Zusammenfassung der Kritik an der Frass-Studie im Laborjournal

Das Laborjournal bringt in seiner Ausgabe 4/2025 eine übersichtliche Zusammenstellung zur Kritik an der Homöopathie-Studie von Frass et al. aus 2020. Weiterlesen →

Mai 9, 2025 - 16:23
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Zusammenfassung der Kritik an der Frass-Studie im Laborjournal

Es gibt Neues zur Studie von Michael Frass bei The Oncologist aus dem Jahr 2020, die Homöopathika einen signifikanten Effekt bei der Behandlung von Lungenkrebs zusprach.

Es ist vor allem der akribischen Arbeit von Norbert Austen und Viktor Weisshäupl zu verdanken, dass die Manipulationen hinter dieser peer-reviewten Studie überhaupt ans Licht kamen.

Auch das INH ließ mit der Kritik nicht locker. Auf ihrer Website gibt es sogar eine eigene Artikelkategorie zu dieser Angelegenheit.

Im Dezember 2022 reagierte The Oncologist zunächst mit einem Expression-of-Concern. Erst danach wurden einige Korrekturen veröffentlicht. Die Studie ist allerdings bis heute online abrufbar.


Jetzt hat sich auch das Laborjournal in seiner Ausgabe 4/2025 dem Thema angenommen. In einem Artikel stellt der Autor Henrik Müller die Hintergründe ausführlich zusammen. Er gibt u. a. Informationen über die Vita von Michael Frass:

So koordinierte Frass ab 2005 das Wahlfach Homöopathie an der MedUni Wien – bis die Universität es 2018 wegen Unwissenschaftlichkeit abschaffte. Auch warb der Intensivmediziner 2006 für das Bioresonanzgerät „Atox Bio Computer“, das das vegetative Nervensystem vor Elektrosmog schützt, indem es „negative Energie-Informations-Komponenten in positive umwandelt“. Und 2010 warf er der Arbeiterkammer Wien vor, Homöopathie in die Esoterik-Ecke zu rücken, obwohl nur „Fachkundige zum Thema eine fundierte Aussage machen können“.

Müller zeigt auch die Kritik von Aust und Weisshäupl nochmal. Einige Auszüge der Punkte sollen kurz folgen.

Beispielsweise rekrutierten Frass et al. bereits ab 2012 die ersten Patienten für die Studie,

doch erst im Juli 2015 bewilligte die Ethikkommission die Umwandlung in eine verblindete, placebokontrollierte Studie. Die Folge: Ein Teil der Studienteilnehmenden ist nicht verblindet gewesen. Frass‘ Publikation im Dezember 2020 erwähnt das nicht.

Weitere Ungereimtheiten:

Zur Datenanalyse verwendete Frass‘ Team laut Seite 10 des auf 2011 datierten Studienprotokolls die Software „IBM SPSS Statis tics 25“. Version 25 gibt es aber erst seit Juli 2017. Wie konnten die Wiener es also schon 2011 nutzen?

Noch eine Merkwürdigkeit: Den sekundären Endpunkt der klinischen Studie – das Überleben der Patienten – beobachtete Frass‘ Team 104 Wochen lang. Den primären Endpunkt – die Lebensqualität der Studienteilnehmenden – verkürzte es hingegen nachträglich um das Fünffache. Waren von 2012 bis 2018 noch 104 Wochen Beobachtung vorgesehen, listet das Studienprotokoll 2019 nur noch 18 Wochen. Doch warum soll Wohlbefinden nur in der Frühphase einer Behandlung zählen? Was spricht dafür, über 80 Prozent der erhobenen Daten zu verwerfen? Eine Begründung bleibt die Publikation schuldig.

Die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI) sowie die MedUni Wien forderten inzwischen den Rückzug der Publikation. Bisher vergeblich. Die Chefredaktion von The Oncologist ließ diese Bitten ins Leere laufen.

Auch reagierten fünf der 16 Mitautoren der Publikation und baten die Fachzeitschrift um eine Rücknahme ihrer Ko-Autorenschaft. Das Editorial Board von The Oncologist ignoriert diese Aufforderungen seit Anfang 2024.

Fazit:

Das Befremdliche daran: Homöopathie-Studien erscheinen üblicherweise in dubiosen Fachzeitschriften der Komplementär- und Alternativmedizin. Frass aber publizierte in einer renommierten Fachzeitschrift für Onkologie. Dessen PeerReview erkannte die eigentliche „Qualität“ der Studie nicht. Ohne Aust und Weisshäupl, die nicht einmal in der medizinischen Forschung tätig sind, wäre die Welt wohl um einen scheinbar erstklassigen Beleg für die klinische Wirksamkeit von Homöopathika reicher.

Was offen bleibt:

Die entscheidende Frage lautet: Warum scheuen sich seriöse Fachjournale, Fehler im Peer-Review-Verfahren einzugestehen und riskieren damit nicht nur ihre eigene Reputation, sondern die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft insgesamt? Was muss noch geschehen, damit eine fehlerhafte Publikation zurückgezogen wird? Frass‘ Fehlverhalten verbleibt somit trotz Correction unkommentiert in der Literatur. Einmal mehr versagt ein Fachjournal in seiner Funktion als Hüter wissenschaftlicher Integrität.

Sind wir mal gespannt, was hier noch kommt …

Zum Thema:

  • Artikel: Wenn Medizin zur Glaubensfrage wird, Henrik Müller (Laborjournal 4/2025, S. 16–19) vom April 2025 [PDF-Download]
  • Artikel: Video: Janos Hegedüs und Udo Endruscheit über den Globuli-Skandal im „Oncologist“, GWUP-Blog vom 28.11.2024
  • Artikel: Video: Janos Hegedüs und Norbert Aust über Krebs und Homöopathie im „Oncologist“, GWUP-Blog vom 15.11.2024
  • Artikel: Und wieder die homöopathische Lungenkrebsstudie: Ein paar „Korrekturen“ ändern nichts an der massiven Kritik daran, GWUP-Blog vom 27.09.2024
  • Artikel: Komplementärmedizin: Leitlinie für die Behandlung von Krebspatienten – „Je mehr Wallawalla, desto großzügiger“, GWUP-Blog vom 13.07.2024
  • Artikel: Gute Absicht, schlechte Medizin: Edzard Ernst über die Studie zu Homöopathie bei Lungenkrebs, GWUP-Blog vom 27.05.2024
  • Artikel: Homeopathy Research Hits New Low, Norbert Aust and Viktor Weisshäupl (Skeptical Inquirer Vol. 47, No. 3) Mai/June 2023
  • Artikel: Unzulässige Werbung für homöopathische Meditonsin-Tropfen: Urteil jetzt rechtskräftig, GWUP-Blog vom 05.05.2023
  • Artikel: Homöopathie bei Krebspatienten: Fast zu schön, um wahr zu sein, profil vom 28.10.2022
  • Artikel: Eine weitere Vorzeigestudie der Homöopathen endet als Desaster, GWUP-Blog vom 26.10.2022
  • Artikel: A thorough analysis of Prof M. Frass’ recent homeopathy trial casts serious doubts on its reliability, Norbert Aust u. Viktor Weisshäupl (Gastbeitrag bei Edzard Ernst) vom 11.06.2021
  • Artikel: Die neue Vorzeige-Studie der Homöopathen: nachträgliche Anpassung der Ergebnisse?, GWUP-Blog vom 09.06.2021

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