Verkehrssektor kommt beim Klimaschutz nicht voran

Von allen Sektoren ist der Verkehr am weitesten von seinem Klimaziel entfernt. Was nun zu tun ist, damit das anders wird. Der Beitrag Verkehrssektor kommt beim Klimaschutz nicht voran erschien zuerst auf Elektroauto-News.net.

Mär 17, 2025 - 15:51
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Verkehrssektor kommt beim Klimaschutz nicht voran

Die Treibhausgasemissionen in Deutschland sind im Jahr 2024 laut der aktuellen Jahresanalyse des Umweltbundesamtes (UBA) um 3,4 Prozent auf 649 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente gegenüber 2023 gesunken. „Deutschland schließt seine Klimaschutzlücke und ist auf Klimakurs. Als drittgrößte Wirtschaftsnation weltweit können wir sagen: Weniger Treibhausgase sind möglich, auch mit wachsender Konjunktur in den kommenden Jahren. Der starke Ausbau erneuerbarer Energien und der Netze sowie der Emissionshandel sind Garanten für den kontinuierlichen Rückgang klimaschädlicher Treibhausgase“, kommentiert Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck anlässlich der Präsentation der Zahlen.

Die Daten zeigen demnach: „Kärnerarbeit, Hartnäckigkeit und Konsequenz lohnen sich. Wir haben in diesen drei Jahren Deutschland beim Klimaschutz auf Kurs gebracht und den Weg bereitet. Er muss nun entschieden und ehrgeizig verfolgt werden. Alle Sektoren müssen ihren Beitrag leisten – vor allem bei Verkehr haben wir großen Nachholbedarf, bei Gebäuden haben wir die wichtigen Weichen gestellt, es braucht aber eine konsequente Umsetzung und Kontinuität“, so Habeck weiter. Aufgabe der zukünftigen Bundesregierungen müsse es daher sein, weiter in die Transformation der Wirtschaft zu investieren, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen.

Die gesetzlich erlaubte, angepasste Jahresemissionsgesamtmenge von 693,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten (Millionen Tonnen CO2) wurde 2024 recht deutlich unterschritten. Die UBA-Projektionsdaten 2025 zeigen zudem, dass das Ziel, die THG-Emissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu mindern, mit den schon implementierten klimapolitischen Instrumenten weiter in greifbarer Nähe ist – vorausgesetzt, dass diese weiterhin konsequent umgesetzt werden.

Bis 2030 würden die Treibhausgasemissionen um 63 Prozent gemindert. Im Zeitraum 2021 bis 2030 könne die sektorübergreifende Jahresemissionsgesamtmenge sogar mit 81 Millionen Tonnen CO2 übererfüllt werden. Das gelinge aber nur, weil durch die fortschreitende Energiewende die Emissionen in der Energieerzeugung überproportional sinken und so die Zielverfehlungen der Sektoren Verkehr und Gebäude nach Klimaschutzgesetz (KSG) ausgleichen.

Gebäude und Verkehr bleiben die Sorgenkinder

Es bestätige und verschärfe sich hingegen, dass Deutschland seine Ziele zur EU-Klimaschutzverordnung (Effort Sharing Regulation, ESR) zwischen 2021 und 2030 deutlich zu verfehlen droht, womit auf Deutschland Strafzahlungen an die EU in Milliardenhöhe zukommen würden. Die voraussichtliche Gesamtlücke im Zeitraum 2021 bis 2030 beträgt derzeit 226 Millionen Tonnen CO2. Dies liege vor allem an den unzureichenden Fortschritten in den Sektoren Verkehr und Gebäude, die mittel- und langfristig auch zum Problem für die Transformation zur Klimaneutralität werden können.

Ohne schnelle Nachsteuerung in diesen Sektoren drohen sprunghaft ansteigende CO2-Preise – die letztendlich auch die Verbraucher:innen treffen, etwa wer Benzin und Diesel tankt oder mit Gas heizt – sowie hohe Strafzahlungen an andere EU-Staaten. Die Gelder für Letzteres sollten besser für Investitionen zur Transformation und Treibhausgasminderung in Deutschland eingesetzt werden.

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Umweltbundesamt

Aktuell und in Zukunft leiste die Energiewirtschaft – und hier insbesondere die Stromerzeugung – einen überproportionalen Beitrag zur Emissionssenkung. So sei die Minderung 2024 vor allem auf einen starken Rückgang der Emissionen aus der fossilen Energiewirtschaft um rund 17,6 Millionen CO2 zurückzuführen – und das trotz des vollständigen Ausstiegs aus der Kernenergie im Jahr 2023. Maßgeblich dafür sei der starke Anstieg der erneuerbaren Energien beim Bruttostromverbrauch in Deutschland mit einem Anteil von rund 54 Prozent.

Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien und ein schnelles Ende der Kohleverstromung seien die zentralen Pfeiler für die Klimaschutzziele bis 2030 und müssen daher unbeirrt weiterverfolgt werden. Laut UBA-Projektionen wird die Energiewirtschaft bis 2030 weiterhin einen überproportionalen Beitrag zur Treibhausgasminderung leisten und ihre kumulierten Ziele im Zeitraum 2021 bis 2030 mit 250 Millionen Tonnen CO2 sogar übererfüllen.

Verkehr liegt 18 Tonnen über seiner Zielvorgabe

Aktuell und auch bis zum Jahr 2030 bleibt der Sektor Verkehr weit entfernt von seinen Zielen. Im Jahr 2024 trägt er rund 143,1 Millionen Tonnen CO2 zu den Gesamtemissionen bei, ein Rückgang von nur rund 1,4 Prozent gegenüber 2023 und damit rund 18 Millionen Tonnen über seinem Ziel. Der Sektor verfehlt auch die kumulierten Jahresemissionsmengen zwischen 2021 und 2030 um 169 Millionen Tonnen CO2.

„Die zurückhaltende Nachfrage nach batterieelektrischen Autos sorgt mich. Der Markhochlauf von Elektroautos muss wieder deutlich mehr Fahrt aufnehmen“, sagte UBA-Präsident Dirk Messner. Staatlich geförderte Leasingmodelle für kleine und effiziente Elektroautos mit geringen monatlichen Raten (sogenanntes social leasing) können den Hochlauf nach französischem Vorbild unterstützen und klimafreundliche Mobilität dort ermöglichen, wo einkommensschwache Menschen auf das Auto angewiesen sind. „Am vereinbarten Ausstieg aus dem fossilen Verbrenner-Pkw 2035 sollte unbedingt festgehalten werden – das ist sowohl für den Klimaschutz als auch für die Planungssicherheit der Unternehmen wichtig. Entscheidend ist das Festhalten an den Zielvorgaben für 2030.“

Auch im Gebäudesektor werden die Emissionsvorgaben nicht eingehalten, zugleich zeigt sich ein träger Emissionsrückgang um rund 2,4 Millionen Tonnen CO2, oder 2,3 Prozent gegenüber 2023, auf 100,5 Millionen Tonnen CO2, erlaubt waren 95,8 Millionen Tonnen CO2 für 2024. Wesentlicher Treiber für den leichten Rückgang sei die milde Witterung gewesen, wodurch weniger geheizt wurde. Bis 2030 verfehlt der Sektor die kumulierten Jahresemissionsmengen zwischen 2021 und 2030 um 110 Millionen Tonnen CO2.

Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) und das Gebäudeenergiegesetz (GEG) inklusive der Pflicht, bei Installation einer neuen Heizungsanlage ab 2028 mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien zu nutzen, setze hier wichtige Anreize. Weitere müssen folgen.

Im Industriesektor sind die Emissionen 2024 mit einem leichten Plus von 0,1 Prozent auf 153 Millionen Tonnen CO2 nahezu konstant. Ein Anstieg der Emissionen in der Eisen- und Stahlindustrie und der chemischen Industrie wurde durch Rückgänge in der Zementindustrie ausgeglichen. Bis 2030 liege die Industrie weiter auf Kurs und übererfülle ihr Ziel kumuliert im Vergleich zu den Projektionen 2024 mit 73 Millionen Tonnen CO2. Unter anderem langsamer steigende Preise im EU-Emissionshandel für die Industrie (ETS I) bis 2035 sorgen für mehr Emissionen.

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Umweltbundesamt

Zugleich führen die aktuellen Konjunkturentwicklungen und deren Berücksichtigung bis 2030, insbesondere in energieintensiven Branchen, zu weniger Emissionen als in den Projektionsdaten des Vorjahres. Die Projektionen zeigen mit Blick auf die Dekade nach 2030, dass die langfristige Transformation noch nicht ausreichend implementiert sei. Hierfür brauche es den schnelleren Ausbau von Infrastrukturen, insbesondere für Strom- und Wasserstoffnetze, und insgesamt mehr Planungssicherheit, beispielsweise durch grüne Leitmärkte, also staatlich geschaffene oder geförderte Märkte für treibhausgasneutrale Produkte, sowie die Sicherung von Förderinitiativen wie der „Bundesförderung für Dekarbonisierung der Industrie“ .

