Wir sind die Eingeborenen in Lendenschurz mit Pfeil und Bogen beim Handelskrieg gegen die USA
Der Handelskrieg, den US-Präsident Trump gegen den Rest der Welt führt, geht in die nächste Runde. Ab März wollen die USA auf sämtliche Stahl- und Aluminiumimporte pauschal 25 Prozent Zölle erheben. Betroffen davon sind vor allem Kanada und Mexiko. Die EU kündigt derweil großspurig harte Gegenmaßnahmen an, die bei näherer Betrachtung aber eher Maßnähmchen sind,Weiterlesen
Der Handelskrieg, den US-Präsident Trump gegen den Rest der Welt führt, geht in die nächste Runde. Ab März wollen die USA auf sämtliche Stahl- und Aluminiumimporte pauschal 25 Prozent Zölle erheben. Betroffen davon sind vor allem Kanada und Mexiko. Die EU kündigt derweil großspurig harte Gegenmaßnahmen an, die bei näherer Betrachtung aber eher Maßnähmchen sind, mit denen Brüssel dann auch schon sein Pulver verschossen hat. Strategisch steht man nun in einer Sackgasse mit dem Rücken zur Wand. Trump ist gewillt, die Zollpolitik als politisches Druckmittel einzusetzen, wird dies auch künftig tun und hat noch einige Trümpfe in der Hinterhand. Solche hat die EU nicht, da sie sich in den letzten Jahrzehnten ohne Not von den USA abhängig gemacht hat. Von Jens Berger.
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Mit Handelskriegen ist das in einer globalisierten Welt eine recht komplexe Sache. Wussten Sie, wer der größte Autoexporteur der USA ist? Es ist das bayerische Unternehmen BMW, das den Großteil seiner SUVs der X-Reihe in Spartanburg/South Carolina herstellt und sie von dort aus in 120 Länder, darunter auch Deutschland, verschifft. Würde die EU also Strafzölle auf aus den USA importierte Autos erheben, wäre davon an erster Stelle BMW betroffen.
Oder wussten Sie, dass das wohl bekannteste „US-Produkt“, die iPhones der Marke Apple, in der EU-Außenhandelsstatistik gar nicht als US-Importe, sondern als Importe aus China gelten? Maßgeblich für die Handelsstatistik ist nämlich der Ort der letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung. Und das ist bei allen Apple-Produkten nun einmal China. Wollte die EU also den größten Technologiekonzern der Welt mit Sitz im kalifornischen Cupertino über Zölle zur Kasse bitten, müsste sie schon Strafzölle auf chinesische Importe verhängen.
Noch komplexer sieht es bei Dienstleistungen aus. Die amerikanischen Big-Tech-Giganten wie Alphabet, Amazon, Meta, Microsoft sowie die Softwaresparte von Apple erzielen zwar auch in der EU Umsätze in dreistelliger Milliardenhöhe. Da sie jedoch nicht im klassischen Sinne Güter von A nach B liefern, sind sie auch über Zölle nicht zu erreichen. Hinzu kommt, dass das EU-Geschäft dieser Konzerne ohnehin von Tochterfirmen aus der EU, die meist in Irland sitzen, betrieben wird, weshalb sie in EU-Außenhandelsstatistiken ohnehin nicht auftauchen. Gleiches gilt übrigens für US-Finanzkonzerne wie BlackRock oder Vanguard. Zölle sind hier machtlos.
Klassische Handelskriege sind darauf ausgerichtet, über Zölle und andere Handelshemmnisse den klassischen Handel mit physischen Gütern zu erschweren. Volkswirtschaften, die reale Güter produzieren und in andere Volkswirtschaften verkaufen, sind hier verwundbar. Deutschland und China gehören dazu; die USA jedoch in einem viel geringeren Maße. Das weiß Donald Trump. Ob dies in Deutschland und der EU wirklich verstanden wurde, ist jedoch fraglich.
Wenn man sich die wie üblich gut informierten Presseberichte aus dem Umfeld der Europapolitik anschaut, will die EU als Reaktion auf die US-Zölle auf Stahl und Aluminium nun ihrerseits Strafzölle in Höhe von 50 Prozent auf Motorräder, Bourbon Whiskey und Motorboote aus den USA erheben. Das ist vor allem symbolisch und zudem hochpolitisch, zielt man damit doch direkt auf US-Staaten, in denen Trump bei den Wahlen besonders stark abgeschnitten hat, wie es das Handelsblatt formuliert. Man könnte es auch als Verzweiflungstat bezeichnen. Gegen Google, Apple, Microsoft und Co. sind Harley Davidson und Jim Beam nicht nur ökonomisch Zwerge. Aber sie sind nun einmal die einzigen US-Unternehmen, die von der EU mit klassischen Zöllen überhaupt erreichbar sind, will man es nicht auf einen ernsthaften Konflikt mit den USA ankommen lassen, bei dem man sich selbst massiv schadet.
