Fragen an Finanzexpertin: Ist nachhaltiges Investieren out, Claudia Müller?
Kriege, Krisen, Inflation und neue Zölle – die weltpolitischen Entwicklungen lassen Nachhaltigkeit scheinbar in den Hintergrund rücken. Gilt das auch für die Geldanlage? Ist nachhaltiges Investieren überhaupt noch zeitgemäß – und rentabel? Finanzexpertin und ETF-Coachin Claudia Müller, Autorin von „Meine Finanzen meistern für Dummies“, erklärt, warum nachhaltiges Investieren gerade jetzt relevant ist, wie Frauen auch mit kleinem Budget an der Börse starten – und weshalb Krisenzeiten oft der beste Moment für den Einstieg sind.

Kriege, Krisen, Inflation und neue Zölle – die weltpolitischen Entwicklungen lassen Nachhaltigkeit scheinbar in den Hintergrund rücken. Gilt das auch für die Geldanlage? Ist nachhaltiges Investieren überhaupt noch zeitgemäß – und rentabel?
Finanzexpertin und ETF-Coachin Claudia Müller, Autorin von „Meine Finanzen meistern für Dummies“, erklärt, warum nachhaltiges Investieren gerade jetzt relevant ist, wie Frauen auch mit kleinem Budget an der Börse starten – und weshalb Krisenzeiten oft der beste Moment für den Einstieg sind.
Claudia Müller ist unabhängige Finanzexpertin, ETF-Coachin und Autorin des Buches "Meine Finanzen meistern für Dummies". In ihrem Buch thematisiert sie unter anderem nachhaltiges Investieren. Von ihr wollten wir wissen, ob Nachhaltigkeit "out" ist, wie man als Anfängerin an der Börse starten kann und ob sich Investieren in Krisenzeiten überhaupt lohnt.
„Sparen Sie noch oder investieren Sie schon?“ – so heißt ein Kapitel in deinem neuen Buch "Finanzen meistern für Dummies". In Krisenzeiten fragen sich viele: Lohnt sich Investieren an der Börse überhaupt noch?
Claudia Müller: Gerade Krisenzeiten bieten hervorragende Einstiegsmöglichkeiten: Ein Börsencrash ist quasi ein Schlussverkauf, in dem wir für wenig Geld mehr Börsenanteile kaufen können. Langfristig gesehen haben sich die Märkte immer wieder erholt, und wer nur spart, verliert durch Inflation an Kaufkraft – Investieren bietet die Chance, das Geld zu vermehren und auch Krisen zu überstehen. Wichtig ist, während des Absturzes nicht in Panik zu verfallen und zu verkaufen. Die Geschichte zeigt: Wer regelmäßig investiert und Geduld hat, wird meist belohnt
Wenig Geld, keine Erfahrung – wie schaffen Anfängerinnen trotzdem den Einstieg an der Börse?
Man braucht nur 1 €, um an der Börse zu starten; die Ausrede, zu wenig Geld zum Investieren zu haben, lasse ich also nicht gelten. Und falls man mit diesem einen Euro Fehler macht, verliert man halt einen Euro; auch das wird keine Auswirkungen auf den Jahresurlaub haben. Es ist nicht nötig, alles sofort zu verstehen – wichtiger ist, einfach anzufangen und Schritt für Schritt dazuzulernen. So wächst das Wissen ganz automatisch mit der eigenen Erfahrung. Besonders hilfreich ist es, sich mit anderen auszutauschen, zum Beispiel in Finanz-Communities oder Foren oder auch einfach mit der besten Freundin.
Nachhaltigkeit scheint aktuell politisch stärker aus dem Fokus zu rücken. Was sagst du: Ist Nachhaltigkeit wirklich out – oder wichtiger denn je?
Nachhaltigkeit ist keineswegs out – sie ist sogar wichtiger denn je, gerade weil politische Unterstützung schwankt. Die Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und soziale Gerechtigkeit bleiben bestehen und werden langfristig immer relevanter. Wer heute nachhaltig investiert, unterstützt Unternehmen, die zukunftsfähige Lösungen bieten. Das kann sich auch finanziell auszahlen, weil nachhaltige Unternehmen oft besser aufgestellt sind, um kommende Krisen und Regulierungen zu meistern. Deshalb lohnt sich der Fokus auf Nachhaltigkeit gerade jetzt.