Sektorübergreifend und langfristig bestehe noch nicht ausreichend Planungssicherheit für die Transformation zur Treibhausgasneutralität. Mit den jetzigen Maßnahmen erreiche Deutschland bis zum Jahr 2040 eine Minderung um rund 80 Prozent gegenüber 1990, das KSG-Ziel sieht aber von mindestens 88 Prozent vor. Für eine dauerhafte Treibhausgasneutralität ab 2045 sei es daher wichtig, sämtliche Minderungspotentiale zu heben, um den Bedarf an ausgleichenden Negativemissionen so klein wie möglich zu halten.

VCD fordert Tempolimit und Technologieklarheit

Dass der Verkehr weiter deutlich hinterherhinkt und die langfristigen Ziele des Klimaschutzgesetzes (KSG) auszuhebeln droht, sieht der ökologische Verkehrsclub VCD als Anlass darauf hinzuweisen, die Klimawende im Verkehr nun endlich entschlossener anzupacken. „Es ist eine Hiobs-Botschaft mit Ansage – denn dass der Verkehr die Ziele des Klimaschutzgesetzes erneut nicht erreichen wird, war abzusehen. Seit Jahren schauen die Bundesverkehrsminister untätig dabei zu, wie der Verkehr seine Klimaziele reißt. Das entwickelt sich immer mehr zu einer schweren Hypothek, die den Klimaschutz als Ganzes zu überrollen droht“, kommentiert die VCD-Bundesvorsitzende Kerstin Haarmann.

Der VCD fordert daher, „dass die neue Bundesregierung und vor allem die neue Hausleitung im Verkehrsministerium endlich gegensteuern. Sie müssen ein Sofortprogramm aufsetzen, das wirkt – ein erster und fast kostenloser Schritt wären strengere Tempolimits auf Autobahnen und Landstraßen.“ Darauf müsse „zügig eine langfristige Strategie folgen, die den CO2-Ausstoß im Verkehr dauerhaft herunterfährt.“

Dazu fordert der VCD, die nachhaltige Mobilität besser zu stärken. Busse und Bahnen seien auszubauen, ebenso die Rad- und Fußwegenetze. Beim Auto müsse die E-Mobilität endlich hochlaufen. „Diskussionen um E-Fuels und eine Vertagung des ‚Verbrenner-Aus‘ verzögern nur den notwendigen Umbau. Die Mobilitätswirtschaft braucht jetzt Technologieklarheit, nur dann kann sie nachhaltig innovativ sein“, so Haarmann weiter. „Das ist auch ökonomisch notwendig – wenn wir den Anschluss an die Elektro-Wende verpassen, werden Busse und Autos auf Dauer nicht mehr in Deutschland gebaut werden.“

Welche Weichenstellungen jetzt zentral sind, um die Klimaziele zu erreichen

Die vorläufige Klimabilanz des Umweltbundesamtes für die Treibhausgasemissionen 2024 zeigt deutlich, wo die Handlungsbedarfe in der Klima- und Energiepolitik für die kommende Bundesregierung liegen, so Agora Energiewende: Denn während der ambitionierte Ausbau der erneuerbaren Energien maßgeblich die Emissionen senke und zu einer Verringerung der Strompreise beitrage, fehle es in der Industrie, im Gebäudesektor und im Verkehr noch an der nötigen Dynamik.

Wie Agora schon im Januar in der Jahresauswertung für 2024 deutlich machte, sei der Umstieg auf klimaneutrale Technologien in diesen Sektoren zentral für das Erreichen der Klimaziele 2030, 2040 und der Klimaneutralität 2045.

Ein von Agora Energiewende gemeinsam mit Agora Industrie vorgelegtes Maßnahmenpapier verdeutliche: Die Finanzierung sei zentral, um die Transformation in den Sektoren Energie, Industrie und Gebäude umzusetzen. Mit 80 Prozent tragen demnach private Akteure, wie Industrieunternehmen und Privathaushalte, den Großteil der für die Klimaneutralität notwendigen Investitionen. Voraussetzung für die Mobilisierung dieser Privatinvestitionen seien öffentliche Gelder und ein verlässlicher Finanzierungsrahmen.

