Drei-Milliarden-Hilfspaket für die Ukraine kommt – Jetzt sieht auch SPD zeitlichen Druck

Vor der Bundestagswahl hatte die umstrittene Nicht-Freigabe von drei Milliarden Euro zur Unterstützung der Ukraine zwischen den verbliebenen Koalitionspartnern SPD und Grüne heftigen Streit ausgelöst. Jetzt kommt diese Summe nun doch, und ausgerechnet der SPD-Finanzminister Jörg Kukies, dessen Kanzler Olaf Scholz das Paket blockiert hatte, organisiert die Freigabe. Die Gründe erläuterte Sarah Ryglewski, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium (BMF), am (gestrigen) Dienstag in einem Schreiben an den Haushaltsausschuss des Bundestages. Das Gremium soll am kommenden Freitag über die Freigabe beraten. Überraschend

Mär 19, 2025 - 23:35
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Vor der Bundestagswahl hatte die umstrittene Nicht-Freigabe von drei Milliarden Euro zur Unterstützung der Ukraine zwischen den verbliebenen Koalitionspartnern SPD und Grüne heftigen Streit ausgelöst. Jetzt kommt diese Summe nun doch, und ausgerechnet der SPD-Finanzminister Jörg Kukies, dessen Kanzler Olaf Scholz das Paket blockiert hatte, organisiert die Freigabe.

Die Gründe erläuterte Sarah Ryglewski, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium (BMF), am (gestrigen) Dienstag in einem Schreiben an den Haushaltsausschuss des Bundestages. Das Gremium soll am kommenden Freitag über die Freigabe beraten.

Überraschend ist in dem Brief eigentlich nur der zeitliche Druck, der da genannt wird (Die Verkündung des Haushaltgesetzes 2025 kann daher nicht abgewartet werden) – vor der Wahl wurde das von der SPD offensichtlich nicht so gesehen. Die wesentlichen Punkte des BMF-Schreibens:

Vorläufige Haushaltsführung 2025;
Vorherige Zustimmung gemäß § 37 Absatz 4 Satz 2 BHO zur beabsichtigten Einwilligung des Bundesministeriums der Finanzen in eine überplanmäßige Ausgabe bis zur Höhe von 2.546.954 T Euro und Unterrichtung gemäß § 4 Absatz 2 Satz 5 HG 2024 i. V. m. § 21 HG 2 über die beabsichtigte Erteilung einer außerplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung bis zur Höhe von insgesamt 8.252.260 T Euro bei Kapitel 6002 Titel 687 03 – Ertüchtigung von Partnerstaaten im Bereich Sicherheit, Verteidigung und Stabilisierung –

