Messen statt Fragen? Biomarker für Einsamkeit? [Gesundheits-Check]

Die Zeitschrift GEO hat gerade darauf aufmerksam gemacht, dass chinesische Wissenschaftler:innen glauben, Biomarker für Einsamkeit gefunden zu haben. Grundsätzlich ist klar, dass Einsamkeit da, wo sie – als zunächst soziale Situation – individuelle Krankheitssymptome provoziert, auf der physiologischen Ebene repräsentiert sein muss. Die Wissenschaft hat gezeigt, dass Einsamkeit mit vielen körperlichen und psychischen Störungen in…

Feb 13, 2025 - 12:37
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Messen statt Fragen? Biomarker für Einsamkeit? [Gesundheits-Check]

Die Zeitschrift GEO hat gerade darauf aufmerksam gemacht, dass chinesische Wissenschaftler:innen glauben, Biomarker für Einsamkeit gefunden zu haben. Grundsätzlich ist klar, dass Einsamkeit da, wo sie – als zunächst soziale Situation – individuelle Krankheitssymptome provoziert, auf der physiologischen Ebene repräsentiert sein muss. Die Wissenschaft hat gezeigt, dass Einsamkeit mit vielen körperlichen und psychischen Störungen in Zusammenhang steht, kausal in beiden Richtungen, insofern sind grundsätzlich auch Biomarker für Situationen, in denen Einsamkeit pathogen wird, plausibel.

Die Studie selbst mögen Fachleute bewerten, sowohl mit Blick auf die medizinischen Parameter als auch mit Blick auf die Statistik. Da wurde viel mit viel korreliert, wie belastbar das ist, übersteigt meinen Horizont als einfacher Datenhandwerker und die medizinische Relevanz der untersuchten Biomarker kann ich genauso wenig beurteilen.

Ich habe einen anderen Punkt. Die Autor:innen schreiben vollmundig:

„The exploration of the peripheral physiology through which social relationships influence morbidity and mortality is timely and has potential implications for public health.”

Welche potentiellen Folgen für Public Health meinen sie? Wie gesagt, dass Einsamkeit in Zusammenhang mit vielen Krankheiten steht, ist bekannt. Dass viele Menschen einsam sind und Einsamkeit eine Public Health-Herausforderung darstellt, ebenfalls. Dass eine soziale Situation da, wo sie pathogen wirkt, physiologische Niederschläge haben muss, ist naturwissenschaftlich alternativlos, wenn man nicht an Geister glaubt. Ergo, was bedeutet dann die Identifikation von Biomarkern über die Grundlagenforschung hinaus, konkret für Public Health, wie die Autor:innen schreiben? Man wird ja kaum Menschen, die sich einsam fühlen, aber bei denen die Biomarker unauffällig sind, sagen, du bildest dir deine Einsamkeitsgefühle nur ein. Messen kann hier Fragen nicht ersetzen.

Im Diskussionsteil des Artikels heißt es:

„The plasma proteome can help bridge the link between social relationships and morbidity and mortality. Comprehending the biology underlying the impact of social relationships on health, particularly the peripheral changes preceding disease, may provide new opportunities for targeted prevention and for effective intervention.”

Der erste Satz stimmt, Grundlagenforschung ist immer gut. Aber was ist dran an den Perspektiven für „targeted prevention“ und „effective intervention“? Die Studie erlaubt auf der Basis ihrer massenstatistischen Korrelationen keine prognostisch belastbare Aussage für einzelne Menschen. Eher müsste man einen Nocebo-Effekt befürchten: „Wir haben bei Ihnen bedenkliche Biomarker für eine drohende Herz-Kreislauferkrankung entdeckt, wenn Sie nicht aufhören, einsam zu sein, könnten Sie sterben.“ Medizinisch keine gute Strategie, das hat schon beim Rauchen nicht geklappt. Geht es also um die Entwicklung von Diagnostika? Oder gar um die Pille gegen Einsamkeit: „Einmal Sozialibin am Tag und Sie fühlen sich wie unter Freunden“? Haben wir dafür nicht schon Alkohol und neuerdings auch Cannabis, mit bekannten Nebenwirkungen?

Wie dem auch sei. Biomarkerforschung hat was. Ich warte auf die Identifikation von Biomarkern für Dummheit, in der Hoffnung, dass man auf dieser Basis einen Impfstoff entwickeln kann. Oder wenigstens gezielt wirkende Hirnstimulanzien.