Digitalministerium: Wie die Staatsmodernisierung gelingen kann
Union und SPD schaffen ein eigenes Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Damit daraus ein Erfolg wird, braucht es die richtigen Weichenstellungen

Union und SPD schaffen ein eigenes Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Damit daraus ein Erfolg wird, braucht es die richtigen Weichenstellungen
Die Staatsmodernisierung ist ein wesentlicher Baustein der Agenda der kommenden Bundesregierung. Und das ist gut so. Denn ohne eine grundlegend andere Arbeitsweise von Staat und Verwaltung drohen all die anderen notwendigen Veränderungen zu scheitern. Das angekündigte Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung gibt dieser Staatsreform nun ein starkes politisches Mandat – Staatsmodernisierung hat künftig ihren Platz am Kabinettstisch. Aber damit es richtig gemacht ist und nicht nur gut gemeint ist, braucht es einen ambitionierten Fahrplan und die richtigen Weichenstellungen in den ersten Tagen und Wochen.
Das beginnt mit der organisatorischen Verankerung der Staatsmodernisierung innerhalb der Regierung. Alle wesentlichen Reform-Bestandteile müssen in dem neuen Ministerium gebündelt werden: Gesetzgebung, Bürokratieabbau, Personal, Föderalismusreform, wirkungsorientierter Haushalt. Es wäre fatal, die Staatsmodernisierung über Ressorts verteilt anzugehen. Erfolgreiche Reformen der letzten 60 Jahre in Europa haben gezeigt, dass eine zentrale politische Steuerung grundlegende Gelingensbedingung für die erfolgreiche Umsetzung ist.
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Das neue Ministerium hat dabei zwei Beschreibungen: Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Wichtig wird sein, dass diese zwei Aufgaben in gleicher Priorität und Ernsthaftigkeit erfüllt werden. Dafür braucht es jeweils einen eigenen Staatssekretär, eine schlanke Struktur und eine neue Form des Arbeitens: projektbasiert, hierarchisch flach und mit klaren Wirkungszielen. Das Ministerium sollte zeigen, was der ganze Staat werden soll – es sollte ein Prototyp für die Verwaltung des 21. Jahrhunderts werden. Dazu gehört auch Schnelligkeit: Das Ministerium muss von Tag eins an arbeitsfähig sein. In der Vergangenheit hat der Aufbau von neuen Ministerien oft die halbe Legislaturperiode gebraucht. Das darf hier nicht passieren. Pragmatisch sollte das neue Ministerium in den ersten Monaten die Infrastruktur eines bestehenden Ministeriums mitnutzen.
Ein Chief People Officer für die Bundesverwaltung
Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir bündeln Personaldienstleistungen wie etwa Personalgewinnungsverfahren, Personalplanung, Personalentwicklung, Schaffung von Poollösungen und einheitliche Beurteilungsstandards.“ Das ist ambitioniert und notwendig. Doch damit daraus Wirklichkeit wird, braucht es gleich zu Beginn eine klare Personalentscheidung: ein neuer Chief People Officer für die gesamte Bundesverwaltung, angesiedelt im neuen Ministerium für Staatsmodernisierung. Die Menschen, die im Staat arbeiten, sind entscheidend, um die geplante Staatsmodernisierung umzusetzen. Dazu braucht es eine neue Kultur von Führung und Förderung auf allen Ebenen der Verwaltung.
Aber Staatsreform darf nicht nur in einem Ministerium getrieben werden, sie muss in jedem Ministerium eine Priorität sein. Staatsmodernisierung muss auf alle Themen angewendet werden, ob Finanzen, Arbeit, Soziales, Gesundheit. Alle müssen mitziehen. Dafür muss die angekündigte Modernisierungsagenda schnell aufgesetzt werden, in einer Sprintlogik und als agiler Prozess. Die Agenda der Staatsmodernisierung darf sich nicht in Prosa oder Einzelmaßnahmen verlieren, sie muss klare, verständliche und nachvollziehbare Ziele formulieren und ergebnisorientiert erwünschte Zielzustände festhalten. Etwa: „Alle Bürger haben Zugang zu allen Verwaltungsleistungen und Kommunikation über eine Anwendung oder App.“ Oder: „Bürger und Bürgerinnen müssen ihre Daten nur einmal angeben – danach fließen sie automatisch an die zuständigen Stellen.“ Diese Ziele werden verbindlich gesetzt. Darauf müssen alle hinarbeiten.
Damit das passiert, müssen alle Minister und Ministerinnen das als Priorität setzen und Staatsmodernisierung als festen Agendapunkt in den Staatssekretärsrunden verankern. Der Bericht über die Fortschritte in der Staatsmodernisierung sollte dann alle drei Monate fester Agendapunkt in der Kabinettssitzung sein. Sowohl das Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung wie auch die Fachministerien müssen berichten, wie sie zu den Reformzielen beitragen. Auch im Parlament soll der Fortschritt als öffentlicher Reviewtermin regelmäßig berichtet werden. Damit der Erfolg der Staatsmodernisierung getrackt werden kann, wird eine Transparenzplattform aufgesetzt.
Aufgaben für die erste Kabinettssitzung
Die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) definiert die Arbeitsweise der Bundesregierung. Deshalb sollte gleich in der ersten Kabinettssitzung die GGO angepasst und die notwendige und angekündigte Missionsorientierung, der praxisorientierte Gesetzgebungsprozess und interministerielle Projektteams sowie weitere Änderungen verankert werden. Diese Chance darf nicht verpasst werden. In der GGO und dem Organisationserlass des Bundeskanzlers sollten auch Durchgriffsrechte für das neue Ministerium definiert werden, ähnlich wie das Finanzministerium Durchgriffsrechte bei haushaltsrelevanten Fragen hat. Ebenso muss in der GGO die Bündelung von Gesetzgebung, Bürokratieabbau, Personal, Föderalismusreform und Wirkungsorientierung im Haushalt festgelegt werden.
Wirkungsorientiertes Haushalten ist notwendig, um das große Paket der 1 Billion Euro gut auf den Weg zu bringen. Wenn das Sondervermögen nach alten Logiken investiert werden soll, wird es nicht den Effekt haben, der notwendig und beabsichtigt ist. Dafür ist es wichtig, von Anfang an Wirkungsziele aufzustellen und eine wirkungsorientierte Haushaltsführung am Beispiel des Sondervermögens vorzumachen. Auch das muss direkt in der ersten Kabinettssitzung beschlossen werden.
Die Staatsmodernisierung ist kein Verwaltungsthema, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie entscheidet mit darüber, ob Menschen sich ernst genommen fühlen, ob Unternehmen gerne investieren, ob Demokratie Vertrauen zurückgewinnt. Dafür braucht es ein Begleitgremium aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft – kein Beirat, sondern ein echtes Umsetzungsgremium, das beim Tracken der Erfolge und Misserfolgen hilft.
Die nächste Bundesregierung hat sich viel vorgenommen. Das neue Ministerium ist ein klares Signal. Jetzt kommt es auf Tempo an, Elan und Mut, um Staat und Verwaltung ins 21. Jahrhundert zu transportieren.