Zwischen Kürzung und Hoffnung: NASA unter Druck: Wie Trump die Wissenschaft ausbremst
Der ehemalige Chefwissenschaftler der NASA spricht über die enormen Budgetkürzungen, die Probleme der Weltraumbehörde und die Freiheit der Forschung in den USA

Der ehemalige Chefwissenschaftler der NASA spricht über die enormen Budgetkürzungen, die Probleme der Weltraumbehörde und die Freiheit der Forschung in den USA
Erst seit drei Monaten fegt der Tornado Trump durch die USA, doch schon ist fraglich, wie viel von den Vereinigten Staaten, wie wir sie kennen, übrig bleiben wird. Ein Ziel seiner wiederholten Attacken: die Wissenschaft.
Im Blickpunkt steht unter anderem die NASA. Deren Gesamtbudget will die Administration um 20 Prozent kürzen, das Forschungsbudget sogar um 50 Prozent. In einem Akt des vorauseilenden Gehorsams schloss die Weltraumorganisation drei Büros, strich den Posten des Chefwissenschaftlers und entließ 23 Mitarbeitende – ein Vorgeschmack auf weitere harte Einschnitte.
Genügend Gründe nachzufragen, wie es der NASA geht. Ich telefoniere mit James L. Green. Der mittlerweile pensionierte Physiker war von 2018 bis 2021 Chefwissenschaftler der NASA, hatte also just den Posten inne, der nun abgeschafft wurde. Im November hatte ich schon einmal mit ihm gesprochen. Damals äußerte er sich optimistisch zu Trump, lobte dessen erste Amtszeit, sah für die Raumfahrtagentur keinen Grund zur Sorge. Nun bin ich gespannt, wie sich seine Einschätzungen in den vergangenen Wochen verändert haben.
© Jim Lo Scalzo
GEO: Herr Green, im März hat die NASA drei Büros geschlossen, darunter das des Chefwissenschaftlers. Was war Ihre Aufgabe auf diesem Posten?
James L. Green: Ich unterstand direkt dem Administrator der NASA, also der obersten Führungsebene der Weltraumbehörde. Damit hatte ich eine Ausnahmestellung gegenüber anderen Wissenschaftler*innen der NASA, deren Aufgabe es ist, ihre jeweiligen Missionen zum Erfolg zu führen. Ich habe als unabhängige Stimme fungiert, die kritisch von außen auf das System blickt. Die NASA vereint viele Disziplinen, darunter die Geowissenschaften, die Sonnenphysik, die Astrophysik und die Planetenwissenschaften. Ich habe den Administrator beraten, auf welche wissenschaftlichen Fragestellungen sich die NASA konzentrieren sollte, und ich habe Vorschläge gemacht, wie sich die Behörde dazu umstrukturieren lässt.
Nun hat die NASA diese unabhängige Beratung aufgelöst. Wie denken Sie darüber?
Man muss wissen: Dieses Büro gab es nicht immer. Jeder Administrator entscheidet für sich, ob er eine solche Beratung will. Zurzeit wird die NASA interimsmäßig von Janet Petro geleitet, bis der Senat Präsident Trumps Kandidaten Jared Isaacman offiziell wählt.
Janet Petro steht unter Druck, die Agentur zu verkleinern und auf den neuen Administrator vorzubereiten. Die NASA arbeitet wahrscheinlich gerade an einem Plan zur Reduktion der Belegschaft, und die Schließung der Büros war ein erstes Signal in diese Richtung. So, wie ich es wahrnehme, ist Isaacman aber ein großer Verfechter der Wissenschaft. Wenn er ins Amt kommt, könnte er das Büro neu schaffen, wenn auch vielleicht unter anderem Namen.
Was mich enttäuscht ist, wie die Auflösung ablief. Man hätte die Mitarbeitenden in andere Bereiche versetzen können. Stattdessen wurden sie entlassen. Das sind Top-Leute, die wir in der NASA verlieren.
Sie klingen erstaunlich unbekümmert, obwohl der NASA schwere Zeiten bevorstehen.
Viele Wissenschaftler*innen sind sehr besorgt. Aber schon zu früheren Zeiten wurden in großem Stil Mitarbeitende entlassen. Ich war selbst an einer Reorganisation beteiligt. Die NASA hat stets überlebt. Sie ist Veränderungen gewöhnt. Wenn man in diesem Umfeld erfolgreich sein will, darf man den Wandel nicht persönlich nehmen, sondern muss ihn vorantreiben. Dann kann man es in dieser Organisation weit bringen. Ist der Stellenabbau eine gute Sache? Vielleicht, wenn er richtig gemacht wird.
