Hauptversammlung: Vier Gründe, warum der Bayer-Konzern enttäuscht

Der Bayer-Konzern lädt zur Hauptversammlung. Statt Würstchen in Präsenz müssen die Aktionäre mit einer Hybrid-Veranstaltung vorliebnehmen. Die Bilanz von Vorstandschef Bill Anderson verdirbt wohl ohnehin vielen den Appetit

Apr 25, 2025 - 10:56
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Hauptversammlung: Vier Gründe, warum der Bayer-Konzern enttäuscht

Der Bayer-Konzern lädt zur Hauptversammlung. Statt Würstchen in Präsenz müssen die Aktionäre mit einer Hybrid-Veranstaltung vorliebnehmen. Die Bilanz von Vorstandschef Bill Anderson verdirbt wohl ohnehin vielen den Appetit

Noch vor zehn Jahren gehörte Bayer zu den wertvollsten Unternehmen in Deutschland, heute rangiert der Konzern im unteren Ende des deutschen Leitindexes Dax. Eine traurige Bilanz. Als der US-Amerikaner Bill Anderson im Juni 2023 den Chefposten beim Agrar- und Pharmariesen übernahm, ruhten große Hoffnungen auf ihm. Doch der Manager hat das Ruder bisher nicht herumreißen können. Der Aktienkurs hat sich seit seinem Amtsantritt mehr als halbiert, der Gewinn (vor Steuer, Abschreibungen, Zinsen) ist weiter gesunken, die Aussichten in der Agrar- und Pharmasparte durchwachsen. Auf der virtuellen Hauptversammlung am Freitag wird es um vier Großbaustellen gehen:

Schlanker, aber wo bleibt der Erfolg 

„Dynamic Shared Ownership“ heißt Bill Andersons Ansatz für eine neue Zusammenarbeit der über 90.000 Bayer-Beschäftigten in aller Welt, wonach, frei übersetzt, jeder Mitarbeiter agiert wie ein Unternehmer. Seit Herbst 2023 hat Bayer das Programm sukzessive ausgerollt, mehr als 1000 neue Teams arbeiten nun nach diesem Prinzip. Sechs von ehemals zwölf Managementebenen sind weg, 7000 Führungskräfte aus dem mittleren Management wurden 2024 abgebaut, 500 Mio. Euro Kosten eingespart. Im nächsten Jahr und übernächsten Jahr sollen die Personalkosten um insgesamt 2,8 Mrd. Euro weiter reduziert werden. 

Kosten runter, aber wo bleiben die Erfolge – fragt Ingo Speich, Leiter Corporate Governance bei Deka Investment, anlässlich der Hauptversammlung in einem offenen Brief an Anderson. Das Restrukturierungsprogramm Dynamic Shared Ownership müsse „Ergebnisse über die Kostensynergien hinaus erzielen“, fordert er. „Sonst läuft Ihnen und den mehr als 90.000 Bayer-Beschäftigten die Zeit davon.“ 

Die Glyphosat-Klagewelle läuft und läuft

Seit Bayer im Jahr 2018 den Agrarkonzern und Glyphosaterfinder Monsanto übernommen hat, rollt die Klagewelle vor US-Gerichten. Annähernd 180.000 Kläger in den USA führten ihre Krebserkrankung auf Monsantos Glyphosat-haltigen Unkrautvernichter Round-up zurück. Zweistellige Milliarden Euro-Beträge gingen seither für Rechtsstreitigkeiten, Vergleiche und Schadenersatzzahlungen drauf. Diese Prozesswelle endlich zu brechen, gehörte – wenig verwunderlich – von Anfang an zu den dringlichsten Aufgaben Andersons. Gelungen ist es dem US-Amerikaner bisher nicht, auch wenn er vieles versucht hat, vom Antichambrieren im Weißen Haus, offensiver Lobbyarbeit bei den US-Abgeordneten oder ein Bündnis mit US-Farmern, deren Ernten ohne Glyphosat viel geringer ausfallen würden. Ende Januar waren noch 67.000 Fälle offen.

