Adolescence: was hilft (nicht)

Ich mache mal was seltsames. Ich möchte gerne was über die Serie „Adolescence“ schreiben, obwohl ich sie (noch) nicht gesehen habe. „Adolescence“ ist eine Mini-Serie auf Netflix. Im Zentrum der Serie steht der 13-jährige Jamie Miller, der seine Mitschülerin Katie Leonard ermordet, weil er sich von ihr zurückgesetzt fühlt. Maßgeblich beeinflusst war sein Handeln von … „Adolescence: was hilft (nicht)“ weiterlesen Der Beitrag Adolescence: was hilft (nicht) erschien zuerst auf Das Nuf Advanced.

Mär 28, 2025 - 10:44
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Adolescence: was hilft (nicht)
Screenshot The Times (Der Autor sagt, dass es schnell gehen muss und dass mit den Rollenmodellen ja 20 jahre dauert)

Ich mache mal was seltsames. Ich möchte gerne was über die Serie „Adolescence“ schreiben, obwohl ich sie (noch) nicht gesehen habe.

„Adolescence“ ist eine Mini-Serie auf Netflix. Im Zentrum der Serie steht der 13-jährige Jamie Miller, der seine Mitschülerin Katie Leonard ermordet, weil er sich von ihr zurückgesetzt fühlt. Maßgeblich beeinflusst war sein Handeln von Incel-Ideologien*, die er über das Netz vermittelt bekommt.

Viele in meiner Instagram-Timeline haben die Serie geschaut und schließen daraus: um zu verhindern, dass die Söhne in so ein Milieu abgleiten, muss man Social Media so gut es geht einschränken und am besten verbieten.

Ich hab ja ein ganzes Buch geschrieben, warum ich glaube, dass das rein gar nichts bringt. Kinder und Jugendliche werden ihre Wege finden, Verbote zu umgehen. Sie leben ja nicht nur in unseren eigenen vier Wänden unter unseren Augen (und selbst da: als ob sie nicht die Skills besitzen, irgendwelche Sperren von Apps und Routern zu umgehen…).
Verbote machen vieles umso attraktiver und ganz sicher gibt es Orte und Freude im direkten Umfeld, wo sie sich die verbotenen Inhalte eben doch reinziehen können.
Wenn sie dann verstört sind und das Gesehene nicht einordnen können, sind sie auf sich alleine gestellt. Wo sollen sie hin? Zu den Eltern, die das ohnehin verboten haben? Eher nicht.

Was aber hilft gegen die toxischen Männlichkeitsbilder, die Jungs über Social Media u.a. durch bekannte (sehr, sehr reichweitenstarke) Youtube-Kanäle mitbekommen?

Positive männliche Vorbilder, sagt der andere Teil meiner Timeline.

Ist ja auch naheliegend. Jungs, die Väter und andere Männer in ihrem Umfeld haben, die ihnen zeigen, dass es auch fürsorgliche Männer gibt, dass es Männer gibt, die mit ihren Gefühlen umgehen können, die sie begleiten, sich für sie interessieren, für sie da sind, ihnen Halt und Orientierung geben, die kommen vielleicht gar nicht erst auf die Idee, ihren Selbstwert aufzupolieren, indem sie Mädchen und Frauen abwerten.

Sie lernen vielleicht, dass es normal ist, die ganze Palette an Gefühlen zu haben und sie lernen vielleicht, wie man negative Gefühle verarbeitet, ohne sie nach außen – gegen andere zu richten. Sie lernen vielleicht, dass sie ihre Männlichkeit nicht verlieren, wenn sie sich um andere kümmern, wenn sie Grenzen anderer akzeptieren und das Konzept von „Consent“ lernen und achten.

Nur… was ist dann mit den Söhnen Alleinerziehender? Können die keine gesunden Männlichkeitsbilder lernen? Und: Ist das nicht eins der allergrundlegendsten Probleme – dass wir denken, dass Jungs nur von Männern lernen können?

