Wahlergebnisse: Schwarz-Rot wäre „positiv“: Was Ökonomen zur Bundestagswahl sagen
Der Euro hat nach dem Sieg der Union bei der Bundestagswahl zugelegt. Ökonomen hoffen auf eine marktfreundliche Koalition

Der Euro hat nach dem Sieg der Union bei der Bundestagswahl zugelegt. Ökonomen hoffen auf eine marktfreundliche Koalition
Aus der Bundestagswahl geht die Union mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz als stärkste Kraft hervor. Ob es rein rechnerisch für eine Koalition der Union mit einem weiteren Partner – also mit SPD oder Grünen – reicht, oder ein komplizierteres Dreierbündnis geschmiedet werden muss, wird sich zeigen.
Der Eurokurs hat nach dem Wahlausgang jedenfalls zunächst mit leichten Gewinnen eröffnet. Im asiatischen Handel stieg die Gemeinschaftswährung am Montag um 0,2 Prozent auf 1,05 Dollar. „Die marktfreundlichsten Koalitionen sind theoretisch immer noch möglich, darunter die ,Große Koalition' und die Kenia-Koalition mit der konservativen CDU, der SPD und den Grünen“, sagte Analyst Frederik Ducrozet vom Vermögensverwalter Pictet Wealth Management. Weitere Ökonomen sagten:
Jörg Krämer, Commerzbank-Chefvolkswirt:
„Eine künftige Koalition dürfte sich auf mehr Mittel für die Infrastruktur verständigen. Das wäre gut für die Unternehmen. Aber die potentiellen Koalitionsparteien haben in vielen anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik unterschiedliche Meinungen – etwa in der Steuer-, Sozial- und Klimapolitik. Das dämpft die Aussicht auf einen echten Neustart in der Wirtschaftspolitik, der nach fünfjähriger Stagnation des Bruttoinlandsprodukts dringend notwendig wäre.“
Carsten Brzeski, ING-Chefvolkswirt:
„Die Zersplitterung der politischen Landschaft in Deutschland wird die anstehenden Koalitionsverhandlungen sehr kompliziert machen. Erschwerend kommt hinzu, dass CDU und CSU während des Wahlkampfs aggressive politische Angriffe auf die Grünen geführt haben, wobei sie zuweilen ausdrücklich jede Koalition mit den Grünen ausschlossen. Es ist nicht unbedingt der klügste Schachzug, in einer immer weiter zersplitterten politischen Landschaft Parteien aus der politischen Mitte auszuschließen.“
„Aus Sicht der Finanzmärkte wird der große wirtschaftspolitische Wurf in der aktuellen Konstellation nicht kommen. Es könnte ein paar Reförmchen, Steuersenkungen und einen zweckgebundenen Investitionsfonds für Infrastruktur und Verteidigung geben. Das alles wird wohl größer verkauft werden als es dann auch ist.
Mit 20 Prozent für die rechtsextreme AfD und komplizierten Koalitionsverhandlungen werden die Finanzmärkte und auch der Euro wohl enttäuscht reagieren. Die Sehnsucht nach neuer deutscher Stabilität in Europa, sowohl politische als auch wirtschaftlich, wurde heute erst einmal nicht erfüllt.“
Alexander Krüger, Chefvolkswirt Hauck Aufhäuser Lampe:
„Viel wurde geredet, jetzt beginnt die Zeit des Handelns. Wichtige Maßnahmen sind benannt, eine Gesamtstrategie steht aber noch aus. (...) Auch kommt das Vertrauen in die Politik nicht deshalb zurück, weil ein Teil der Pferde gewechselt wird. Mehr Marktkräfte, weniger staatliche Interventionen und eine wachstumsfreundliche Klimapolitik sind jetzt gefragt.
Wegen des maroden Kapitalstocks und fehlender Arbeitskräfte wird die künftige Koalition vieles aber kaum durchsetzen können. Für Konjunkturoptimismus ist die Zeit nicht gekommen. Die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt zu steigern und ungesteuerte Migration zu begrenzen, wird Wohl und Wehe der künftigen Regierung bestimmen.“
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank:
„Die neue Bundesregierung wird in den kommenden vier Jahren die jahrzehntelangen Investitionsversäumnisse nicht korrigieren können. Entscheidend ist deshalb, dass nicht nur zwischen den Koalitionspartnern, sondern unter allen demokratischen Parteien ein Konsens über die Notwendigkeit von großangelegten Infrastrukturinvestitionen besteht. Für den Bildungssektor, die Verkehrsinfrastruktur, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und die Verteidigung muss ein langfristiger Finanzierungsrahmen in Form von Sondervermögen geschaffen werden, der weit über die Legislaturperiode hinausreicht. In diesem Falle könnten Unternehmen ebenfalls beginnen, verlässlich zu investieren. Damit würden die Weichen für einen nachhaltigen Aufschwung gestellt werden.“
Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt Hamburg Commercial Bank:
„Für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands könnte sich eine schwarz-rote Koalition als positiv erweisen, wenn die Koalitionspartner mit Mut die Dinge angehen. Beide Parteien haben letztlich das gleiche Ziel vor Augen, nämlich die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen und eine Antwort auf die neue sicherheitspolitische Weltordnung zu finden.
Zwischen der CDU/CSU und der SPD könnte es eine Art Arbeitsteilung geben. Die Christdemokraten würden hierbei eine angebotsorientierte Politik durchsetzen. Es geht um deutliche Steuersenkungen für Unternehmen, radikalen Bürokratieabbau und eine Reform des Bürgergeldes mit dem Ziel, Anreize zum Arbeiten zu erhalten und Geld zu sparen. Die SPD ihrerseits würde darauf insistieren, dass Wege gefunden werden, um mehr in die Infrastruktur zu investieren, ein zentrales Versprechen des Wahlprogramms.
Ohne mehr Ausgabenspielraum dürfte sich die SPD nicht ernsthaft auf Koalitionsgespräche einlassen, nachdem die Ampelkoalition letztlich daran gescheitert ist, dass man sich nicht auf die Verteilung der durch die Schuldenbremse knapp gehaltenen Ressourcen einigen konnte. Sollte diese Aufgabenteilung gelingen – Angebotspolitik durch die CDU/CSU, Nachfragepolitik durch die SPD – könnte die Wirtschaftswende wirklich gelingen.
Relativ rasch dürften sich die Koalitionspartner darauf einigen, dass die Ausgaben für die Bundeswehr massiv erhöht werden müssen. Wünschenswert wäre dabei auch die Einsicht, dass in dieser Beziehung zunehmend auf europäischer Ebene agiert werden muss.“