Zusammenspiel der Eigenmarken: Hat Spar die schlauere Strategie als Edeka?
Während Edeka mit großem Marketing-Tamtam die Aufwertung seiner Mittelmarke „Herzstücke“ stützt, meldet der österreichische Marktführer Spar starkes Wachstum für Preiseinstieg, Premium und Bio – und will diese Entwicklung zulasten der Mitte forcieren. Wer liest die Gewohnheiten der Kund:innen besser? Der Beitrag Zusammenspiel der Eigenmarken: Hat Spar die schlauere Strategie als Edeka? erschien zuerst auf Supermarktblog.

Um es eines Tages in die Top 10 der größten europäischen Lebensmitteleinzelhändler zu schaffen, fehlen der österreichischen Spar-Gruppe noch einige Umsatz-Milliärdchen. Aber jede Wette: Wenn zu Beginn jedes Frühjahrs in Salzburg die Vorjahresergebnisse präsentiert werden, schaut auch die deutlich größere Konkurrenz aus Köln und Hamburg ganz genau hin.
Bei der Rewe Group dürfte man sich mittlerweile damit abgefunden haben, die Marktführerschaft im Nachbarland (wo man als Rewe International mit Billa, Penny & Co. aktiv ist) an den Konkurrenten verloren zu haben: Seit dem Corona-Jahr 2020 gibt Spar die einfach nicht mehr her.
In Hamburg wird man derweil zwischen Erleichterung und Neugierde schwanken. Einerseits gibt es jede Menge Gemeinsamkeiten – Edeka und Spar sind beide die Nummer eins in ihren Heimatmärkten, beide legen großen Wert auf regionale Präsenz und lokale Anpassung, beide scheuen keine Konflikte mit internationalen Markenherstellern.
Weniger Komplexität, mehr Handel: GEBOS und die Cloud, die mitdenkt

Der Spagat zwischen zentraler Steuerung und lokalem Filialgeschäft stellt Händler vor große Herausforderungen. Mit den Lösungen EDA & EDGE unter der neuen Marke GEBOS hat GEBIT Solutions eine Betriebslösung entwickelt, die Prozesse automatisiert und dabei die Einführung von Linux im POS-Umfeld deutlich vereinfacht. EDEKA gehört zu den ersten, die auf diese innovative Lösung setzen.
Verschiedene Strukturen, ähnliche Zielgruppe
Gleichzeitig sind die Voraussetzungen der Gruppen sehr verschieden:
- Spar ist außer in Österreich noch in anderen europäischen Märkten (Italien, Ungarn, Slowenien und Kroatien) aktiv und muss sich deshalb z.B. mit der ungarischen Sondersteuer rumschlagen, die das Ergebnis belastet; Edeka konzentriert sich im stationären Geschäft auf den deutschen Markt mit (einigermaßen) verlässlichen Rahmenbedingungen.
- Anders als Edeka mit Netto (ohne Hund) verfügt Spar über keine eigene Lebensmittel-Discount-Kette – bekanntlich wurde das komplette Deutschland-Geschäft 2005 an den damaligen Wettbewerber abgegeben; dafür hat der in der Heimat weiter die Sportartikelläden von Hervis als Klotz am Bein, die das Ergebnis belasten.
- Spar agiert als Unternehmen, das zu 93 Prozent weiter im Besitz der Gründerfamilien ist, während Edeka als genossenschaftlicher Verbund organisiert auftritt – mit allen organisatorischen Komplikationen, die das mit sich bringt.
Allerdings sprechen die Handelsketten – allen Unterschieden zum Trotz – ein ähnliches Kernklientel an: Kund:innen, die einerseits preisbewusst einkaufen wollen, andererseits aber auch Wert auf eine größere Auswahl legen, als es der Discount/Diskont ihnen bieten kann.
Gerade deswegen ist bemerkenswert, wie unterschiedlich die Unternehmen strategisch agieren.
Budget, Bio, Premium wachsen stark
In der vorgegangenen Woche hat Hans K. Reisch, Enkel des Firmengründers und seit Ende 2023 Vorstandsvorsitzender der Spar AG, die Zahlen fürs vergangene Jahr vorgelegt und einen kurzen Ausblick in die Zukunft gewagt. Mit 36,9 Prozent Marktanteil hat Spar seine Position als Marktführer gefestigt. (Zum Vergleich: Edeka hat in Deutschland laut NielsenIQ Tradedimensions aktuell 25,8 Prozent Marktanteil, Rewe kommt auf 21,4.)
Die Absicht der gerade ins Amt gekommenen Koalition, die bislang strikten österreichischen Öffnungszeiten zu liberalisieren (u.a. für personalfrei betriebene Smart Stores), stoßen bei Spar auf Ablehnung: Das brauche man nicht. Man setze eher auf den Ausbau von Tankstellenshops.
