Urteil erwartet: Soli-Showdown in Karlsruhe: Fällt der Solidaritätszuschlag komplett weg?
Das Bundesverfassungsgericht urteilt über den Solidaritätszuschlag – und könnte die Finanzpläne der künftigen Merz-Regierung durchkreuzen. Die wichtigsten Fragen und Antworten

Das Bundesverfassungsgericht urteilt über den Solidaritätszuschlag – und könnte die Finanzpläne der künftigen Merz-Regierung durchkreuzen. Die wichtigsten Fragen und Antworten
Die Zukunft des Solidaritätszuschlags steht auf dem Prüfstand. Mehr als drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung könnte das Bundesverfassungsgericht nun entscheiden, ob die Abgabe endgültig abgeschafft wird. Am Mittwoch wird das Urteil der Karlsruher Richterinnen und Richter erwartet – eine Entscheidung mit erheblichen finanziellen Konsequenzen für den Bund.
Bislang zahlen nur noch Unternehmen und Gutverdienende den Soli. Sollte er wegfallen, würden dem Bundeshaushalt jährlich rund 12 bis 13 Mrd. Euro fehlen. Doch möglicherweise sind die Auswirkungen noch weitreichender. Capital beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist der Solidaritätszuschlag?
Der Solidaritätszuschlag, kurz Soli, wurde 1991 zunächst als befristete Abgabe eingeführt und 1995 dauerhaft etabliert. Ziel war es, die Kosten für den wirtschaftlichen Aufbau der ostdeutschen Bundesländer zu decken. Ursprünglich lag der Zuschlag bei 7,5 Prozent auf Lohn-, Einkommen-, Kapitalertrags- und Körperschaftsteuer, seit 1998 beträgt der Satz 5,5 Prozent. Der Soli gilt bundesweit, seine Einnahmen fließen ausschließlich in den Bundeshaushalt und sind nicht an bestimmte Zwecke gebunden.
Wer zahlt den Soli noch?
Nach dem Ende des Solidarpakts 2019 wurde der Solidaritätszuschlag für einen Großteil der Bevölkerung abgeschafft. Die damalige Große Koalition aus Union und SPD einigte sich 2021 darauf, die Freigrenzen deutlich anzuheben, sodass heute rund 90 Prozent der Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen von der Abgabe befreit sind. Unternehmen und Spitzenverdiener zahlen ihn jedoch weiterhin.
Seitdem wurden die Freigrenzen regelmäßig angepasst. 2024 musste ein Alleinstehender mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen ab etwa 104.000 Euro den vollen Satz entrichten. Auch Kapitalerträge wie Dividenden unterliegen nach wie vor dem Soli.
Wer hat sich an das Bundesverfassungsgericht gewandt – und warum?
Sechs Bundestagsabgeordnete der FDP, die sich damals in der Opposition befanden, legten 2020 Verfassungsbeschwerde gegen den Soli ein. Ihr Kernargument: Die Abgabe sei nach dem Ende des Solidarpakts nicht mehr verfassungsgemäß und müsse für alle Steuerzahlenden abgeschafft werden.
Nach ihrer Auffassung hätte der Soli mit dem Ende des Solidarpakts vollständig entfallen müssen, da er ursprünglich der Finanzierung der Wiedervereinigung diente. Sie kritisieren zudem, dass nur noch eine bestimmte Gruppe zur Kasse gebeten wird, und sehen darin eine Verletzung des Eigentumsrechts.
Gab es bereits ein Gerichtsurteil zum Soli?
Ja, eine Entscheidung traf bereits der Bundesfinanzhof in München. Im Januar 2023 wies das oberste deutsche Finanzgericht eine Klage gegen den Solidaritätszuschlag ab. Geklagt hatte ein Ehepaar aus Bayern mit Unterstützung des Bundes der Steuerzahler, das sich gegen die Zahlung des Solis für die Jahre 2020 und 2021 wehrte. Das Gericht entschied jedoch, dass die Erhebung weiterhin zulässig sei.
Wie lief die Verhandlung in Karlsruhe?
Die Bundesregierung verteidigte vor dem Verfassungsgericht die Fortführung des Solis. Sie argumentierte, dass die finanziellen Herausforderungen der Wiedervereinigung noch nicht vollständig bewältigt seien. Vertreter von SPD und Grünen betonten zudem, dass es wirtschaftspolitisch sinnvoll sei, nur einkommensstarke Gruppen zur Zahlung heranzuziehen.
Grundsätzlich darf eine Ergänzungsabgabe wie der Soli nur erhoben werden, wenn ein besonderer Finanzbedarf des Bundes besteht. In Karlsruhe drehte sich die Debatte daher um die Frage, ob die Erhebung auch dann noch zulässig ist, wenn der ursprüngliche Zweck entfällt, der Staat aber weiterhin hohe Ausgaben hat. Steuerrechtsexperten lieferten hierzu unterschiedliche Einschätzungen.
Welche finanziellen Folgen drohen?
Sollte das Bundesverfassungsgericht der Beschwerde stattgeben – und somit der Soli ganz abgeschafft werden müssen – würden für den Bund 12 bis 13 Mrd. Euro an jährlichen Einnahmen wegfallen. Für die kommende Bundesregierung um den designierten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wäre das aber nicht einmal das schlimmste Szenario.
Möglich ist, dass die Richterinnen und Richter auch entscheiden, dass bereits gezahlte Beiträge an die Steuerzahler zurückerstattet werden müssen. In diesem Fall beliefen sich die Kosten für den Staat auf noch einmal 65 Mrd. Euro. Um dieses Finanzloch zu schließen, werden dann wohl andere Einnahmequellen gefunden werden müssen. Möglicherweise in Form höherer Steuern – für Bürgerinnen und Bürger wäre das keine gute Nachricht.
Was würde das Soli-Aus für Unternehmen bedeuten?
Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags könnte die Wirtschaft deutlich entlasten. Unternehmen in Deutschland könnten knapp 65 Mrd. Euro einsparen, wie das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) bereits im November 2024 ermittelt hat. Die aktuelle Wirtschaftslage sei Grund genug, den Soli zu hinterfragen, sagte IW-Ökonom Tobias Hentze damals. „Vom Soli abzulassen, würde die Unternehmen endlich etwas entlasten und ihnen dringend benötigten Spielraum für neue Investitionen geben.“
Am Mittwoch wird sich zeigen, wie das Gericht entscheidet.