Betrachten wir diesen Handelskonflikt doch einmal spieltheoretisch. Sind Zölle auf Stahl und Aluminium für die EU existenziell bedrohlich? Keineswegs. Die USA importieren Aluminium in großem Maßstab nur aus Kanada. Stahl kommt vor allem aus den Nachbarländern Kanada und Mexiko, und auch Brasilien und Südkorea gehören noch zu den größeren Lieferanten. Die Menge an Stahl, die Deutschland und die Niederlande in die USA exportieren, ist indes überschaubar. So gesehen ist die Reaktion, im Gegenzug die ebenfalls eher unwichtigen Handelsströme für Motorräder und Whiskey mit Zöllen zu verteuern, eigentlich angemessen. Würde der Handelskrieg hier, wie bereits 2018, enden, wäre das alles recht unproblematisch.
Dies setzt jedoch voraus, dass es Donald Trump tatsächlich „nur“ um Zölle geht. Doch genau das ist offenbar nicht der Fall. Trump scheint vielmehr die Handelspolitik als Waffe einzusetzen, um anderen Ländern seinen Willen aufzuzwingen. So war es im Fall Kolumbien, als er den südamerikanischen Staat durch Zollandrohungen zwang, abgeschobene Migranten aufzunehmen. Auch die gegen Mexiko und Kanada verhängten und jetzt erst einmal ausgesetzten Zölle wurden von Trump zunächst verkündet, um die Nachbarländer bei der Überwachung der Grenze, der Migrationskontrolle und dem Kampf gegen Drogenschmuggel in die Pflicht zu nehmen.
Man braucht sicher nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, welche Konflikte Trump mit der EU über den Hebel der Zollpolitik künftig zu seinen Gunsten entscheiden will. Die Europäer sollen aufrüsten und sich dabei Waffen aus den USA kaufen. Sie sollen amerikanisches LNG kaufen und damit den Preis für US-Gas hochhalten, um die ökonomisch extrem fragile Fracking-Förderung in den USA zu sichern. Andere Konflikte, die das Herz der US-Wirtschaft, die Tech-Industrie, tangieren, sind noch gar nicht offen ausgebrochen – es geht hier um Datenschutz und KI-Regelungen. Auf all diesen Feldern dürfte Trump gewillt sein, Zölle als Daumenschraube gegen die EU einzusetzen.
Diese Strategie ist ebenso offensichtlich wie erfolgversprechend. Denn was soll die EU kurzfristig machen? Wir haben die Gasimporte aus Russland gestoppt, und selbst wenn dies politisch wieder opportun erscheinen sollte, lassen sie sich in vollem Umfang ohne die Pipelines nicht so bald wieder aufnehmen. Wir haben uns übereilt von US-Technologien abhängig gemacht. Im Bereich der KI spielt Europa auch kaum eine Rolle. Und die Frage der Rüstungspolitik scheint ohnehin nicht mehr in den europäischen Hauptstädten, sondern in Washington verhandelt und entschieden zu werden.
Selbst wenn die EU wollte – welche Waffen stünden ihr im klassischen Handelskrieg gegen die USA überhaupt zur Verfügung? Europa ist abhängig von den USA und nicht umgekehrt. Was der EU bleiben, sind ökonomisch völlig belanglose, symbolische Zölle auf US-Agrargüter. Damit könnte man ein abhängiges Entwicklungsland in die Knie zwingen, aber nicht die USA. Die haben hingegen ein ganzes Arsenal an möglichen Waffen für einen Handelskrieg, und das geht weit über Zölle auf deutsche Automobile hinaus. Die Macht der Technologiekonzerne und des Finanzsektors gleicht ökonomischen Massenvernichtungswaffen, und Europa hat dem nichts entgegenzusetzen. Wenn Trump also eine harte Linie fährt, hat er die EU in der Hand; daran werden Zölle auf Bourbon Whiskey nichts ändern. Die USA haben Kanonenboote, wir sind die Eingeborenen in Lendenschurz mit Pfeil und Bogen.
Wäre die EU ein rationaler Spieler und würde ihre eigenen Interessen erst einmal erkennen und dann auch verfolgen, könnte dies ein Weckruf sein. Europa muss sich unabhängig von den USA machen. Das gilt für Fragen der Energieversorgung und mehr noch für moderne Technologien und für das Finanzsystem. Der einzige Weg, sich aus dem ungleichen ökonomischen und technologischen Kräfteverhältnis zu befreien, wäre eine massive Technologieinitiative und der Aufbau autarker Finanzsysteme. Doch davon spricht in Europa leider niemand. So hart es klingt: Wir sind tatsächlich das „alte Europa“, von dem US-Verteidigungsminister Rumsfeld einmal – wenn auch in einem anderen Zusammenhang – sprach. Und bevor sich das nicht ändert, bleiben wir auch eine Kolonie der USA. Eigentlich müsste man Donald Trump dankbar sein, dass er uns dies nun vor Augen führt.
Titelbild: Dilok Klaisataporn/shutterstock.com