Psychologie: Das ist der Unterschied zwischen deiner Seele und deiner Psyche
Sind Seele und Psyche dasselbe? Wenn ja, warum gibt es zwei Begriffe? Unsere Autorin hat sich der Frage angenommen.

Sind Seele und Psyche dasselbe? Wenn ja, warum gibt es zwei Begriffe? Unsere Autorin hat sich der Frage angenommen.
Niemand würde heute mehr in Frage stellen, dass wir eine Psyche haben – doch ob es eine Seele gibt, erachten längst nicht alle Menschen als unstrittig. Das wirft die Frage auf: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Seele und Psyche?
Ähnliche Bedeutung, unterschiedliche Verwendung
Laut "Duden" unterscheiden sich die Hauptbedeutungen der zwei Begriffe gar nicht. So heißt es im Online-Eintrag für "Seele":
- "Gesamtheit dessen, was das Fühlen, Empfinden, Denken eines Menschen ausmacht; Psyche"
Und unter "Psyche" finden wir:
- "Gesamtheit des menschlichen Fühlens, Empfindens und Denkens; Seele"
Sowohl Seele als auch Psyche ist demnach alles, was in uns vorgeht.
Schauen wir uns allerdings an, wie wir die Ausdrücke im Alltag verwenden, sehen wir schnell, dass wir sie oft nicht ohne Weiteres austauschen können:
- Wir sagen von einem Menschen, er habe oder sei eine gute, großzügige, edle oder empfindsame Seele – doch die Psyche beschreiben wir so nicht. Sie ist eher gesund, ungesund, gestört oder unauffällig.
- Wir können etwas mit ganzer Seele tun oder unsere Seele in etwas hineinlegen, unsere Psyche aber nicht.
- Dinge wie Gemälde, Lieder, Texte, Musikinstrumente können eine Seele haben, aber keine Psyche.
- Wir würden eher darüber sprechen, ob unsere Seele unsterblich sein könnte, als unsere Psyche.
- Wir sprechen von Psycho-Tricks und Psycho-Terror und glauben an Regeln und Gesetzmäßigkeiten, denen unsere Psyche folgt. Seele passt hier nicht.
- Die Psyche verorten wir eher im Kopf, die Seele im Herzen.
Diese Beispielen zeigen: Es gibt einen Unterschied zwischen Seele und Psyche – zumindest in unserer Sprache und unseren Köpfen.
Der Ausdruck "Psyche"
"Psyche" stammt aus dem Altgriechischen (ψυχή) und bedeutete dort ursprünglich "Hauch" und "Atem". Vielleicht haben sich die Griechen die Seele als Hauch vorgestellt oder sie wie das Atmen als Grundlage des Lebens begriffen. Jedenfalls verwendeten sie "Psyché" ähnlich wie wir im Deutschen "Seele" gebrauchen: Als Platon zum Beispiel in seinem Werk "Sophistes" Denken als "das Gespräch der Seele mit sich selbst" beschreibt, benutzt er "Psyché".
Als Fremdwort im Deutschen verwenden wir "Psyche" laut dem "digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache" (DWDS) seit dem 19. Jahrhundert immer häufiger, meist mit medizinischem Bezug und in eher wissenschaftlichen Zusammenhängen. Das "DWDS" bietet als Begriffsdefinition:
- "Gesamtheit der an ein Subjekt gebundenen Erscheinungen der Widerspiegelung der Umwelt durch die höhere Nerventätigkeit"
Der Begriff "Seele"
Seele ist ein eigentümlich deutsches Wort, von Althochdeutsch sēla, und ist in unserer Sprache und Kultur seit mehr als tausend Jahren (mit-)gewachsen. Germanisten vermuten eine Verwandtschaft zu dem Begriff "See" und sehen in dieser den alten germanischen Glauben überliefert, dass ein unsterblicher, nicht-materieller Anteil von Lebewesen vor der Geburt und nach dem Tod im Wasser existiert.
Im Laufe der Jahrhunderte hat sich der Begriff in unserer Sprache gewandelt und ausgebreitet. Er steckt heute in Eigennamen wie "Allerseelen" oder "Seliger", tritt in Adjektiven in Erscheinung – "beseelt", "selig" – und ist Bestandteil von einigen Komposita, zum Beispiel "Seelenverwandte" oder "Seelenheil".
Darüber hinaus hat "Seele" mehrere verschiedene Bedeutungen angenommen und kann etwa den innersten Kern von etwas bezeichnen, einen Menschen ("in dem Dorf leben 2.000 Seelen") oder auf ein religiöses Konzept verweisen. Die Bedeutung, die derjenigen von "Psyche" am ähnlichsten ist, definiert "DWDS" folgendermaßen:
- "Gesamtbereich des Empfindens und Erlebens, besonders der Gefühlsregungen"
Was ist der Hauptunterschied und wozu brauchen wir die zwei Begriffe?
Die Begriffe "Psyche" und "Seele" beziehen sich auf etwas, das Menschen seit Jahrtausenden schwerfällt, vollends zu durchschauen und zu erfassen: Den Anteil von uns und anderen Lebewesen, der sich nicht wiegen, messen oder im Mikroskop untersuchen lässt. Einen Anteil, den wir in unseren Entscheidungen und Reaktionen erkennen und den wir spüren, aber nicht als eigenständiges Ding sehen können. Ob die Ausdrücke haargenau dieselbe Sache bezeichnen, lässt sich kaum sagen, denn was immer es ist, hat keine klaren Maße und Grenzen. Dafür wissen wir, was die Begriffe für uns tun: Sie dienen unserem Selbstverständnis und bilden uns eine Vorstellung von unserem Selbst. Dazu wiederum leisten sie unterschiedliche Beiträge.
"Psyche" ist als Fremdwort in unserer Sprache noch jung und repräsentiert eine eher moderne, aufgeklärte Sichtweise, einen Ansatz, diesen schwer zu greifenden Teil von Lebewesen zu erfassen. Deshalb würden wir sie auch nicht in Frage stellen: Sie ist und wird schließlich erforscht, selbst in Hirnscans kann man sie in gewisser Weise sehen. "Seele" hingegen hat in unserer Sprache eine lange Tradition und bildet eine Sichtweise ab, die deutlich stärker von Spiritualität, Mythologie und Religion geprägt ist. Kein Wunder, dass einige Menschen ihr gegenüber skeptischer sind: Religion und Co. basieren schließlich auf Glauben.
Selbst wenn manche Leute an ihrer Seele zweifeln und mehr mit ihrer Psyche anfangen können, haben aber sowohl "Seele" als auch "Psyche" eine Berechtigung in unseren Köpfen. Denn wie wir es aus fast allen Bereichen kennen: Meist hilft es uns, etwas aus mehreren Perspektiven zu betrachten, um es zu verstehen und einzuordnen. Und letztlich kann uns alles, was Menschen je empfunden, gedacht oder gefühlt haben, etwas über genau die Sache verraten, um die es bei beiden Begriffen geht.