Zweiter Weltkrieg: Das Ende der Cap Arcona: Als britische Bomben KZ-Häftlinge trafen

Kurz vor Ende des Kriegs versenken die Alliierten zwei Schiffe. Doch an Bord sind keine deutschen Truppen – sondern Tausende Gefangene des Nazi-Regimes

Mai 2, 2025 - 15:44
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Zweiter Weltkrieg: Das Ende der Cap Arcona: Als britische Bomben KZ-Häftlinge trafen

Kurz vor Ende des Kriegs versenken die Alliierten zwei Schiffe. Doch an Bord sind keine deutschen Truppen – sondern Tausende Gefangene des Nazi-Regimes

Der Befehl, den die britischen Bomberpiloten am 3. Mai 1945 über Lübeck erhalten, scheint nur einer unter vielen zu sein; eine Normalität fast in diesen letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, in denen das nationalsozialistische Deutschland endgültig zusammenbricht. 

"Zerstörung der feindlichen Schiffsansammlung in der Lübecker Bucht", so lautet die Order. Die Royal Air Force wähnt deutsche Truppen und Größen des Nazi-Regimes an Bord; diese könnten sich möglicherweise ins neutrale Norwegen absetzen, so die Annahme.  

Die Deutschen wollen ihre Verbrechen vertuschen

Doch auf den Schiffen sind nur wenige Soldaten und erst recht keine bedeutenden Befehlshaber – sondern rund 7500 Häftlinge aus dem von den Nazis evakuierten Konzentrationslager Neuengamme. Am Nachmittag des 3. Mai beginnen die Piloten den letzten Großangriff des Krieges über der Ostsee. Und lösen damit eine der verheerendsten Schiffskatastrophen der Geschichte aus. 

Häftlinge des Konzentrationslagers Neuengamme bei der Zwangsarbeit. Kurz vor Ende des Kriegs evakuieren die Nazis das KZ und bringen die Insassen nach Lübeck. So wollen sie ihre Verbrechen vertuschen  
Häftlinge des Konzentrationslagers Neuengamme bei der Zwangsarbeit. Kurz vor Ende des Kriegs evakuieren die Nazis das KZ und bringen die Insassen nach Lübeck. So wollen sie ihre Verbrechen vertuschen
© KZ-Gedenkstätte_Neuengamme

Nur wenige Wochen zuvor hat SS-Chef Heinrich Himmler angewiesen, dass kein KZ-Häftling den Alliierten in die Hände fallen dürfe. Die Verbrechen des Regimes sollen vertuscht werden. Und so beginnen Mitte April auch im KZ Neuengamme im Süden Hamburgs hastige Räumungsarbeiten. Per Güterzug oder zu Fuß bringen die Aufseher Tausende Häftlinge nach Lübeck. Dort müssen sie auf zwei Schiffe, die anschließend einige Kilometer in die Bucht hinausfahren und ankern: den Frachter "Thielbek" und den Luxusliner "Cap Arcona". 

Die "Cap Arcona", 206 Meter lang, benannt nach einer Rügener Steilküste, pendelte vor Kriegsausbruch zwischen Europa und Südamerika und bot 850 wohlbetuchten Passagieren Platz. Nun wird sie zum Kerker für 4600 Gefangene, die zusammengepfercht, geplagt von Durst und Hunger und bald verschmutzt von ihren eigenen Exkrementen vor sich hin leiden.  

Die Deutschen zerstören die meisten der Rettungsboote und die automatischen Schotten, betanken das Schiff nur ein wenig. Haben sie vor, es zu versenken, wie viele heute annehmen? Oder wollen sie die Gefangenen als Verhandlungsmasse mit den Alliierten nutzen? Wissen sie vielleicht schlicht nicht mehr, wohin mit den Häftlingen in einem Land, dass an allen Fronten kollabiert? Bis heute ist unklar, was der Plan des Regimes mit ihnen ist, so es überhaupt einen hat. 

Sicher dagegen ist, dass die Briten von den Vorgängen wissen. Das schwedische und das Schweizer Rote Kreuz haben sie darüber informiert. Doch "aus irgendeinem Versehen", wie es später in einem Bericht des britischen Militärs heißt, gelangt die Information nie zu den Bombern und Jägern der Royal Air Force, die über Lübeck fliegen. Und die Piloten der Aufklärungsmaschinen, die am Morgen des 3. Mai das Gebiet absuchten, haben die winkenden Männer an Bord der zwei Schiffe nicht als das erkannt, was sie sind: hilflose Opfer des gegnerischen Regimes.  

Mit Bombern und Jägern greift die Royal Air Force am 3. Mai 1945 deutsche Schiffe an – darunter zwei, auf die das NS-Regime Tausende KZ-Häftlinge gepfercht hat 
Mit Bombern und Jägern greift die Royal Air Force am 3. Mai 1945 deutsche Schiffe an – darunter zwei, auf die das NS-Regime Tausende KZ-Häftlinge gepfercht hat
© piemags

Die "Cap Arcona" hat Artillerie an Deck, Flakmatrosen und Seeleute sind an Bord, der Luxusliner wirkt wie ein Marineschiff. Und so machen die britischen Piloten keine Ausnahme, als sie den Befehl erhalten, alle in der Bucht ankernden Schiffe zu zerstören. Raketen und Bomben treffen die "Cap Arcona", Explosionen erschüttern sie, schnell steht sie in Flammen, wie wenig später auch der Frachter "Thielbek" und Dutzende weitere Schiffe in der Bucht.   

Überlebende werden erschossen

Auf der "Cap Arcona" und der "Thielbek" lassen die Deutschen die wenigen funktionstüchtigen Rettungsboote zu Wasser. Die meisten von ihnen überleben das Inferno. Derweil verbrennen Häftlinge unter Deck, ertrinken im acht Grad kalten Ostseewasser. Und die wenigen, die es bis ans Ufer schaffen, werden oft von Wehrmachtssoldaten und Hitlerjungen erschossen. Nicht mal 400 der KZ-Häftlinge entkommen. 

Mehr als 7000 aber lassen bei dem Bombardement am 3. Mai 1945 ihr Leben. Fünf Tage, bevor Nazideutschland im längst verlorenen Krieg kapituliert.