"Medium-Freundinnen": Warum uns lockere Freundschaften so guttun
Tiefgang ist toll, aber nicht immer nötig. Manchmal sind es gerade unsere lockeren Verbindungen, die uns besonders guttun – das zeigen auch Studien. Ein Hoch auf unsere "Medium-Freund:innen".

Tiefgang ist toll, aber nicht immer nötig. Manchmal sind es gerade unsere lockeren Verbindungen, die uns besonders guttun – das zeigen auch Studien. Ein Hoch auf unsere "Medium-Freund:innen".
Wir sehen uns alle paar Monate, meistens zusammen mit anderen. Dann trinken wir Rosé, beobachten Leute, wünschen uns beim DJ trashige Hits. Mit ihr will ich nur genießen, im Moment leben. Deep Talk? Nö, muss nicht sein. Unsere Treffen sind wie ein Kurzurlaub: intensiv, lustig, energetisierend. Sie weiß vielleicht nicht, was ich genau arbeite – aber dafür kennt sie meinen Lieblingssong von TicTacToe und bringt mich in einer Tour zum Lachen. Mehr brauche ich in diesen Nächten nicht von ihr.
Deep Talk? Nö, muss nicht sein
Keine von uns beiden hat Zeit oder große Ambitionen, unsere Verbindung zu vertiefen – weil sie perfekt so ist, wie sie ist. Neulich schnappte ich irgendwo den Begriff "Medium-Freund:innen" auf: Niemand ist beleidigt, wenn die andere ewig nichts von sich hören lässt. Hier mal ein Käffchen, da mal ein gemeinsamer Spielplatz-Besuch mit den Kindern, dort eine Partynacht. Das reicht. Die Verbindung ist eng, ohne einzuengen – und genau deshalb machen uns "Medium-Freund:innen" laut einer neuen Studie so glücklich.
Gerade in der Rushhour des Lebens, mit Kindern und Job, fühlt sich diese Art der sehr flexiblen Verbindung befreiend an: "Medium-Freund:innen" haben (fast) keine Erwartungen, brauchen wenig Pflege – trotzdem mag man sich.
Zu viel Kontakt kann sogar schaden!
Chinesische Forschende fanden jetzt heraus, dass Menschen mit höherer "sozialer Flexibilität" glücklicher sind, also solche, die schnell Freundschaften knüpfen, aber auch wieder lösen können, wenn diese ihnen nicht guttun. Das bestätigte auch der Psychologe Oliver Huxhold vom Deutschen Zentrum für Altersforschung gegenüber "Zeit".
Etwas Abstand tue den meisten Freundschaften gut: "Wenn die Beziehungen nicht so festgelegt sind, geben sich die Leute offenbar mehr Mühe." Dazu passt auch, dass die Psychologin Olga Stavrova von der Universität Lübeck herausgefunden hat, dass wir uns am wohlsten fühlen, wenn wir Freund:innen, Kolleg:innen oder Familie nur ein Mal pro Monat treffen. "Zu viel Sozialkontakt kann auch stressig sein, besonders wenn er mit Konflikten verbunden ist", sagt die Psychologin.
Geringe Erwartungshaltung, hohe Flexibilität
Übrigens heißt das nicht, dass diese Menschen nicht auch das Potenzial hätten, mehr zu werden. Nur sind auf beiden Seiten aktuell einfach nicht die nötigen Kapazitäten da und manchmal matcht man auch nur in einem bestimmten Kontext: das gemeinsame Hobby, die Kinder, die gemeinsame Partyclique.
"Medium-Freund:innen" sind nicht die ersten, die wir anrufen, wenn unser Leben aus den Fugen gerät – wir treffen sie lieber drei Wochen später, zwecks Zerstreuung. Dabei versorgen auch sie uns oft mit guten Ratschlägen, Kontakten, Inspiration. Manchmal gibt es sogar Phasen, in denen man mehr zusammen macht, vielleicht zusammen in den Urlaub fliegt. Das nächste Wiedersehen? Stets ungewiss – sobald es mal wieder passt. Und wenn nicht, dann ist auch niemand beleidigt. Zumindest, wenn beide dieselbe (geringe) Erwartungshaltung haben.
Wenig Pflege, viele positive Vibes
Neulich traf ich meine eingangs erwähnte "Medium-Freundin" wieder. "Danke, dass du mich noch magst", flüsterte sie mit Tränen in den Augen. Sie hatte sich ein Dreivierteljahr bei niemandem mehr gemeldet. Ich antwortete: "Wie könnte ich das nicht? Ich weiß doch, dass es dir nicht gut ging. Wenn wir uns dann wiedersehen, bin ich einfach glücklich. Bitte mach dir nie wieder über so etwas Gedanken." Und dann haben wir uns umarmt und den ganzen Abend zusammen getanzt.