Langjährige Bundeswehr-Sozialstudie: Weniger Rechtsextremisten in der Truppe als in der Bevölkerung

Rechtsextremistische Haltungen sind in der Bundeswehr nicht weiter verbreitet als in der Bevölkerung. Zu diesem Ergebnis kommt eine aufwändige, mehrjährige Untersuchung eines Bundeswehr-Forschungsinstituts. Andererseits werden aber Verschwörungsmythen wie Politiker sind Marionetten unbekannter Mächte von fast einem Fünftel der befragten militärischen und zivilen Angehörigen der Bundeswehr geteilt. Und: Exakt die Hälfte der befragten Bundeswehrangehörigen ist mit Ausrüstung und Bewaffnung unzufrieden. Die Studie Armee in der Demokratie – Ausmaß, Ursachen und Wirkungen von politischem Extremismus in der Bundeswehr wurde vom Zentrum für

Apr 25, 2025 - 19:44
 0

Rechtsextremistische Haltungen sind in der Bundeswehr nicht weiter verbreitet als in der Bevölkerung. Zu diesem Ergebnis kommt eine aufwändige, mehrjährige Untersuchung eines Bundeswehr-Forschungsinstituts. Andererseits werden aber Verschwörungsmythen wie Politiker sind Marionetten unbekannter Mächte von fast einem Fünftel der befragten militärischen und zivilen Angehörigen der Bundeswehr geteilt. Und: Exakt die Hälfte der befragten Bundeswehrangehörigen ist mit Ausrüstung und Bewaffnung unzufrieden.

Die Studie Armee in der Demokratie – Ausmaß, Ursachen und Wirkungen von politischem Extremismus in der Bundeswehr wurde vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam erstellt – begonnen vor fast fünf Jahren. Im Zusammenhang mit – nicht nur – rechtsextremistischen Vorfällen beim Kommando Spezialkräfte (KSK) des Heeres hatte die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im Juni 2020 Umstrukturierungen in der Elitetruppe verfügt. Als Teil des Maßnahmenpakets war auch eine wissenschaftliche Studie zum politischen Extremismus in der Bundeswehr vorgesehen, mit der das ZMSBw im Juli 2020 beauftragt wurde. Die Studie wurde am (heutigen) Freitagnachmittag veröffentlicht.

Als wesentlichen Auftrag sollte die Untersuchung eine Antwort auf die Frage liefern, wie groß das Ausmaß und was die Ursachen extremistischer Einstellungen unter den Angehörigen der Bundeswehr sind, sowohl unter den Soldaten und Soldatinnen als auch unter den zivilen Beschäftigten. Dafür wurde in einer gewichten Stichprobe der Bundeswehrangehörigen ein umfangreicher Fragenkatalog abgearbeitet. Zur Gegenprüfung wurden die entsprechenden Fragen von zivilen Umfrageinstituten bei einer repräsentativ ausgewählten Bevölkerungsstichprobe gestellt.

Bei der Frage nach rechtsextremistischen Einstellungen neigten die Angehörigen der Bundeswehr, sowohl militärisch als auch zivil, deutlich weniger solchen Haltungen zu als die Bevölkerung insgesamt: Während der Anteil von Personen mit konsistent rechtsextremistischen Einstellungen in der Bevölkerung bei 5,4 Prozent lag, ergaben die Umfragen für Soldaten und Soldatinnen einen Wert von 0,4 und die zivilen Beschäftigten von 0,8.

Zwar räumten die Wissenschaftler des ZMSBw ein, dass bei der Frage nach rechtsextremistischen Einstellungen in der Bundeswehr von einer Tendenz zu sozial erwünschtem Antwortverhalten auszugehen ist. Das genaue Ausmaß sei deshalb nicht zu bestimmen. Die Ergebnisse der Studie – neben Datenerhebungen mit Umfragen auch Gruppengespräche und -Interviews – erlaubten aber den Schluss, dass der Anteil der Menschen mit rechtsextremistischem Weltbild auf keinen Fall höher liege als in der Gesamtbevölkerung, sondern darunter.