Was würden Sie an der NASA ändern?
Wichtig ist, die richtigen Fragen zu stellen. Die NASA hat zehn Zentren. Sind wirklich so viele nötig, oder haben manche ihren Zweck überlebt? Welche Bereiche überschneiden sich, welche Prozesse lassen sich verschlanken? Große Institutionen neigen zu einer schleichenden Bürokratisierung, dagegen ist auch die NASA nicht immun.
Isaacman wird vermutlich wollen, dass die NASA größere Risiken eingeht. Aber zugleich müssen wir sicherstellen, dass niemand zu Schaden kommt. Die Astronauten und Astronautinnen riskieren ihr Leben, wir sind für sie verantwortlich. Ich hoffe und erwarte, dass die NASA neue Technologien wie Künstliche Intelligenz und Robotik nutzen wird, um einerseits Analysen und Verfahren zu verschlanken und andererseits die Risiken gering zu halten.
Die Trump-Administration hat die Abteilung für Regierungseffizienz DOGE geschaffen, an deren Spitze Elon Musk steht. Sie propagiert das Dogma: Je weniger Mitarbeitende, desto effizienter die Prozesse. Sie haben mit der NASA eine große Organisation reorganisiert. Ist die Gleichung wirklich so simpel?
Ich sehe eher die fehlende Modernisierung in vielen Behörden als Problem an. Die Regierung sammelt enorm viele Daten. Sie könnte viel mehr daraus machen, wenn sie die heutigen technischen Möglichkeiten nutzen würde.
Bei unserem letzten Gespräch sagten Sie, Sie hätten keine Angst vor Budgetkürzungen. Die NASA generiere mehr Geld als sie koste, sie sei ein wirtschaftlicher Motor; Trump werde das verstehen, denn er sei ein Geschäftsmann. Nun plant die Administration doch drastische Budgetkürzungen. Ist Trump doch nicht der rationale Geschäftsmann, für den Sie ihn hielten?
Ich kann nicht in seinen Kopf schauen. Entscheidend bleibt für mich, dass die NASA enorme Unterstützung sowohl auf der republikanischen als auch auf der demokratischen Seite hat, im Repräsentantenhaus wie im Senat. Die NASA hat enorme wirtschaftliche Power. Sie erschafft neue Produkte, die unsere Industrie stärken. Für mich ergäbe es keinen Sinn, ihr Budget derart stark zu kürzen, dass sie diese Fähigkeiten verlieren könnte. Ich kann mir weiterhin nicht vorstellen, dass Präsident Trump als Geschäftsmann das tun wird.
© Alamy Stock Photos / White House Photo
Und falls Trump das nicht versteht? Oder es ihm schlicht egal ist?
Meine Meinung ist: Wir als Spezies können ohne den Weltraum nicht überleben. Wenn unser Land seine einzige Raumfahrtorganisation radikal verkleinert, verkrüppelt oder eliminiert, wird es seine Zukunft verlieren. So einfach ist das. Präsident Trump sollte das verstehen.
Sehen Sie die Ziele der NASA in Gefahr?
Ich erwarte, dass die NASA wie geplant Menschen zum Mond fliegen wird. Präsident Trump hat das Artemisprogramm in seiner ersten Amtszeit gestartet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es nun wieder beendet. Zwar will Musk lieber zum Mars. Aber ich hoffe, dass die Administration beim ursprünglichen Plan bleibt, wir also zuerst zum Mond fliegen.
Was ist mit den anderen Forschungsfeldern, vor allem der Klimaforschung und der Erdbeobachtung? Droht ihnen der Stopp?
Ich bin tatsächlich besorgt. Allerdings ging Präsident Trump in seiner ersten Amtszeit nicht gegen die Geowissenschaft und die Klimaforschung innerhalb der NASA vor. Ich hoffe, er versteht, dass es bei dieser Forschung um wichtiges Monitoring geht. Etwa um die Beobachtung von Schadstoffen. Oder darum, zu Beginn der Anbausaison das Wachstum der Pflanzen zu beobachten, um mit fünf Monaten Vorsprung eine Prognose über die Ernte, über Import und Export abzugeben. Das ist wirtschaftlich ein enormer Vorteil, für die Vereinigten Staaten, aber auch für die ganze Welt. Aber es stimmt, er ist kein großer Verfechter des Klimaschutzes.
Sie beschönigen.
Amerika weiß nicht, wo das alles hinführen wird. Der Staub, den die Administration aufwirbelt, hat sich noch nicht gelegt. Dennoch schlagen sich die Menschen jetzt schon auf eine Seite, für oder gegen die Regierung. Wir sollten abwarten, wie sich die Lage entwickelt.
