Myelinverlust: Extremer Ausdauersport kann dem Gehirn schaden

Myelin ist ein wichtiger Baustoff im Gehirn und sorgt für schnelle Denkmanöver. Ausgerechnet er scheint bei einem Marathonlauf abgebaut zu werden – zumindest zeitweilig  

Mär 26, 2025 - 18:50
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Myelinverlust: Extremer Ausdauersport kann dem Gehirn schaden

Myelin ist ein wichtiger Baustoff im Gehirn und sorgt für schnelle Denkmanöver. Ausgerechnet er scheint bei einem Marathonlauf abgebaut zu werden – zumindest zeitweilig

 

Keine Frage: Bewegung ist die beste Gesundheitsvorsorge. Doch wer es übertreibt, kann sich auch schaden. Große Belastungen, wie sie etwa bei einem Marathon entstehen, sind für einige Menschen sogar gefährlich. So kann bei intensivem Training ein bestimmtes Muskeleiweiß stark ansteigen, das auf eine Zerstörung von Herzmuskelzellen hinweist. Bei manchen Extremsportlern haben Mediziner gar Vernarbungen in den Vorhöfen entdeckt. 

Auch ist bekannt, dass durch hartes, forderndes Training das Stresshormon Cortisol vermehrt im Blut zirkuliert, wodurch wiederum auf komplexe Weise die Abwehrfunktion des Körpers sinken kann. Schwimmerinnen, Läufer oder Radfahrerinnen sind nach sehr intensiver oder lang andauernder Anstrengung daher vorübergehend anfälliger für bestimmte Erkrankungen. Zudem kann ein unausgeglichener Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt zu Schwindel, Konzentrationsstörungen und in extremen Fällen sogar zu Hirnschäden führen.

Meylinverlust nach Marathonlauf

Nun haben Forschende von der Universität des Baskenlandes bestätigt, dass zehrende Marathonläufe einen weiteren kritischen Effekt auf das Gehirn haben können. Wie das Team um Carlos Matute herausfand, kommt es in bestimmten Hirnregionen zu einem Verlust des Stoffes Myelin. Myelin ist eine fettreiche Substanz, die sich in mehreren Schichten um die Nervenfasern wickelt – etwa wie Isolierband um ein Kupferkabel. Diese Isolierung sorgt dafür, dass Signale schnell von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen werden können.

Untersuchungen zeigen, dass eine gute "Myelinisierung" essenziell für einen funktionierenden Verstand ist: Bei schlaueren Menschen sind die Nervenfasern tendenziell mit einer dickeren Hülle isoliert. Umgekehrt beeinträchtigen dauerhafte Schädigungen an den Myelinschichten die Signalübertragung. Motorische und kognitive Defizite, wie sie auch bei neurodegenerativen Erkrankungen zu beobachten sind, können die Folge sein.

Das Gehirn stellt auf Notversorgung um

Obwohl Myelin also für die kognitive Gesundheit einen hohen Stellenwert hat, scheint die fettreiche Substanz dem Körper bei Extrembelastungen als energetische Notreserve zu dienen. Demnach beginnt das Gehirn, die fettreiche Ummantelung seiner Nervenfasern zu verstoffwechseln, sofern andere Nährstoffe nicht verfügbar sind. Dem Denkorgan geht es dann darum, grundlegende Funktionen auf Kosten einer schnellen Signalübertragung zu retten.   

Bei den mit einem Magnetresonanztomografen kurz vor und nach dem Marathonlauf untersuchten Frauen und Männern (zehn an der Zahl) kam es in bestimmten Hirnbereichen zu einem temporären Myelinverlust von bis zu 28 Prozent. Laut Studienautoren betrafen die Verluste vor allem solche Nervenbahnen, die unter anderem für motorische, sensorische und emotionale Fähigkeiten eine wichtige Rolle spielen. 

Langfristige Folgen unklar

Zwei Wochen später war die Myelinisierung in den betroffenen Arealen wieder deutlich gestiegen und erreichte bei einer erneuten Messung zwei Monate nach dem Marathon das vorherige Level. Bleibende Hirnschäden haben die Läuferinnen und Läufer also nicht davongetragen. In welchem Maß der Abbau zu temporären kognitiven Ausfällen führt, hat die Studie nicht beleuchtet. Offen bleibt auch, inwieweit ein wiederholter Verlust die Reparaturmechanismen möglicherweise überlastet und somit bei Extremsportlern eben doch langfristige Einbußen verursacht.

Wer sich vom Sport vornehmlich gesundheitliche Vorteile verspricht, sollte ohnehin eher auf maßvolle Bewegung setzen. Dass nur anstrengender Sport etwas bringt, gilt als überholt. Vor allem moderates, regelmäßiges Training, zeigen umfangreiche Studien, ist entscheidend für unser körperliches Wohl. Geistige Fitness inbegriffen.