Lohnt sich nachhaltiges Investieren noch – z. B. mit dem MSCI World SRI oder Alternativen?
Leider sind die nachhaltigen ETFs im aktuellen Börsencrash stärker abgestürzt als die traditionellen Anlagen. Das liegt vor allem daran, dass die Rüstungsindustrie stark gestiegen ist, und die ist in den nachhaltigen ETFs nicht enthalten. Dennoch muss sich gerade die ökologische Nachhaltigkeit langfristig durchsetzen, denn der Klimawandel (und damit die Notwendigkeit von Klimaschutz und auch von Anpassungsstrategien an den Klimawandel) ist nun mal Realität. Nachhaltige ETFs bieten eine breite Streuung und schließen Unternehmen aus, die Umwelt oder Gesellschaft schaden. Studien zeigen, dass nachhaltige Anlagen langfristig mindestens genauso rentabel sein können wie klassische Investments.
Was bedeutet nachhaltiges Investieren eigentlich – und woran erkenne ich, ob ein Produkt wirklich nachhaltig ist?
Nachhaltiges Investieren bedeutet, Geld in Unternehmen zu stecken, die Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung (ESG) berücksichtigen. Wirklich nachhaltige Produkte erkennt man an unabhängigen Siegeln wie dem FNG-Label (Forum Nachhaltige Geldanlage) oder daran, dass sie klare Ausschlusskriterien für problematische Branchen haben. Transparenz ist entscheidend: Gute Anbieter legen offen, wie sie Unternehmen auswählen und bewerten. Es lohnt sich, die Kriterien genau anzuschauen und auch auf die Zusammensetzung des Fonds/ETFs zu achten. So kann man sicherstellen, dass das Investment wirklich den eigenen Werten entspricht.
Rüstung und fossile Energien boomen wieder – viele Anleger:innen hoffen auf schnelle Gewinne. Wie bewertest du diesen Trend? Muss man sich heute zwischen Rendite und Moral entscheiden?
Kurzfristig mögen Rüstung und fossile Energien Gewinne bringen, aber langfristig sind diese Branchen mit hohen Risiken verbunden – etwa durch politische Veränderungen oder strengere Regulierungen. Nachhaltige Unternehmen hingegen sind oft innovativer und besser auf die Zukunft vorbereitet. Man muss sich nicht zwischen Rendite und Moral entscheiden: Viele nachhaltige Investments bieten solide Erträge und ein gutes Gewissen. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, dass Geld auch immer eine Wirkung hat – und dass nachhaltiges Investieren langfristig oft die bessere Wahl sein kann.
© Wiley-VCH
Unterscheiden sich Frauen und Männer beim Investieren – insbesondere, wenn es um Nachhaltigkeit geht?
Ja, Studien zeigen, dass Frauen beim Investieren oft vorsichtiger, langfristiger und werteorientierter vorgehen als Männer. Sie interessieren sich häufiger für nachhaltige Anlagen und legen Wert darauf, dass ihr Geld sinnvoll eingesetzt wird. Männer sind dagegen oft risikofreudiger und handeln häufiger kurzfristig. Diese unterschiedlichen Ansätze können sich ergänzen – und zeigen, wie wichtig es ist, die eigenen Werte und Ziele beim Investieren zu kennen. Gerade Frauen sind daher oft Vorreiterinnen beim nachhaltigen Investieren und erzielen gleichzeitig höhere Renditen als Männer!
Dein Buch richtet sich an Einsteiger:innen – was ist ein Quick Fix, den wirklich jede:r sofort umsetzen kann?
Ich bin überzeugt davon, dass Aktien (z.B. in Form von ETFs) für die Altersvorsorge unerlässlich sind. Allerdings sollte man vorher einen Notgroschen angespart haben, und das würde ich als ersten Schritt empfehlen: Einen Dauerauftrag auf ein Tagesgeldkonto und dort ca. 3 Monatsgehälter parken. Wenn der Notgroschen gefüllt ist, sollte der nächste Schritt an die Börse gehen. Das geht bei vielen Banken oder Online-Brokern in wenigen Minuten und erfordert kein großes Vorwissen. Wer diese Schritte geht, legt den Grundstein für finanzielle Unabhängigkeit. Einfach starten – und dann dranbleiben!