Doch, Bitcoin ändert etwas – zugunsten der Individuen
Der Bullenmarkt wird wie keiner zuvor von Institutionen und Unternehmen getragen. Diese häufen Bitcoins an - während Individuen sie abgeben. Wer aber meint, Bitcoin sei von den Institutionen bereits vereinnahmt und deswegen verloren, ist auf dem Holzweg.

Der Bullenmarkt wird wie keiner zuvor von Institutionen und Unternehmen getragen. Diese häufen Bitcoins an – während Individuen sie abgeben. Wer aber meint, Bitcoin sei von den Institutionen bereits vereinnahmt und deswegen verloren, ist auf dem Holzweg.
Derzeit gehen in sozialen Medien Screenshots einer Grafik herum, die zeigt, wie sich der Besitz in Bitcoin 2025 verändert hat. Weil die Bitcoins offensichtlich von den Individuen zu den Unternehmen und Fonds wandern, wird die Grafik oft mit bitteren Worten kommentiert:
„Anstatt dass jeder in der Welt ein wenig Bitcoin hat, werden es nur wenige Reiche haben – und sie werden sie für alle Ewigkeit horten,“ meint etwa Randy, „was für ein trauriges Ende von Bitcoin. Buchstäblich nichts hat sich verändert.“
Sieht nicht gut aus, oder? Unternehmen haben um 175.000 Bitcoins zugelegt, Individuen um 247.000 abgenommen. Aber wie so oft bedeutet eine einzelne Statistik nichts ohne den Kontext, und wie bei empörten Posts auf Twitter (heute X) üblich, sparen sich die Urheber den Hinweis auf die Quelle.
Die Grafik ist aus einen umfangreichen Bericht von River, einem Bitcoin-Unternehmen, das Bitcoins sowohl für private als auch unternehmerische Kunden handelt und verwahrt. Der Bericht hat den Titel „Was treibt die Bitcoin-Adoption 2025 an?“ und ist 51 Seiten lang. Die in den sozialen Medien zirkulierende Grafik tritt darin auf – ist aber nur ein kleiner Teil der gesamten Geschichte, welche, wenn man sie als Ganzes sieht, ein viel weniger düsteres Bild abgibt.
Der Bericht beschreibt das Wachstum von Bitcoin ausführlich anhand der üblichen Kennzahlen – Hashrate, Nodes, überwiesene Werte und Marktkapitalisierung – bevor er zur Verteilung der Bitcoins kommt. Auf Seite 15 präsentiert er die genannte Grafik, allerdings für das Jahr 2024, unter dem Titel „ein dramatischer Wandel in der Bitcoin-Akkumulierung trat 2024 auf“.
Grob gesagt haben Individuen rund eine halbe Million Bitcoins an Fonds und ETFs übertragen. Die Entwicklung, die für 2025 beklagt wird, ist also nicht neu. Allerdings sollte man einen Wandel niemals beurteilen, wenn man den Status Quo nicht kennt. Diesen stellt der Bericht freundlicherweise auf Seite 12 dar.
Ein Diagramm zeigt die Verteilung der Bitcoins zum Ende des Jahres 2024. Und dieses gibt ein ganz anderes Bild ab:
Noch Ende des vergangenen Jahres waren fast 70 Prozent der Geldmenge in den Händen von Individuen – mehr als 14,5 Millionen Bitcoins. Fonds, Unternehmen und Regierungen zusammen kamen auf nicht mal 12 Prozent oder etwa 2,5 Millionen, was ungefähr den verlorenen Bitcoins entspricht, wenn man annimmt, dass Satoshi nicht mehr lebt oder seine Schlüssel verloren hat.
Zu sagen „nichts hat sich verändert. Was für ein trauriges Ende von Bitcoin“ ist an der Stelle schlicht und ergreifend falsch. Bitcoin liegt weiter mit einer überwältigenden Mehrheit in den Händen von Individuen, auch wenn Unternehmen, Fonds und Regierungen zunehmend Bitcoins akkumulieren (wovon die Individuen, wenn sie lange genug gehalten haben, erheblich profitieren).
Um die Verteilung in Relation zu anderen Wertspeichern zu setzen, könnte man fragen, wie Gold und Staatsanleihen verteilt sind. Konkrete Werte für Gold zu erheben ist schwierig, man hat nur vage Angaben, die zudem keine klare Trennung zwischen Unternehmen, Fonds und Individuen zulassen:

Quelle: gold.org
Dieses Schaubild von gold.org gibt immerhin einen groben Überblick. Während Regierungen bei Bitcoin bisher nur 1,4 Prozent halten, halten Zentralbanken allein 17 Prozent des verfügbaren Goldes. Nicht darin enthalten sind Staatsfonds, die auch noch einige tausend Tonnen halten dürften. Barren und Münzen machen rund 22 Prozent des Goldes aus, wovon fast 10 Prozent allein in den Händen von ETFs liegen, andere Fonds noch nicht eingerechnet. Am dezentralsten dürften Gold in Form von Schmuck gespeichert sein; 45 Prozent sind in Ringen, Ketten und Reifen gebunden, vermutlich zu weiten Teilen in privatem Besitz. Aber auch hier sollte man die Anteile von Unternehmen – Schmuckhändlern – und Institutionen – Kirchen – nicht unterschätzen.
Insgesamt befindet sich Bitcoin zu deutlich größeren Anteilen in privatem Besitz als Gold, auch wenn man dies nicht genau konkretisieren kann. Auch bei den US-Staatsanleihen, dem neben Gold wichtigsten globalen Wertspeicher, ist schwierig zu ermitteln, wie viel genau im Besitz von Individuen und von Fonds und Unternehmen ist. Diese Grafik der Peter G. Peterson Foundation gibt immerhin einige Hinweise:
Natürlich können Einzelne indirekt Staatsanleihen besitzen, indem sie Anteile an Fonds haben, Renten bekommen und einen Versicherungsschutz genießen. Aber hier geht es vor allem um die Staatsanleihen, die Einzelne direkt in ihrem Portfolio halten. Diese könnte nur in dem Balken für „Other Domestic“ auftreten, in welchem aber auch Unternehmen, Stiftungen und so weiter enthalten sein können. Die gut 6,2 Billionen Dollar – etwa 21 Prozent der 28,7 Billionen Dollar Staatsanleihen – wären also die Obergrenze. Vermutlich dürfte der echte Anteil deutlich geringer sein.
Wenn Bitcoin der Wertspeicher der Zukunft wird, hat sich durchaus etwas verändert. Individuen halten im Vergleich zu Gold und vor allem zu Staatsanleihen sehr viel größere Anteile. Bitcoin verschiebt Wohlstand von den Institutionen und Unternehmen zu den Einzelnen.