Unterschiede gab es zudem bei Detailfragen nach rechtsextremistischer Einstellung: Eher finden sich bei den Soldatinnen und Soldaten konsistente fremdenfeindliche (3,5 Prozent) oder chauvinistische Einstellungsmuster (6,4 Prozent), heißt es in der Studie. Allerdings könnten Aussagen, die in der Literatur als chauvinistisch gekennzeichnet sind, unter den Besonderheiten des Soldatenberufs eine andere Bedeutung haben.

Während diese höheren Werte dennoch deutlich unter den Werten für die entsprechenden Ansichten in der Bevölkerung liegen, sieht das bei einigen Antworten nach den Positionen der so genannten Reichsbürger und nach Verschwörungsmythen anders aus. In diesem Bereich ist auffällig, dass klassische Schwurbler-Themen (Der Klimawandel ist nicht wissenschaftlich erwiesen; Hinter der Corona-Pandemie stecken böse, verborgene Mächte; Die Bundesrepublik Deutschland ist kein legitimer Staat) nur von drei bis fünf Prozent der Bundeswehrangehörigen geteilt werden – in der Bevölkerung sind es zum Teil deutlich mehr als zehn Prozent.

Das gilt aber nicht für Positionen, die in der Studie auch zum Reichsbürger-Umfeld gezählt werden. So stimmten 20,5 Prozent der militärischen und 23,4 Prozent der zivilen Bundeswehrangehörigen der Aussage zu Es gibt geheime Organisationen, die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben – in der Bevölkerung insgesamt waren es 17,5 Prozent. Für die Aussage Politiker und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte sprachen sich mit 17,5 Prozent der Soldaten und Soldatinnen und 19,2 Prozent der zivilen Mitarbeiter ungefähr ebensoviele Menschen aus wie in der Gesamtbevölkerung (20,8 Prozent). Auch die Ansicht Die Medien und die Politik stecken unter einer Decke fand bei 18,1 Prozent der befragten Soldaten und Soldatinnen Zustimmung, dagegen bei 15,1 Prozent der zivilen Angehörigen – und bei 21,6 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Auffällig ist, offenkundig unabhängig von extremistischen Einstellungen oder der Neigung dazu, die Wahrnehmung unter Soldaten und Soldatinnen im Hinblick auf gesellschaftliche Unterstützung. Aus der Studie:

Während unter den Soldatinnen und Soldaten lediglich 11,0 Prozent davon ausgehen, dass die Bevölkerung hinter der Bundeswehr steht, stimmen mehr als die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger (51,8 Prozent) dieser Aussage zu. Noch drastischer ist der Unterschied hinsichtlich der Unterstützung durch die Politik: 12,9 Prozent der Soldatinnen und Soldaten haben den Eindruck, dass die Politik hinter der Bundeswehr steht, in der Bevölkerung sind es 60,6 Prozent.

Dass dadurch rechtsextremistische Neigungen nicht verstärkt werden, wie es in der Untersuchung heißt, ist zwar einseits beruhigend – andererseits aber auch ein Besorgnis erregendes Anzeichen für einen Spalt zwischen den Staatsbürger in und ohne Uniform. Dazu gehört dann auch die – nur an die Bundeswehrangehörigen gestellte – Frage nach verschiedenen Aspekten der Zufriedenheit im Dienst. Auf die Frage Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie, alles in allem, mit … Ausrüstung und Bewaffnung Ihrer Einheit bzw. materielle Ausstattung Ihrer Dienststelle? fiel die Antwort recht eindeutig aus: 21,1 Prozent waren sehr unzufrieden, 28,9 Prozent eher unzufrieden: Zusamengenommen exakt die Hälfte.

Die komplette Studie steht hier zum Download (und hier als Sicherungskopie: 30-05-01-zmsbw-forschungsbericht-138-armee-in-der-demokratie-data). Das ZMSBw hat darüber hinaus weitere Materialien dazu online gestellt.