Nun obliegt es dem Obersten Gerichtshof der USA zu entscheiden, ob Bayer zu Glyphosat-Schadenersatz verdonnert werden darf oder nicht. Denn tatsächlich gibt es einen nicht lösbaren Widerspruch im Rechtssystem. So fordern Laienjurys regelmäßig, dass Bayer Warnhinweise auf seine Kanister kleben müsste, doch Bayer hält dagegen, dass dies weder erlaubt noch notwendig sei. Denn Regulierungsbehörden weltweit hätten das Pflanzenschutzmittel als unbedenklich deklariert und die US-Umweltbehörde EPA Warnhinweise als Irreführung der Konsumenten untersagt. Mitte 2026 könnte das Urteil fallen. Vorsorglich aber bittet Anderson seine Aktionäre bereits um frisches Geld (auf der HV wird über eine Kapitalerhöhung abgestimmt), um notfalls weitere Reserven für Schadenersatzzahlungen zu haben.

Verliert Bayer vor Gericht, wäre eine Zerschlagung des Konzerns kaum aufzuhalten. Erstmals aber lässt der Bayer-CEO auch durchblicken, dass es für Bayer vorstellbar ist, das Geschäft mit dem Unkrautvernichter in den USA einzustellen. In seiner schon am Donnerstag verbreiteten HV-Rede sagt Anderson, dass Bayer langsam an einen Punkt komme, „an dem uns die Klageindustrie zwingen könnte, die Vermarktung dieses systemkritischen Produktes einzustellen“. 

Zu wenig Innovationen in Bayers Agrargeschäft 

Im Agrargeschäft rächt sich, dass Bayer bis heute keine umweltverträgliche und effiziente Alternative zu Glyphosat entwickelt hat. Seit Jahren angekündigt, ist ein Starttermin nicht in Sicht. Hinzukommt, dass sich die Glyphosat-Produktion für Bayer inzwischen immer weniger lohnt. Asiatische Hersteller produzieren Pflanzenschutzmittel heute billiger und massenweise. „Europäische und amerikanische Produzenten können da nicht mehr mithalten“, so Anderson jüngst in einem Interview. Fraglich ist nun, wie schnell Bayer eine Innovation im Bereich Unkrautvernichter präsentieren kann, der den einstigen Blockbuster Glyphosat ablöst. Angekündigt hat Bayer in den nächsten zehn Jahren zehn Blockbuster-Produkte (jeweils mehr als 500 Mio. Euro Umsatz) auf den zu Markt bringen, um Landwirte weltweit mit neuen Technologien zu unterstützen.

Eine schwächelnde Pharmapipeline

Sicher, Anderson hatte auch Pech. Im November 2023 platzte die größte Hoffnung der Pharmasparte: Der Gerinnungshemmer Asundexian sollte Spitzenumsätze von mehr als 5 Mrd. Euro jährlich bringen und hätte auslaufende Bestseller auf Jahre hin ersetzen können. In der Pipeline sind ein gutes Dutzend neuer Wirkstoffe, doch eher im Bereich Phase 1 als Phase 2 oder 3, sprich noch weit weg von einer möglichen Vermarktung und einem neuen Blockbuster. 

Dass Bayer hier im Hintertreffen sei, führt Ingo Speich auf fehlendes Geld zurück: „Das Geld für Akquisitionen scheint durch die hohe Verschuldung und die Klagewellen zu knapp zu sein.“ Es stelle sich insgesamt die Frage, ob eine Pharma-Firma mittlerer Größe überhaupt beim Forschungs- und Entwicklungsaufwand gegen die ganz Großen mithalten kann. Bayer selbst hofft, dass das Pharmageschäft bis 2027 wieder wächst und ein Jahr später auch die Marge wieder nach oben geht. Bis 2030 will die Sparte pro Jahr zwischen 25 und 30 Mrd. Euro umzusetzen. 2024 schaffte die Pharmadivision gut 18,13 Mrd. Euro. Allerdings könnte das Pharmageschäft in Deutschland durch mögliche neue Zölle der US-Amerikaner leiden, weiß auch Anderson. Die Produktion von Wirkstoffen zu verlagern, sei aber nicht ohne weiteres möglich und zudem mit erheblichen Kosten verbunden.