Für mich läuft die Debatte hier seltsam schief. Warum können Kinder nicht von x-beliebigen Bezugspersonen lernen, wie man ein guter Mensch wird?

In unseren Köpfen (ich schließe meinen Kopf mit ein) sind wir stark davon geprägt, dass Männlichkeit und Weiblichkeit zwei völlig unterschiedliche Dinge sind. Zwei disjunkte Mengen fast. Etwas, das sich bestenfalls ergänzt, aber auf jeden Fall zwei unterschiedliche Welten.
Väter übernehmen heutzutage Carearbeit, na klar! Sie sind da für ihre Kinder. Aber noch ziemlich oft in Abgrenzung zu gängigen Konzepten von Mütterlichkeit. Papa sein, ja. Aber halt cool. Nicht so wie die Muttis und die ganzen überbesorgten Bio-Trullas.
Ja, sorry, ich übertreibe jetzt sehr. Aber die Tendenz ist da. Männlichkeit muss sich offenbar immer abgrenzen von Weiblichkeit. D.h. aber gleichzeitig, dass wenn bislang Weiblichkeit von Fürsorge, Gefühlen, Wärme und Weichheit geprägt war, dann ist es schwer diese Eigenschaften männlich zu besetzen. Also wählt man komische Konstrukte wie den Fun-Dad, der zwar Dinge mit seinen Kindern unternimmt, aber halt locker, flockig alles improvisiert und nur die lustigen Sachen macht und sich weiterhin aus den anstrengenden Carearbeiten fernhält.
Ich drifte ab.
Jedenfalls nochmal: Warum sollen Jungs nicht auch von ihren Müttern und anderen Frauen lernen können, was es bedeutet, ein guter Mensch zu sein, der seine Mitmenschen nicht abwertet und ihnen nicht schadet. Vielleicht kann mir das eine*r erklären.

Ich glaube ja wirklich, der Hund liegt in unseren binären Konzepten von Männlichkeit und Weiblichkeit begraben.

Und aus meiner Sicht halten wir die Jungs von Incels nicht weg, indem wir ihnen den Internetzugang einschränken. Was wir eher brauchen ist ein Interesse an ihrem Leben. Was machen sie, was bewegt sie, was interessiert sie, welche Fragen haben sie, was frustriert sie.
Und dass wir dann gute Vorbilder sind. Männer wie Frauen. Dass wir ihnen aber auch zeigen, dass es keine Eigenschaften und Fähigkeiten gibt, die an unser Geschlecht gekoppelt sind. Damit sie lernen, dass auch Jungs warme und nahe Freundschaften mit anderen Jungs haben. Damit sie lernen, dass sie keine Partnerin brauchen, die ihren Gefühlshaushalt reguliert. Damit sie lernen, dass man Dinge, die wichtig sind, LERNEN kann.

Jungs aus dem Internet fernzuhalten wird nicht viel bringen. Frauenverachtung und -hass gibt es nicht erst seit 2005**. Wenn wir wollen, dass Jungs und Männer Mädchen und Frauen achten, dann müssen wir an ganz anderer Stelle ansetzen. Wir müssen unsere Rollenbilder hinterfragen und entsprechend im Alltag handeln.


*Verkürzt gesagt ist Incel ist ein Kofferwort aus „involuntary“ (unfreiwillig) und „celibate“ (zölibatär/sexuell enthaltsam) und eine Selbstbezeichnung einer Internet-Subkultur heterosexueller Männern in den USA, die nach Eigenaussage unfreiwillig keine romantische Beziehung haben. Schuld daran sind natürlich die Frauen, denn Incels gehen davon aus, dass sie ein Recht auf Sex haben und ihnen dieser verwehrt wird. Die Bewegung ist geprägt von Frauenfeindlichkeit, denn aus dem Frust wird irgendwann Hass gegen Frauen.

**Gründungsjahr YouTube

P.S. auch seltsam, dass wir lieber unseren Kindern Dinge verbieten als uns dafür einzusetzen, dass Andrew Tate & Co ihren Hass nicht weiterverbreiten dürfen.

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