Handelskrieg: China-Zölle im Tausch gegen Tiktok – wird das Trumps erster Zoll-Deal?
Im Konflikt mit China macht US-Präsident Donald Trump Tiktok zum Faustpfand: Nur wenn Peking grünes Licht für den Verkauf gibt, will er über Zollnachlässe reden. Ein realistisches Szenario?

Im Konflikt mit China macht US-Präsident Donald Trump Tiktok zum Faustpfand: Nur wenn Peking grünes Licht für den Verkauf gibt, will er über Zollnachlässe reden. Ein realistisches Szenario?
Amerikas oberster Dealmaker ist – so scheint es – wieder einmal in seinem Element: Kurz bevor in den USA die Frist für den Verkauf von Tiktok abläuft, hat Präsident Donald Trump eine Einigung in Aussicht gestellt: „Wir sind kurz davor, eine Vereinbarung mit einer sehr guten Gruppe von Leuten zu treffen“, sagte Trump. Sollte der chinesische Mutterkonzern Bytedance die enorm populäre Videoplattform nicht veräußern, droht Tiktok ein Verbot in den Vereinigten Staaten. Die dafür gesetzte Frist läuft am Samstagmorgen (5. April) um 6 Uhr mitteleuropäischer Zeit ab.
Laut Medienberichten besteht die aussichtsreichste Lösung für Tiktok darin, dass bisherige Investoren der Plattform ihre Anteile verwenden, um eine neue und von Bytedance unabhängige Tiktok-Firma zu gründen. Zusätzliche Investoren würden demnach zu dieser neuen Firma hinzugeholt werden, darunter der Software-Konzern Oracle und die Investmentgesellschaft Blackstone.
„Für China ist Tiktok ein akzeptables Opfer“
Trump ließ an Bord seiner Präsidentenmaschine durchblicken, dass Tiktok Bestandteil eines möglichen Handelsabkommens mit China sein könnte, bei dem auch die jüngsten US-Zölle auf chinesische Importe zur Sprache kommen. Auf die Frage, ob er offen für Verhandlungen über Zölle mit anderen Ländern sei, antwortete er: „Solange sie uns etwas Gutes geben. Zum Beispiel Tiktok.“ Trump gab sich diesbezüglich siegessicher: Die Zölle verliehen den USA eine „große Verhandlungsmacht“.
Dass Peking dem Vorschlag ohne weiteres zustimmt, ist jedoch keineswegs ausgemacht – allem Zolldruck zum Trotz. China kündigte am Freitag erst einmal hohe Gegenzölle an. Auf alle US-amerikanischen Waren werde ab nächster Woche (10. April) ebenfalls ein zusätzlicher Zoll in Höhe von 34 Prozent erhoben.
Der Technologie-Experte Philipp Klöckner wertet Trumps Angebot eher als Zeichen der Schwäche: „Trump steht unter Druck, weil er den russischen Angriffskrieg nicht stoppen konnte und die Börsen unter seiner Wirtschafts- und Handelspolitik leiden“, sagte Klöckner auf Anfrage von Capital. Für ihn steckt der US-Präsident in einem Dilemma.
Sollte Trump etwa den US-Ableger von Tiktok enteignen oder schließen, würde dies außerhalb der westlichen Welt propagandistisch interpretiert, so Klöckner. Falls er auch diesen Deal nicht mache, wirke er zunehmend angeschlagen. Trump habe sich gegenüber Russland und China in eine unmögliche Verhandlungsposition begeben, da er beiden Mächten bereits angekündigt habe, wie er gewinnen wolle, und jede Blockade nun automatisch zur Niederlage führe. Peking werde deshalb wahrscheinlich „weiter pokern“, glaubt Klöckner – auch, weil Tiktok mit einer Bewertung von rund 50 Mrd. Dollar für China „ein akzeptables Opfer“ sei.
Tiktok-Streit: China setzt US-Firmen auf schwarze Liste
Dies bestätigte auch die Meldung, dass Peking neben den Gegenzöllen elf US-Unternehmen auf eine schwarze Liste setzte, was es für diese de facto unmöglich macht, weiter Handel in China oder mit chinesischen Firmen zu betreiben.
Die Reaktion aus dem Weißen Haus kam prompt: „China hat es falsch gemacht, sie sind in Panik geraten – die eine Sache, die sie sich nicht leisten können“, schrieb Trump in Großbuchstaben in einem Beitrag auf seiner Social-Media-Plattform. Der US-Präsident hatte erst am Mittwoch neue Zölle gegen China in Höhe von 34 Prozent verhängt, sie sollen am kommenden Mittwoch in Kraft treten. Zusammen mit vorherigen Importgebühren summieren sich die seit Trumps Amtsantritt im Januar gegen China verhängten Zollaufschläge auf 54 Prozent.
Wie hart treffen China Trumps Zölle wirklich?
Eine wichtige Frage in der Tiktok-Causa ist auch, wie sehr China tatsächlich unter den Zöllen leidet und wer in diesem Konflikt letztlich am längeren Hebel sitzt. Laut Jacob Gunter, leitender Analyst beim Mercator Institute for China Studies, hat die US-Handelspolitik zwar ernsthafte Folgen für beide Seiten, China sieht der Experte jedoch auf der Verliererseite. „Die neuen Zölle kommen für China zur Unzeit, da es ohnehin mit einem wirtschaftlichen Abschwung kämpft“, sagte Gunter zu Capital.
Dadurch verschärfe sich das Problem der industriellen Überkapazitäten Chinas zusätzlich, da viele chinesische Unternehmen auf den Export angewiesen sind, um überhaupt Gewinne zu erzielen. „Der Verlust des wohlhabenden und großen US-Marktes mit seiner kaufkräftigen Mittelschicht wird für viele chinesische Exporteure ein erheblicher Schlag sein“, betonte Gunter. Dies würde im Umkehrschluss bedeuten, dass die Verhandlungsmasse, die Trump mit Tiktok besitzt, doch größer sein könnte als zunächst angenommen.
Verlängert Trump das Tiktok-Ultimatum?
Andererseits hat sich China zuletzt durchaus unbeeindruckt von Zöllen gezeigt, mit dem Wegfall des US-Automarkts hat man sich mehr oder weniger abgefunden. China-Experte Gunter hält es für wahrscheinlich, dass Peking nun verstärkt die Nähe zu nicht-westlichen Partnern sucht – etwa in südlichen Entwicklungsländern. „Dadurch könnte China sich als der verlässlichere Partner präsentieren, selbst wenn das nicht immer ein gutes Geschäft bedeutet. Denn China hat mit fast allen Handelspartnern einen Handelsüberschuss“, so Gunter. Da Trump aber inzwischen alle Länder mit Zöllen belegt habe, werde diese Strategie jetzt teurer und komplizierter.
Womöglich knickt US-Präsident nach den jüngsten Gegenzöllen der Chinesen aber selber noch ein. „Es ist gut möglich, dass Trump im Zweifelsfall das Ultimatum verlängern wird“, glaubt Technologie-Experte Philipp Klöckner. Nicht zuletzt liege ins Trumps eigenem Interesse, dass Tiktok weiterhin Stimmung für ihn mache, sagt Klöckner: „Er profitiert von den Inhalten, die die Platform ausspielt.“