Buchhaltung hat Folgen
Der Internationale Währungsfonds (IWF) habe Bitcoin als digitales Gold anerkannt, hieß es vor kurzem. Dies ist falsch. Der IWF nimmt jedoch Kryptowährungen wie Bitcoin in ein neues statistisches Framework auf, was eine ziemlich große Nachricht ist. Nur anders, als gedacht - und mit einem scharfen Haken.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) habe Bitcoin als digitales Gold anerkannt, hieß es vor Kurzem. Dies ist falsch. Der IWF nimmt jedoch Kryptowährungen wie Bitcoin in ein neues statistisches Framework auf, was eine ziemlich große Nachricht ist. Nur anders, als gedacht – und mit einem scharfen Haken.
Man kann sich das, worum es geht, wie ein Update des Kategoriensystems der Steuersoftware vorstellen. Aber nicht für Privatleute oder Unternehmen, sondern für Volkswirtschaften.
Der Internationale Währungsfonds gibt seit 1948 ein „Integrated Balance of Payments and International Investment Positions Manual“ heraus. Das zugrundeliegende Framework vereinheitlicht, wie die IWF-Mitgliedsländer „Positionen, Transaktionen und andere Änderungen finanzieller Guthaben und Verbindlichkeiten zwischen einer Volkswirtschaft und dem Rest der Welt“ verbuchen.
Der IWF setzt dadurch Standards zur statistischen Vermessung einer Volkswirtschaft. Dies hilft ihm, Volkswirtschaften zu vergleichen und auf einer einigermaßen soliden Datengrundlage zu entscheiden, ob und zu welchen Bedingung er einem Land weitere Kredite gibt.
Alle paar Jahre, teilweise auch Jahrzehnte, aktualisiert er dieses Manual, sagen wir, Handbuch. Nun hat er die siebte Version herausgegeben. BPM7, der aktualisierte Leitfaden, ist mehr als 1.000 Seiten schwer und Ergebnis einer mehrjährigen Arbeit von hunderten IWF-Statistikern. Der IWF hat es 2020 beauftragt, unter anderem um auch Kryptowährungen zu greifen.
BPM7 integriert Kryptowährungen in sein statistisches Kategoriensystem. Das ist die eigentliche Nachricht. Krypto-Transaktionen werden künftig Teil der volkswirtschaftlichen Statistik beim IWF sein.
Gelten Bitcoin darin, wie es soziale Medien kolportieren, als „digitales Gold“?
Kategorie AN22 oder AF33?
BPM7 vereinheitlicht die Finanzstatistik, sodass sie zwischen Ökonomien kompatibel wird und Länder auf einer soliden Datenbasis erkennen können, welche Aktiva und Passiva sie haben. Das ist wichtig, aber im Detail vor allem in buchhalterischer Hinsicht spannend.
Hinsichtlich Kryptowährungen steht das Update des Frameworks vor allem vor einem Problem: Durch die Digitalisierung gibt es „neue finanzielle Instrumente“, wie Krypto-Assets, die jedoch ohne „korrespondierende Verbindlichkeit“ existieren und als Zahlungsmittel dienen. Wie eben Bitcoin. Es gibt ein Aktiva, aber keine Passiva, einen Bestand, aber keine Verbindlichkeit. In buchhalterischer Hinsicht ist das ein Problem. Es passt nicht in die Kategorie des letzten Manuals, BPM6, für finanzielle Assets.
Dementsprechend gelten „Krypto-Assets ohne korrespondierende Verbindlichkeit, die als Zahlungsmittel genutzt werden“ als „nonproduced nonfinancial assets“, Kategorienziffer AN22. Diese Kategorie enthält neben Kryptowährungen etwa Verträge, Lizenzen oder Markenansprüche. In die Kategorien AF33 und AF34 fallen dagegen „Krypto-Assets mit korrespondierender Verbindlichkeit, die als Zahlungsmittel genutzt werden.“ Darunter zählen vor allem Stablecoins, nicht aber, wenn sie wie die DAI-Dollar algorithmisch geschaffen werden, dann sind sie wieder, mangels einer Verbindlichkeit, „nonproduced nonfinancial assets“.