Aber Sie sehen, dass die Wissenschaft generell in den USA attackiert wird?
Ja, das sehe ich. Wir Wissenschaftler*innen müssen besser aufklären, was Wissenschaft ist und was nicht. Wissenschaft ist keine Religion, an die man glaubt. Was die Wissenschaft vertritt, sind Theorien, die wir kontinuierlich verbessern, über den Haufen werfen, neu denken. Das ist ein sehr schwer zu vermittelndes Konzept. Viele Menschen in der breiten Öffentlichkeit haben zurzeit kein Vertrauen in die Wissenschaft.
Dabei ist sie der einzige Weg, wie wir uns aus unseren Problemen herausarbeiten können.
Warum greift die Administration die Wissenschaften so massiv an?
Vieles ist in Bewegung. In der Administration kommen Menschen mit verschiedenen Hintergründen zusammen. Darunter sind einige, die einen Auffrischungskurs dazu gebrauchen könnten, was wir in der Wissenschaft genau tun.
Aber die Wissenschaft gerät in Misskredit, wenn wir sie überverkaufen, wenn Behauptungen übertrieben werden, die nicht auf soliden Fakten beruhen. Die Menschen wollen, dass Dinge schwarz oder weiß sind. Aber Wissenschaft ist nicht schwarz-weiß. Und wir sollten auch nicht so tun, als ob wir diesen Wunsch nach Klarheit erfüllen könnten.
Das Fantastische an der Wissenschaft ist, dass sie sich selbst korrigieren kann, wenn sie auf Irrwege gerät. Ist das viel größere Problem zurzeit nicht, dass die Politik versucht, die Wissenschaft zu beeinflussen?
Das ist ein guter Punkt. Aber die Wissenschaft wird zu einem Großteil von der Öffentlichkeit finanziert. Daher schulden wir es der Öffentlichkeit, zu erklären, was wir tun. Wenn die Administration sagt: "Diese Forschung ist nicht das, was die Öffentlichkeit will", dann wird die Projektfinanzierung gestrichen. Das ist unter jeder Administration geschehen.
Hat das, was gerade passiert, nicht ein beispielloses Ausmaß?
Nun, ich kann mich erinnern, wie die Obama-Administration das Budget für Planetenforschung, für die Grundlagenforschung, die ich bei der NASA geleitet habe, gekürzt und die Mittel für die Erdwissenschaften aufgestockt hat, weil sie diese für wichtiger hielt. Habe ich mich beschwert? Nein.
© Nasa
Aber es geht nicht bloß um eine Umwidmung von Geldern. Ganze Forschungsbereiche sind bedroht.
Ja, eine massive Kürzung der wissenschaftlichen Mittel der NASA wäre eine Katastrophe. Aber es ist das Vorrecht der Administration. Vieles verändert sich gerade, und vieles davon zum Guten. Aber meiner Meinung nach geht nicht alles in die richtige Richtung.
Renommierte Forschende überlegen, das Land zu verlassen – oder haben es bereits getan. Ist das kein Warnsignal?
Wenn sie das Land verlassen wollen, dann soll es so sein. Ich habe vor, in den USA, meiner Heimat, zu bleiben.
Mittlerweile sind die akademische Freiheit und institutionelle Unabhängigkeit der Universitäten in Gefahr. Sollten Wissenschaftler*innen stärker für die Freiheit der Forschung kämpfen?
Leider muss ich jetzt in ein Meeting, aber Sie haben ein interessantes Thema angesprochen. Lassen Sich mich nur noch so viel sagen: Ja, Universitäten sind ein integraler Bestandteil unserer wissenschaftlichen Landschaft. Wir wollen, dass sie Forschungsfreiheit besitzen.
Sehen Sie nicht die Gefahr, dass Trump zurzeit irreparable Schäden verursacht?
Wir haben jetzt einen Präsidenten, der das Land regiert, und, Junge, er nimmt enorme Veränderungen auf einmal vor! (lacht) Ich habe keine Kristallkugel. Ich weiß nicht, was passieren wird.
Eines der wirklich großartigen Dinge an den Vereinigten Staaten ist, dass wir den Präsidenten alle vier Jahre neu wählen. Dann werden wir die Gelegenheit haben, für einen anderen Präsidenten zu stimmen, denn ich glaube nicht, dass Präsident Trump für eine dritte Amtszeit zurückkehren kann. Das wird der Zeitpunkt sein, an dem die Menschen in den USA entscheiden werden, ob das, was heute geschieht, der richtige Weg ist oder nicht.