Und dann ist da noch die deutliche Verschiebung zum Eigenmarkengeschäft, die wesentlich dazu beigetragen hat, dass Spar mehr verdient. Der Umsatzanteil der Eigenmarken bei Lebensmitteln ist auf 45 Prozent gestiegen – eine Verdoppelung innerhalb von 20 Jahren. Besonders stark sind die Preiseinstiegsmarke „S-Budget“ (+8,5 Prozent), die Bio-Linie „Spar Natur*pur“ (+ 8 Prozent), „Spar Premium“ (+11 Prozent) und „Spar Veggie“ (+13 Prozent) gewachsen.
Wie „kultig“ ist der Preiseinstieg?
„Diese Entwicklung entspricht dem Kaufverhalten unserer Kunden“, erklärt eine Spar-Sprecherin auf Supermarktblog-Anfrage.
„Viele Menschen achten derzeit auf den Preis, daher das Wachstum von S-BUDGET. Gleichzeitig liegen Veggie-Produkte im Trend, daher das Wachstum von SPAR Veggie. Und Bio ist in Österreich ein anhaltend gut nachgefragtes Thema. Daher das Wachstum von SPAR Natur*pur.“
S-Budget ist mit seinem Wachstum sogar erstmals zur umsatzstärksten Marke im Spar-Sortiment aufgestiegen. Die Entwicklung sei zwar teilweise inflationsbedingt, „aber eben nicht nur“.
„Das mittlere Segment ist das mit eher geringerem Wachstum. Das ist ganz generell so, egal ob Markenartikel oder Eigenmarken“,
bestätigt die Spar-Sprecherin und sagt damit indirekt: Die Mitte verliert an Bedeutung. (Auf welcher Basis, sagt Spar freilich nicht.)
In Salzburg betont man zudem, S-Budget nicht als „klassische ‚Billigsdorfer‘-Produkte“ verstanden wissen zu wollen: „Sie sind kultig und werden gut bewertet!“
Edeka will die Margen retten
Zur Wahrheit gehört auch, dass S-Budget in Pressemitteilungen zu Produktinnovationen in den zurückliegenden Jahren eher eine untergeordnete Rolle spielte. Aber Spar hat angedeutet, die Marke nicht nur über den Preis positionieren zu wollen, sondern bald auch vegane Produkte aus der Eigenproduktion darüber zu testen.
Auch der Platz in den Märkten soll den Kund:innengewohnheiten konsequent folgen: „Die Regalplätze sind abhängig von der Entwicklung der Produktsegmente“, erklärt die Spar-Sprecherin. Mit anderen Worten: Was wächst, bekommt mehr Platz – was stagniert, verliert Regalmeter.
Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil Edeka im deutschen Markt zuletzt die gegenteilige Richtung eingeschlagen hat.

Mit der neuen Marke „Herzstücke“, deren Einführung umfassend beworben wurde, setzt man in Hamburg klar auf eine Aufwertung seiner bisherigen Mittelmarke. Dafür wurden, wie an dieser Stelle bereits berichtet, auch zahlreiche Produkte zu „Herzstücken“ umdeklariert, die bislang unter „Gut & Günstig“ firmierten (u.a. Geflügelsalami, Halloumi, verschiedene Kuchen, Kesselchips und diverse Säfte).
Heute so, gestern anders
In der vorherigen Inflationsphase war man exakt den umgekehrten Weg gegangen und verschob Mittelmarkenprodukte in den Preiseinstieg, um den Claim „In jedem Edeka steckt ein Discounter“ zu untermauern. Die neue Herzstücke-Strategie ist nun ein gezielter Versuch, den eigenen Kaufleuten wieder höhere Margen zu ermöglichen als das im Preiseinstieg möglich schien.
Ob diese Taktik aufgeht, ist noch offen. Sie könnte sich genauso gut als Irrweg erweisen – wenn es Edeka nicht gelingen sollte, den Kund:innen zu erklären, warum sie sich wieder öfter für die Mitte entscheiden sollten, die vorrangig auf hübschere Verpackungsdesigns setzt. Und nicht stattdessen so wie die Kund:innen von Spar einkaufen: günstige Basisartikel, dazu Bio oder Premium mit klar kommunizierten Mehrwerten.
Genau diese Strategie hatte das Supermarktblog den deutschen Vollsortimentern bereits vor drei Jahren empfohlen: „Supermärkte, killt eure Mittelmarken!“ Das Gegenteil war der Fall.
Aber nach wie vor stellt sich die Frage: Welche Strategie ist langfristig gesehen erfolgreicher?