Ihr seht, es geht buchhalterisch zu. Das Framework klamüsert Kryptowährungen irgendwie in seine Systematik hinein. Der Hauptunterschied besteht darin, ob eine Kryptowährung durch etwas anderes gedeckt ist, wie Tether und USDC, oder, wie Bitcoin, Ether, Dogecoin, nur durch sich selbst gedeckt. Das spaltet sich noch in einige weitere Unterscheidungen auf, und wird dann auf die verschiedenen Transaktionen und Operationen umgeschlagen. Daher wird man Krypto-Transaktionen, wie wir sie zusammen betrachten, etwa auf Coinmarketcap, in den IWF-kompatiblen Statistiken auf zahlreiche Segmente verteilt finden.
Entscheidend ist aber eine andere Kategorie – die „Reserve Assets“.
Zählt Bitcoin als Reserve-Asset?
In einem Kapitel bearbeitet das Manual „Foreign Assets that do not Qualify as Reserve Assets“, also ausländische Werte, die kein Reserve-Asset sein können. Das ist der Punkt, an dem wir zum digitalen Gold kommen.
Denn der IWF erlaubt als Reserven für Zentralbanken vor allem „Devisen“ – das sind ausländische Werte, nominiert in einer Währung wie Dollar oder Euro -, Sonderziehungsrechte beim IWF selbst (eine Art Durchschnitt aus einem Währungskorb) sowie Gold.
Das neue Handbuch definiert also Werte, die nicht als Reserve in Frage kommen. Etwa Kreditlinien, die man beim IWF ziehen kann, oder Devisen, die man durch Swaps erhalten kann. Denn beides „verkörpert keine existierende Forderung“. Aus denselben Gründen können auch „Krypto-Assets ohne korrespondierende Forderung, die als Zahlungsmittel benutzt werden“ nicht als Reserve-Asset verbucht werden. Sie gelten ja als „nonproduced nonfinancial assets“. Der IWF betrachtet Bitcoin also nicht als „digitales Gold“. Ganz im Gegenteil.
Diese Kategorisierung hat nun praktische Folgen: Das neue Manual lässt nicht zu, dass beispielsweise El Salvador die Bitcoins, die es hält, in der Statistik über Währungsreserven aufführt. Wenn der Internationale Währungsfonds also bewertet, zu welchen Bedingungen El Salvador einen Kredit bekommt, wird er zwar die Währungsreserven berücksichtigen, die es in Devisen, Gold und Sonderziehungsrechten hält, nicht aber die Reserven, die es in Bitcoin aufgebaut hat.
Bitcoin, das ist die Konsequenz hier, zählt für den IWF nicht als Reserve-Asset. Wenn eine Zentralbank eines Entwicklungslandes eine Reserve aufbaut, dann macht sie das oft auch, um die Kreditkonditionen beim IWF zu verbessern, und damit auch die Bewertungen durch Rating-Agenturen und weitere Geldgeber. Bitcoin ist, wie El Salvador zeigt, zwar ein guter Ansatz, die eigene Reserve wachsen zu lassen – zählt aber nun offiziell nicht beim IWF.
Andererseits sind Stablecoins wohl erlaubt, nicht aber algorithmisch verwaltete. Auch Wertpapiere in Fremdwährungen sind erlaubt, weshalb die Klassifizierung vermutlich gut für die Aktien von MicroStrategy ist, die zwar im Wert synchron mit Bitcoin schwimmt, aber als Aktie im großen Bereich der „Devisen“ unterkommt. Ob auch ETFs in Frage kommen, ist schwieriger zu entscheiden.
Manchmal steckt der Teufel eben doch im Detail. Buchhaltung hat Folgen.