Briefing 256: Modernes Militär für Europa, KI-Souveränität und Trump-Zölle
Die Trump-Zölle drohen globale Tech-Lieferketten zu zerreißen. Europa braucht Drohnen statt Panzer. Mistral AI bietet eine strategische Alternative zur US-KI. Meta Llama 4 enttäuscht beim Start.


Hi,
wie bereits im Mitgliederbriefing geschrieben, hier aber noch einmal für alle Abonnent:innen:
Das öffentliche Briefing Mitte der Woche wird künftig nur noch alle 2, 3 Wochen erscheinen. Stattdessen wird es wieder vermehrt öffentliche allein stehende Texte auf neunetz.com geben. In welcher Form diese per Email versendet werden, werde ich in nächster Zeit formatseitig testen. Feedback per Email oder auf neunetz.com in den Kommentaren immer herzlich willkommen.
Mehr als eine öffentliche Email pro Woche soll es nicht werden.
Das Mitgliederbriefing freitags steht wie ein Fels in der Brandung der Veröffentlichungen. Außer nächste Woche; da ist Ostern.
Marcel
Im Fokus dieser Ausgabe:
- Trump-Zölle und Tech: Wie die Zölle Apple, Meta und Google treffen
- Moderne Kriegsführung: Warum Europa eher Millionen Drohnen als tausende Panzer braucht
- Europäische KI-Souveränität: Mistral AI als strategische Alternative in Zeiten geopolitischer Unsicherheit
- Metas Llama 4-Familie könnte darauf hindeuten, dass das Team vielleicht doch nicht mit Deepseek und Co. mithalten kann.
- und mehr
Zitat des Tages
If anything like these tariffs hold ,then America is going to see the biggest boom in smuggling since prohibition. People will be flying to London and Paris to stuff suitcases full of half-price iPhones, shoes, sweaters and almost anything else
Benedict Evans auf Threads
Zölle und Tech
Globale Lieferketten, globale Probleme
Einer der öffentlich genannten und sicher auch in seiner Idiotie ernst gemeinten Gründe für die Trump-Zölle ist der Wunsch, der Trump-Regierung Produktion wieder in die USA zu holen.
Grundsätzlich ist das als Ziel sinnvoll, weil ein China, das nahezu alle Herstellungsebenen aller Produktfertigungen kontrolliert, nicht nur für die USA ein Problem wäre. Doch mit Zöllen ist dieses Problem nicht zu lösen – vor allem nicht kurzfristig. Die globalen Lieferketten haben sich über Jahrzehnte entwickelt und sind extrem komplex.
Mehr noch, politischer Wille für X bedeutet nicht, dass X passiert, auch nicht wenn die heimische Wirtschaft auch gern X machen würde. In diesem Fall also Produktion in den USA.
Ich musste die Tage an einen Talk über Arbeitsteilung denken, der damit begann, dass alle im Raum gefragt wurden, ob sie wissen, wie ein Bleistift hergestellt wird, von Anfang bis Ende. Niemand wusste es.
Smartphones sind weitaus komplexer als Bleistifte.
Die Situation für Apple:
- iPhones sitzen in globalen Lieferketten.
- Es ist eine hochkomplexe Massenproduktion, die nicht einfach verpflanzt werden kann.
- Selbst iPhones, die nicht in China gefertigt werden, unterliegen den jeweiligen Trump-Zöllen des Landes. Siehe etwa Indien oder Vietnam.
- Es ist vollkommen ausgeschlossen, dass iPhones oder andere Smartphones ohne Bauteile von außerhalb der USA in den USA hergestellt werden können.
- Selbst mit teuren US-Löhnen wären die iPhone-Produktionskosten in den USA höher als die aktuellen Zölle.
- Der USA fehlt wie Europa mittlerweile Knowhow für bestimmte Fertigungsebenen, weil diese komplett nach China ausgelagert wurden. Dieses Wissen muss erst wieder aufgebaut werden. Das gilt insbesondere für High-Tech-Produkte. Das wäre ein Thema für Jahre, in manchen Fällen wie Halbleiter vielleicht Jahrzehnte.
Der letzte Punkt dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, warum Trumps innerer Kreis diesen Wahnsinn mitträgt.
Sie gehen davon aus, dass sie einen Weg haben, das mit der Brechstange aufzulösen.
Sie liegen falsch.
Aber das Problem ist ernst. Der Grund ist Xi Jinping, den man sich als eine chinesische Mischung aus Putin und Trump vorstellen muss, wenn man sich aus unerfindlichen Gründen nicht mit China beschäftigt hat in den letzten Jahren.
