt, mit weltweit 40 Prozent aller Neuzulassungen der mit Abstand größte Einzelmarkt. Die Exporte nach China sanken im vergangenen Jahr um 17 Prozent, nachdem sie im Vorjahr bereits um 18 Prozent zurückgegangen waren.
„Die Hersteller haben es gerade mit einer Vielzahl an Herausforderungen zu tun – und nur einige dieser Probleme können sie aus eigener Kraft lösen“, sagt Gall. Auf die Konjunktur, Zölle und regulatorische Vorgaben hätten sie kaum Einfluss. „Daher werden wir in diesem Jahr sehen, dass die Autokonzerne massiv an der Kostenschraube drehen werden, um ihre Widerstandsfähigkeit zu erhöhen. Das wird unweigerlich zu deutlichen Einschnitten bei der Beschäftigung führen. Der verhältnismäßig geringe Stellenabbau im vergangenen Jahr ist nur der Anfang eines schmerzhaften, aber unabwendbaren Schrumpfungsprozesses.“
Gall fügt hinzu: „Produktionsverlagerungen in größerem Ausmaß in die USA oder nach China sind angesichts der jüngsten geopolitischen Entwicklungen durchaus wahrscheinlich – und das würde den Stellenabbau hierzulande nochmals deutlich beschleunigen.“
Mehr Flexibilität und klarere Positionierung nötig
Gall empfiehlt den Unternehmen dringend eine Konzentration auf Kernkompetenzen und eine effizientere Produktion: „Zum Teil sind die Probleme durchaus hausgemacht. So haben wir in den vergangenen Jahren extrem teure Fehlinvestitionen und Fehlschläge etwa im Software-Bereich gesehen. Das hat die deutschen Hersteller teils deutlich zurückgeworfen. Zudem ändern sich die Marktbedingungen und Kundenwünsche heutzutage extrem schnell – und die etablierten Autokonzerne schaffen es noch nicht, die Produktzyklen daran anzupassen und zu verkürzen. Auch ein zu umfangreiches und ausdifferenziertes Modellportfolio mit einer Vielzahl von Derivaten kostet Geld und führt dazu, dass Skaleneffekte nicht realisiert werden können.“
Außerdem hätten zu große Verwaltungsapparate, zu viele Entscheidungsebenen und sehr hohe Kosten in den indirekten Bereichen zu den aktuellen Problemen beigetragen, sagt Gall. In den Unternehmen wurden die Probleme aber inzwischen klar erkannt, so dass durchaus Hoffnung bestehe, dass die Autohersteller mittelfristig zumindest wieder höhere Margen einfahren könnten.
Mit Kostensenkungsmaßnahen allein sei es allerdings nicht getan. Denn gleichzeitig müssen die Unternehmen dringend an ihrer Innovationskraft und -geschwindigkeit arbeiten und dabei verstärkt auch Partnerschaften setzen, gerade im Bereich Software und Digitalisierung. Dabei müsse es auch um eine klarere Positionierung der Produkte und des Markenkerns gehen.
Strafzölle als zusätzliche Herausforderung: USA sind wichtigster Exportmarkt
Die aktuellen geopolitischen Unsicherheiten und die Gefahr eines Handelskrieges bergen zusätzliche Risiken gerade für die deutsche Autoindustrie. Denn: Fast die Hälfte ihres Gesamtumsatzes (49 Prozent) erwirtschaften die deutschen Unternehmen mit Kunden außerhalb der Eurozone.
„Ein Handelskrieg mit massiven Staatsinterventionen ist das letzte, was die Autoindustrie jetzt gebrauchen kann“, sagt Gall. „Die Branche ist in einem hohen Maß international verflochten. Strafzölle würden die bisherige internationale Arbeitsteilung infrage stellen und die Produkte für die Endkunden signifikant verteuern.“ Zudem könnte sogar der Zugang zu ganzen Schlüsselmärkten verwehrt werden – was wiederum eine äußerst kostspielige Verlagerung ganzer Wertschöpfungsketten erfordern würde. „Dann bleibt allerdings kein Geld mehr für Innovationen übrig. In einem solchen Szenario profitiert letztlich niemand.“
Als problematisch für die deutsche Autoindustrie könnte sich vor allem die große Bedeutung des Absatzmarktes USA erweisen: Denn 13 Prozent der Exporte der deutschen Autoindustrie gingen im vergangenen Jahr in die USA – Tendenz zuletzt steigend. Mit einem Exportvolumen von 34,7 Milliarden Euro waren die Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr der mit großem Abstand wichtigste ausländische Absatzmarkt für die deutsche Autoindustrie. Und während China, der nurmehr zweitwichtigste Markt, massive Einbußen verzeichnete, stiegen die Ausfuhren in die USA sogar um knapp zwei Prozent.
Zulieferer drohen unter die Räder zu geraten
In Deutschland stehen bei den Zulieferern aktuell 267 Tausend Arbeitsplätze auf dem Spiel. Zum Vergleich: Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren noch 310 Tausend Personen bei Zulieferern in Deutschland beschäftigt – seitdem wurden also gut 43.000 Stellen abgebaut.
Angesichts der zuletzt sehr schwachen Entwicklung der Zulieferer und des weiter steigenden Kostendrucks rechnet Gall mit einer Konsolidierungswelle unter den Zulieferern und einem weiteren kräftigen Stellenabbau: „Für viele Zulieferer wird die Luft immer dünner, gerade der stockende Hochlauf der Elektromobilität belastet die Marge erheblich. Notwendige Investitionen müssen dennoch finanziert werden – auf eigenes Risiko. Es fehlt allerdings die notwendige Klarheit in Bezug auf die zukünftige Regulierung in Europa.“
Es müsse nun schnellstmöglich die Frage beantwortet werden, ob der Verbrenner in Europa noch eine Zukunft habe, fordert Gall. „Eine schwache Nachfrage, steigender Kostendruck, hohe Investitionen bei völlig unklaren zukünftigen Rahmenbedingungen: Keine Branche kann unter solchen Vorzeichen erfolgreich sein.“
Technologieklarheit wäre hilfreich
So unklar allerdings, so zumindest die Meinung innerhalb unserer Redaktion, ist die Lage eigentlich nicht: Laut EU-Verordnung, verabschiedet vor bereits gut zwei Jahren, dürfen ab 2035 in Europa keine fossil betriebenen Verbrenner-Neuwagen mehr verkauft werden. Die Zeichen Richtung rein batterieelektrischer Antrieb sollten eigentlich klar genug erkennbar sein – zumal den als Hintertürchen in der EU-Verordnung verankerten E-Fuels schon allein aus Effizienz- und Kostengründen keine große Chance für einen breiten Einsatz in der Masse eingeräumt wird.
Wichtig wäre eher, die Querschläger konservativer Politiker und Bewahrer entschiedener abzuwehren, und den immer wieder geäußerten Forderungen nach Technologieoffenheit ein eindeutigeres Zeichen für Technologieklarheit entgegenzusetzen. Alles andere wäre für die deutsche und auch europäische Autoindustrie nur ein weiterer Bärendienst.
Quelle: EY – Pressemitteilung vom 06.03.2025
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