Meinung: Worüber beim Kanzlerduell keiner sprach. Was viele interessiert hätte

Viele Themen, die den Bürgerinnen und Bürgern unter den Nägeln brennen, wurden im Kanzlerduell überhaupt nicht angesprochen. Eine vertane Chance für die Politik.

Feb 10, 2025 - 16:29
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Meinung: Worüber beim Kanzlerduell keiner sprach. Was viele interessiert hätte

Viele Themen, die den Bürgerinnen und Bürgern unter den Nägeln brennen, wurden im Kanzlerduell überhaupt nicht angesprochen. Eine vertane Chance für die Politik.

Der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck meckerte schon im Vorfeld des avisierten TV-Duells zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz darüber, dass er nicht daran teilnehmen dürfe. Nun kann man geteilter Meinung sein, ob Habeck und die Grünen tatsächlich die benötigte Stimmenmehrheit bei der Bundestagswahl und damit den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung bekommen könnten. 

Aber: Der Minister hätte dem gestern ausgestrahlten TV-Duell in Form eines TV-Triells auch einen deutlich anderen Farbton geben können.  

Denn worüber stritten der Noch-Kanzler und der Kanzler-Anwärter hauptsächlich? Über Migrationspolitik, Wirtschaft und Verteidigung. Ja, das sind sicherlich alles wichtige Themen, die die Bevölkerung derzeit beschäftigen. Aber es gäbe weitaus mehr Politikbereiche zu bereden und darüber zu entscheiden, wie diese in Zukunft gestaltet werden sollen.  

War der Bundestagswahlkampf 2021 noch vom Klimawandel beherrscht und damit, wie man diesen eindämmen könnte, verloren die Kandidaten in diesem TV-Schlagabtausch darüber kaum ein Wort. Das ist umso erstaunlicher, da sich die Lage beim Klima deutlich verschlechtert hat. Das 2015 in Paris ausgerufene 1,5-Grad-Ziel zur maximalen Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts ist längst Makulatur. Das Ziel wurde bereits im vergangenen Jahr mehrmals gerissen. Sehr wahrscheinlich steuern wir auf zwei Grad Erwärmung zu, wenn nicht noch auf deutlich mehr. Doch dazu kein Wort.  

Kanzlerduell: Keiner sprach über den Klimaschutz

Dabei betrifft der Klimawandel und die dazu nötige Anpassung gerade die so viel besprochene Wirtschaft enorm und auf mannigfaltige Weise. Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat (auch wenn die Produktion von Solaranlagen heute überwiegend in China stattfindet) viele Arbeitsplätze geschaffen: in der Installation und Wartung von Anlagen etwa. Die vielfach gescholtenen Wärmepumpen entwickeln sich gerade zum Renner. 

Pressestimmen TV-Duell 10:43

Viele Hausbesitzer wollen noch schnell die Fördergelder des gescholtenen "Heizungsgesetzes" mitnehmen, bevor sie eine neue Regierung wieder einkassiert. Überhaupt finden 53 Prozent der Deutschen, dass die kommende Bundesregierung mehr Einsatz für den Klimaschutz zeigen müsse, besagt eine aktuelle Umfrage der Klima-Allianz. 

Sich nicht mit dem Klimawandel und seinen Folgen zu beschäftigen, wird auch einer künftigen Regierung nicht gelingen, ganz egal, welche (rechtsstaatlichen) Parteien sie stellen werden. Denn dass es hierzulande zu einer nächsten Hitzewelle oder zu Überschwemmungen durch Extremregen kommen wird, ist statistisch mehr als wahrscheinlich.  

Wohnungsbau: Kein Thema im Bundestagswahlkampf

Auch dass dabei wieder viele Häuser sprichwörtlich den Bach hinuntergehen werden, ist traurige Gewissheit. Dabei gibt es ja für viele Bürger ohnehin zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Das Versprechen der derzeit noch im Amt befindlichen Wohnungsbauministerin Klara Geywitz, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, wurde klar gebrochen. Doch wie soll es nun weitergehen, vor allem beim jahrelang vernachlässigten sozialen Wohnungsbau? Aber auch dazu gab es keine Antwort von Scholz und Merz. 82 Prozent der Bevölkerung halten Maßnahmen zur Förderung von bezahlbarem Wohnraum für notwendig.  

Klimaschutz im Wahlkampf 1300

Aber woher sollten die Antworten auch kommen? Denn nicht nur die beiden Spitzenkandidaten sparten viele Themen aus, die den Menschen unter den Nägeln brennen, auch die beiden Moderatorinnen, Maybrit Illner und Sandra Maischberger, umschifften sie. Auf Klimaschutz und Wohnungsnot kamen sie kaum zu sprechen, ebenso wenig wie auf Pflege, marode Infrastruktur und bessere Rahmenbedingungen für Bildungspolitik im Land. 

Auch in den auf das Duell folgenden Fernseh-Analysen bei Lanz und Co. beschäftigte sich niemand mit dem, was nicht gesagt und gefragt wurde. 

So bleibt die bittere Vermutung, dass diese alle Bundesbürger tagtäglich betreffenden Themen auch nach der Wahl und unter einer neuen Regierung nicht die notwendige Aufmerksamkeit bekommen werden. Die künftigen Ministerinnen und Minister, die diese Bereiche dann zu verantworten haben, werden, wie schon in den Legislaturperioden zuvor, kaum in Erscheinung treten. Auch das erzeugt Frust in der Bevölkerung und eine weitere Abkehr von der Politik.  

Wir müssen dringend fragen und darüber reden, worüber viele Spitzenpolitiker derzeit nicht sprechen.