Die Installed Base für iPhones in den USA liegt bei über 50 Prozent des Marktes, Marktanteile Quartal für Quartal ebenso. (Statista)
Je nachdem, wie lange Trump an seinen Zöllen festhält, kann das für Apple katastrophal werden. (Es scheint, er will die Zölle auch als Leverage in Verhandlungen benutzen in seiner einfachen Denkweise, so, who knows) Weil Apple damit der US-Markt de facto wegbrechen kann. (Nicht in der Nutzung, aber im Verkauf von Neugeräten.)
Alles ist mit allem verbunden: Auch Meta und Google wird es zügig treffen. Wenn viele chinesische Güter nicht mehr in die USA geliefert werden können, weil über 100% Zoll auf sie gelegt wird, dann verlieren Meta und Google auch ihre größten Werbekunden. Die kommen nämlich aus China. Ganz vorn etwa Temu-Mutter PDD.
Alles ist mit allem verbunden: Weil Apple die letzten 10+ Jahre eine sichere Wette war, sind Sparpläne und Pensionsfonds mit Apple-Aktien vollgestopft. Das ist bei Tech-Unternehmen allgemein der Fall, aber besonders bei Apple. Jeder massive Einbruch im Aktienkurs von Apple hat weitreichende Auswirkungen auf die Altersvorsorge von Millionen Menschen.
Mehr noch: Wenn Apple rasant fällt und der Rest von Big Tech etwas langsamer, aber ebenfalls fällt, könnte das mit dem Rest der globalen Wirtschaft der Tropfen auf dem heißen Stein sein für die Börsen, der zu einer globalen Rezession führt. Der Fluch des Aufstiegs der ETFs der letzten Jahre.
(Stellt sich die Frage: Hat “jemand” in den USA zufällig vor der Verkündigung Apple lukrativ geshortet?)
Zu all dem passt auch dieses Nerd-Thema zu Electron-Apps, Rendering und Arbeitsteilung auf Macstories: Is Electron Really That Bad? :
Electron apps don’t have to be slow. In fact, a lot of the time, a well-written Electron app is actually going to perform better than an equivalently well-written native app because you don’t get to build rendering as effectively as Google does.
Arbeitsteilung, it’s truly a thing.
Tech und Trump
Auch wenn Fieberträume wie “Tech-Faschismus” gerade populär werden, besonders in Randdiskursen hierzulande, so sollte hier eigentlich deutlich werden, dass in den USA gerade weder ein “Tech-Faschismus” entsteht noch eine “Broligarchie” (abdriftende Diskurse erkennt man, wenn sie zunehmend in eigenen Begrifflichkeiten ertrinken). Tatsächlich ist das vielmehr ein weiterer Schritt im schmerzlichen Lernprozess der US-Tech-Elite hin zur eigentlichen Macht: Politik.
Tech war in den USA immer Demokraten-nah (Belegschaft ist das immer noch.). Die Demokraten haben das spätestens mit Biden nicht sonderlich wertgeschätzt. Man sah das etwa am Umgang mit Debanking bei Krypto-Startups oder dessen bewusste Regulierung ohne Kommunikation. Das sollte sich bei KI unter Demokraten wiederholen. Ohne zu tief einzusteigen: Der Schritt zu Trump vieler Tech-CEOs war in erster Linie ein Schritt weg von den in ihren Augen “undankbaren” Demokraten. Sie wollten nicht Trump, sie wollten eine Alternative zu den Demokraten. (Unter Trump I haben sich die Tech-Konzerne teils offen gegen ihre eigene Regierung gestellt. Man denke an Facebook oder Twitter seinerzeit. Mir fällt nichts Vergleichbares in der Wirtschaftsgeschichte ein.)
Was die US-Tech-Elite gerade lernt: Ein bisschen Unterstützung hier, ein bisschen Geld da reicht nicht aus für Einfluss. Man muss näher ran, wenn man nicht vom “eigenen Kandidaten” im Zweifel ruiniert werden will.
Man darf davon ausgehen, dass die zwei Parteien in den USA künftig branchennahe Tech-Caucuses und Kandidat:innen haben werden. Mindestens.
(Mir ist bewusst, dass die Tech-Konzerne weltweit wie auch in den USA sehr viel Geld für Lobbyarbeit ausgeben. Dieses Elitenthema geht über klassische Beeinflussung der Politik durch die Wirtschaft hinaus.)