Einkaufsgewohnheiten ändern sich
Fakt ist, dass der Eigenmarkenanteil (nicht nur) im deutschen Lebensmitteleinzelhandel in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen hat. Diese Entwicklung ist laut Marktforscher:innen nicht nur ein inflationsbedingtes Phänomen, sondern spiegelt ein fundamentales Trading-up/Trading-down-Muster wider: Konsument:innen wechseln „stufenweise“ von Herstellermarken zu Premium-Handelsmarken und später zu Preiseinstiegs-Handelsmarken. Vor allem Jüngere schenken den Eigenmarken der Händler ähnlich großes Vertrauen wie denen etablierter Hersteller.
In Deutschland erreichten die Handelsmarken laut GfK Consumer Index zuletzt ein „historisches Allzeithoch“ von 45,5 Prozent Marktanteil (pdf) – ein Wert, der quasi identisch mit dem bei Spar ist, allerdings stark von den Discountern mit ihren traditionell viel höheren Eigenmarkenanteilen beeinflusst wird.
Umso bemerkenswerter, dass Spar als klassischer Vollsortimenter Werte erreicht, die hierzulande nur im Zusammenspiel mit Aldi, Lidl & Co. bekannt sind.
Vor diesem Hintergrund wirkt Edekas „Herzstücke“-Initiative mit der künstlichen Aufwertung von Preiseinstiegsprodukten wie ein verzweifelter Versuch, gegen den natürlichen Polarisierungstrend im Einkaufsverhalten der Kund:innen anzukämpfen.
Höhere Preise, selbstverständlicher Bio
Gleichzeitig unterscheiden sich der österreichische und der deutsche Markt trotz geografischer Nähe erheblich (siehe Supermarktblog): In Österreich zahlen Konsument:innen höhere Lebensmittelpreise, was den Erfolg von S-Budget begünstigt. S-Budget umfasst mit 1.000 Artikeln zwar deutlich weniger als Edekas Gut & Günstig (ca. 2.700), hat aber eine Art „Kultmarken“-Position erreicht.
Schwer zu beziffern ist, ob Spar durch die allgemein höheren Preise im Markt einen Vorteil bei den Margen für S-Budget-Produkte hat. Im nicht repräsentativen Schnellvergleich mit Gut & Günstig zeigt sich, dass einige S-Budget-Artikel z.T. signifikant höherpreisig positioniert sind (Emmentaler gerieben, Freiland-Eier, Multivitamin-Nektar), andere aber auf exakt demselben Preisniveau oder zumindest vergleichbar (Latte Macchiato, Schwammtücher).
Dazu kommt, dass der Bio-Anteil mit 11,5 Prozent in Österreich fast doppelt so hoch wie in Deutschland (je nach Quelle zwischen 5,2 und 6,3 Prozent), was Eigenmarken wie Spar Natur*Pur zusätzlichen Auftrieb gibt.

Spar-Kund:innen beklagen im Netz zudem, das Gefühl zu haben, die Eigenmarken-Produkte förmlich aufgedrängt zu kriegen, weil es in den Regalen zunehmend weniger Alternativen gebe. (Beleg für eine systematische Auslistung von Markenartikeln bei Spar sind mit allerdings keine bekannt.)
Mäßige Aussichten für die Mitte
Der Unterschied zwischen den Eigenmarkenstrategien von Spar und Edeka spiegelt womöglich auch einen kulturellen Wandel wider. „Wir verkaufen mehr Hummus als Liptauer“, bemerkte Spar-Chef Reisch jüngst in einem Interview. Spar nutzt seine Eigenmarken gezielt, um diesen kulturellen Wandel zu gestalten und darauf zu reagieren. Das zeigt sich besonders bei den Premium- und Spezialsortimenten:
- Spar Veggie hat sich in fünf Jahren umsatzmäßig verdoppelt (+24 Prozent in 2023)
- Exotische und internationale Produkte werden gezielt gefördert
- Vegane Alternativen zu klassischen Lebensmitteln werden kontinuierlich erweitert und in den eigenen TANN-Betrieben selbst hergestellt
Gerade hat Spar bekannt gegeben, mit Paul Ivić, einem „Pionier der vegetarisch-veganen Sterneküche“, vier vegane Gerichte für Spar Premium entwickelt zu haben: Kartoffelgulasch, Rotkrautsuppe, Kichererbsenragout und Kokosmilchreis – komplett in Bio-Qualität, vegan, hergestellt in Niederösterreich. Trendiger geht gar nicht.
Aber plant womöglich auch der österreichische Marktführer für 2025, die klassische Spar-Qualitätsmarke im mittleren Segment wieder stärker zu adressieren? Die Spar-Sprecherin erklärt auf Supermarktblog-Anfrage:
„Die großen Entwicklungen kommen aus unseren speziellen Eigenmarken-Linien. Die geben Antworten auf Trends und spezielle Ernährungsweisen und werden daher forciert.“
Markttrend – oder gegen den Strom?
Welcher Ansatz wird sich durchsetzen?