Der überplanmäßige und der außerplanmäßige Bedarf dient vorwiegend der Unterstützung der Ukraine durch die Beschaffung militärischer Ausrüstung bei der Rüstungsindustrie und Lieferung an das ukrainische Militär auf Grundlage der mit der Ukraine geschlossenen Zuwendungsvereinbarung im Rahmen der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung (EIBReg). Daneben dient der Mehrbedarf der Wiederbeschaffung von an die Ukraine abgegebenem Material der Bundeswehr, die aus dem Ertüchtigungstitel geleistet wird. Außerdem werden mit einem geringen Anteil der üpl. Ausgaben Mittel für die ergänzende Ertüchtigung der zivilen und militärischen Sicherheitskräfte Moldaus zur Verfügung gestellt, das im Zuge der moldauischen Präsidentschaftswahlen und des Referendums über die Verfassungsänderung für einen Beitritt zur Europäischen Union am 20. Oktober und 3. November 2024 unmittelbar vom russischen Vorgehen in seiner Sicherheit und Stabilität bedroht wurde sowie im Hinblick auf die vermutlich im Herbst 2025 stattfindenden Parlamentswahlen voraussichtlich bedroht sein wird.
Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, die Ukraine in ihrer Verteidigung so lange wie nötig und mit den notwendigen militärischen Maßnahmen zu unterstützen. Am 16. Februar 2024 unterzeichneten die Bundesrepublik Deutschland und die Ukraine die Vereinbarung über Sicherheitszusammenarbeit und langfristige Unterstützung der Ukraine. Sie fußt auf einer gemeinsamen Erklärung der G7, EU und Ukraine beim NATO-Gipfel in Vilnius am 12. Juli 2023. In der bilateralen Vereinbarung erklärt die Bundesregierung ihre Absicht, langfristige militärische Unterstützung für die ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte bereitzustellen, um die territoriale Unversehrtheit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen in vollem Umfang wiederherzustellen. Die Erfüllung dieser Vereinbarung, die seitens der Bundesregierung erklärte sicherheitspolitische und militärische Unterstützung der Ukraine, liegt mithin im sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands.
Für die bedarfsgerechte Ausstattung der ukrainischen Streitkräfte mit Material und Waffen, hauptsächlich in den Bereichen Luftverteidigung, Schutz- und Spezialausstattung, Durchhaltefähigkeit, Drohnen, geschützte Fahrzeuge, Panzerhaubitzen, Kampfpanzer und Schützenpanzer, müssen im ersten Halbjahr 2025 zahlreiche weitere Beschaffungsverträge unverzüglich abgeschlossen werden.
Die deutliche Beschleunigung der russischen Geländegewinne seit Sommer 2024, der unerwartete Fall der strategisch wichtigen ukrainischen Verteidigungsstellungen in Wuhledar, die partielle Umschließung des logistisch bedeutenden Knotenpunktes Pokrowsk und der massive russische Beschuss auch ziviler Ziele wie kritischer Energieinfrastruktur haben die militärische Situation und die Lage der Zivilbevölkerung in der Ukraine in den vergangenen Monaten erheblich verschlechtert. Die kontinuierliche Steigerung der Anzahl der von Russland eingesetzten Drohnen überlastet zunehmend die verfügbaren Kapazitäten der ukrainischen Luftverteidigung. Zudem sind Unwägbarkeiten und Unsicherheiten hinsichtlich einer Fortführung der US-Unterstützungsleistungen im bisherigen Maße entstanden, die die militärische Planung und Logistik im
erheblichen Umfang erschweren und sich in einem erhöhten Unterstützungsbedarf niederschlagen. Durch das bisherige Ausbleiben einer Bereitstellung spezifischer neuer US-Haushaltsmittel durch den US-Kongress für die militärische Unterstützung der Ukraine drohen spätestens ab dem 2. Quartal 2025 Versorgungslücken.
(…)
Das Bedürfnis ist unvorhergesehen. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Regierungsentwurfs des Bundeshaushalts 2025 waren die aufgrund der Kriegsentwicklung sehr volatilen Bedarfe der ukrainischen Streitkräfte sowie die für einen Vertragsschluss notwendigen konkreten Mehrbedarfe nicht zu antizipieren. Auch die außen- und sicherheitspolitischen Entwicklungen in Moldau, die entstandenen Unwägbarkeiten und Unsicherheiten hinsichtlich eines Rückzugs der USA aus der Unterstützung der Ukraine und deren Implikationen für Europa, konnten nicht vorhergesehen werden. Zudem gab es relevante Veränderungen in Bezug auf die Nutzbarkeit der Mittel
aus dem G7 ERA-Kredit für die Finanzierung militärischer Unterstützungsbedarfe: Anders als ursprünglich geplant, wickeln die USA ihren Beitrag vollumfänglich und nicht lediglich zur Hälfte über den Financial Intermediary Fund (FIF) bei der Weltbank ab. Hiermit ist der US-Beitrag nicht mehr direkt für militärische Zwecke nutzbar. Japan wird ebenfalls 100 % seines Beitrags über die Weltbank leisten. Kanada wird seinen Beitrag zwischen Weltbank und IWF-Trustfonds aufteilen. Dies führt dazu, dass erheblich weniger Mittel unmittelbar für die militärische Verwendung für die Ukraine zur Verfügung stehen.
Die Mehrausgaben und die Verpflichtungsermächtigung sind sachlich unabweisbar, da wegen der sich kontinuierlich verschlechternden militärischen Lage in der Ukraine die schwerwiegende Gefahr besteht, dass die Ukraine ohne eine deutlich gesteigerte materielle Unterstützung in ihrem Verteidigungskampf unterliegt. Vor dem Hintergrund der starken und stetigen Abnutzung sind die von der Ukraine identifizierten Rüstungsgüter für eine fortgesetzte Verteidigung signifikant. Die Einhaltung der auf höchster politischer Ebene gemachten Unterstützungszusagen der Bundesregierung an die Ukraine, die in internationale Erklärungen und Vereinbarungen eingebettet sind, liegt im staatlichen Interesse. Bei einem Ausbleiben der umfänglichen Unterstützung droht ansonsten schwerwiegender Schaden für das Ansehen Deutschlands als verlässlicher internationaler Partner.
Ein militärischer Erfolg Russlands würde in seiner Konsequenz zu einer unmittelbaren Bedrohung der europäischen Sicherheit führen. Die Unterstützung der Ukraine liegt somit auch im
sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands.
Die Mehrausgaben sowie die Verpflichtungsermächtigung sind zeitlich unabweisbar, da eine starke und stetige Abnutzung des Materials der ukrainischen Streitkräfte und die militärische Situation eine schnellstmögliche materielle Unterstützung der Ukraine dringend erfordern. Zugleich sind die industriellen Herstellungskapazitäten sehr beschränkt. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der seit Jahresbeginn intensivierten Abstimmungsprozesse innerhalb der EU und NATO hinsichtlich einer deutlichen Steigerung der europäischen Verteidigungsfähigkeit.
Zur Sicherstellung der zugesagten materiellen Unterstützung der Ukraine ist deshalb der schnellstmögliche Zugriff auf noch vorhandene industrielle Kapazitäten notwendig. Zeitliche
Verzögerungen bei den Vertragsabschlüssen würden zu erheblichen Kostensteigerungen führen.
Mit Blick auf die aktuelle Marktverfügbarkeit von militärischen Gütern könnte der Bedarf der Ukraine nicht rechtzeitig, womöglich erst in Folgejahren, und nur unter Inkaufnahme auch politischer Schäden gedeckt werden. Die hierfür notwendigen Verträge zur Beschaffung sind zwingend in den kommenden Wochen und Monaten zu schließen, denn nur so können die erforderlichen Unterstützungsleistungen zeitnah die erwünschte militärische Wirkung entfalten. Die Verkündung des Haushaltgesetzes 2025 kann daher nicht abgewartet werden.