„Selbst wenn das Zwischenziel 2030 aus Sicht des Umweltbundesamtes erreichbar scheint, ist es dringend erforderlich, dass die kommende Bundesregierung, insbesondere im Gebäude- und Verkehrssektor strukturelle Maßnahmen umsetzt. Denn nur so kann Deutschland Kurs auf die Klimaziele 2040 und 2045 halten“, sagt Markus Steigenberger, Geschäftsführer von Agora Energiewende. „Entscheidend hierfür ist eine gesicherte Finanzierung, bei der öffentliche Fördermittel private Investitionen mobilisieren. Unsere Berechnungen zeigen, dass die notwendigen Investitionen bis 2030 insgesamt zwar ansteigen, in den Folgejahren jedoch schrittweise absinken – und sich durch vermiedene Importe fossiler Brennstoffe und dauerhaft niedrigere Strompreise volkswirtschaftlich auszahlen.“

Laut Agora-Berechnungen fällt dafür bis 2030 ein öffentlicher Finanzierungsbedarf in Höhe von etwa 2 Prozent des BIP an (etwa 93 Milliarden Euro pro Jahr). Hiermit können direkte Investitionen der öffentlichen Hand, etwa in Schieneninfrastruktur sowie Investitionszuschüsse zur Schließung von Wirtschaftlichkeitslücken im Übergang und Ausgleichszahlungen für Bürgerinnen und Unternehmen, etwa um die Stromkosten zu senken, finanziert werden.

Abzüglich der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung von derzeit rund 20 Milliarden Euro bleibe eine Finanzierungslücke von rund 73 Milliarden Euro pro Jahr. Diese könne durch eine Kombination aus effizientem Fördermitteleinsatz, zusätzlichen Einnahmen und angepasster Schuldenregeln gedeckt werden, die Ausgaben für sozial gerechten Klimaschutz und eine zukunftsfähige Wirtschaft und Infrastruktur ermöglichen. Gleichzeitig könne dadurch die Energiesicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz gestärkt werden.

Die wichtigsten Maßnahmen für den Verkehrssektor

Für das Erreichen der Klimaziele im Verkehrssektor brauche es in der nächsten Legislaturperiode ein klares Gesamtkonzept mit wirksamen Maßnahmen. Zentrale Hebel seien der Hochlauf der Elektromobilität, die Transformation der Automobilindustrie und eine rasche Reform von Steuern, Abgaben und Subventionen rund um den Pkw orientiert am CO2-Ausstoß.

„Die Zeit drängt“, sagt Markus Steigenberger. „Mit Einführung der zweiten Phase des europäischen Emissionshandelssystems (ETS 2) im Jahr 2027 werden der Gebäude- und Verkehrssektor in den europäischen CO2-Zertifikatehandel mitaufgenommen. Je stärker Deutschland seine Emissionen jetzt senkt, desto niedriger wird der CO2-Preis im ETS 2. Mit Blick auf die oft langen Investitionszyklen, vor allem bei Gebäuden und in der Industrie, sollte die kommende Bundesregierung hier zügig gegensteuern. Privathaushalte brauchen gezielte Unterstützung, damit sich alle aus der Nutzung fossiler Energien herausinvestieren können. Zusätzlich kann ein sozial gestaffeltes Klimageld die Übergangszeit erleichtern.“

Neues Klimaschutzprogramm innerhalb eines Jahres

Laut aktuellem Klimaschutzgesetz (KSG) ist die neue Bundesregierung dazu verpflichtet, innerhalb ihres ersten Regierungsjahres ein Klimaschutzprogramm vorzulegen, das die notwendigen Maßnahmen enthält, um die Klimaziele bis 2030 und 2040 einzuhalten. Für das Erreichen der Ziele sei ein ausgewogener und zugleich ambitionierter Policy-Mix erforderlich. Entscheidend seien Investitionen in Energieinfrastrukturen, Anreize zur Elektrifizierung sowie eine verlässliche Absicherung des Ausbaus erneuerbarer Energien.

„Gerade für die Stärkung der Wirtschaft ist es entscheidend, dass klimaneutrale Investitionen jetzt angereizt und die Energiewende weiter vorangetrieben wird. Die kommende Bundesregierung sollte mit einem ausgewogenen Policy-Mix und einem stabilen Finanzierungsrahmen Investitionen für Klimaschutz und Modernisierung anreizen – um Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit von morgen zu sichern. Neben einem konstruktiven, gesellschaftlichen Dialog ist in den kommenden Wochen und Monaten entschiedenes politisches Handeln zentral, damit die Transformation gelingt“, so Julia Metz, Direktorin von Agora Industrie.

Quelle: Umweltbundesamt – Pressemitteilung vom 14.03.2025 / VCD – Pressemitteilung vom 14.03.2025 / Agora Energiewende – Pressemitteilung vom 14.03.2025

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