Zia-Chefin Schöberl: „Das Schuldenpaket hat Schattenseiten, gerade für den Wohnungsbau“
Bauen werde teurer durch das Schuldenpaket, sagt die Chefin des Dachverbands der Immobilienwirtschaft Zia, Iris Schöberl. Außerdem vermisst sie das Thema bezahlbarer Wohnraum

Bauen werde teurer durch das Schuldenpaket, sagt die Chefin des Dachverbands der Immobilienwirtschaft Zia, Iris Schöberl. Außerdem vermisst sie das Thema bezahlbarer Wohnraum
Den jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts zufolge ist die Zahl der Baugenehmigungen in Deutschland im Februar nach dem Einbruch der vergangenen Jahre nun schon zum zweiten Mal in Folge wieder gestiegen. Sind wir auf dem richtigen Weg aus der Krise auf dem Wohnungsmarkt?
IRIS SCHÖBERL: Das ist ein kleines grünes Pflänzchen, das da zu sprießen beginnt. Das ist gut, aber angesichts des massiven Bedarfs an Wohnraum und gemessen am Rückgang der Bautätigkeit der vergangenen Jahre viel, viel zu wenig. Bis sich die Situation beim Wohnungsbau spürbar bessert, ist noch viel zu tun. Außerdem könnten die zuletzt wieder steigenden Zinsen diese vorsichtige Erholung schnell wieder abwürgen.
Die Bauzinsen steigen unter anderem wegen des Hunderte Milliarden Euro schweren Schuldenpakets, über das der Bundestag gerade abgestimmt hat. Wie sehen Sie dieses Paket insgesamt?
Ich begrüße das prinzipiell. Deutschlands Wirtschaft muss wieder in Schwung kommen, dafür sind die Investitionen wichtig. Positiv ist für uns, dass das Geld auch an die Kommunen gehen soll, bei denen es einen riesigen Investitionsbedarf gibt, etwa für die kommunale Wärmeplanung. Das ist entscheidend etwa für die Wärmewende und am Ende auch für Mietinnern und Mieter. Einige unserer Mitgliedsunternehmen, die auch im Tiefbau tätig sind, profitieren ganz direkt von höheren Investitionen in die Infrastruktur. Aber das Paket hat auch seine Schattenseiten, gerade für den Wohnungsbau.
Welche sind das?
Zunächst macht es das Bauen teurer. Die Zinsen sind, wie gesagt, bereits gestiegen und dürften durch die Schuldenaufnahme noch weiter steigen. Das ist Gift für den Wohnungsbau. Gleichzeitig kommt das Thema bezahlbarer Wohnraum bisher kaum vor, wenn es um die Verwendung der Milliarden geht. Da muss in den Koalitionsverhandlungen unbedingt noch nachgebessert werden.
Welche Forderungen oder Ideen haben Sie da?
Wichtig ist, dass am Ende Geld für Förderprogramme der KfW für bezahlbaren Wohnungsbau zur Verfügung steht. Das könnte ein wirksamer Hebel sein, Neubauprojekte wieder bezahlbar zu machen.
Der Wohnungsbau ist in den Koalitionsverhandlungen nicht nur im Zusammenhang mit dem Schuldenpaket ein Thema. In den Sondierungen haben sich Union und SPD unter anderem auf eine Verlängerung der Mietpreisbremse geeinigt.
Ich finde, die Mietpreisbremse ist unsozial. Und: Sie hemmt den Wohnungsbau und sorgt dafür, dass das Angebot an Wohnungen zurückgeht. Damit privilegiert sie die, die eine Wohnung haben, und lässt alle im Regen stehen, die dringend eine brauchen. Wenn die Mietpreisbremse verlängert wird, muss die Koalition sie zumindest reformieren, damit sie ihrem ursprünglich genannten Zweck als Überbrückung gerecht wird, um den Mietanstieg zu bremsen, bis ausreichend Wohnraum neu geschaffen werden kann und sich der Wohnungsmarkt entspannt. Am besten wird die Anwendung der Mietpreisbremse daran gebunden, dass eine Kommune selbst auch starke Antworten auf eine angespannte Wohnlage liefert. Etwa durch Neubau-Genehmigungen. Daneben muss sich die kommende Regierung die überbordende Regulierung zum Beispiel für Lärmschutz für Gewerbelärm vorknöpfen, die immer wieder Neubauprojekte verhindert, gerade in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten.
Liegen nicht viele dieser Themen außerhalb der Zuständigkeit der Bundesregierung, bei den Ländern und Kommunen?
Bei einigen Themen, etwa bei den Regeln zum Lärmschutz, ist der Bund zuständig. Die künftige Koalition ist auch gefragt, den neuen Gebäudetyp E einzuführen, der ein vereinfachtes, schnelles und experimentelles Bauen ermöglichen soll, und dafür das Planungs-, Genehmigungs- und Haftungsrecht anzupassen, damit der Gebäudetyp E in der Praxis umgesetzt werden kann. Aber es stimmt, natürlich liegen viele wichtige Zuständigkeiten bei Ländern und Kommunen, gerade die Kommunen könnten im Moment viel bewegen, tun es aber leider oft nicht.
Was meinen Sie damit?
Es gibt momentan etwa 800.000 Grundstücke in Deutschland, für die eine Baugenehmigung vorliegt, so eine geläufige Schätzung. Diese Häuser und Wohnungen werden meist deswegen nicht gebaut, weil in den vergangenen Jahren zwischen Bauantrag und Genehmigung die Kosten so gestiegen sind, dass es sich nicht rechnet. In vielen Fällen könnten die kommunalen Behörden diese Projekte mit ein bisschen Entgegenkommen, etwa durch Hinzufügen eines weiteren Stockwerks oder ein Erlassen der Pflicht, Pkw-Stellplätze zu schaffen, wieder rentabel machen. Doch als Bauträger oder Investoren bekommen wir von einzelnen Kommunalpolitikern zu hören: „Eure finanziellen Sorgen sind doch nicht unser Problem.“ Manche kommunalen Entscheidungsträger verstehen immer noch nicht, dass diese Probleme der Bauträger Teil des gesellschaftlichen Problems Wohnungsmangel sind. Allein durch einen Mentalitätswandel in den Kommunalverwaltungen könnten wir kurzfristig Hunderttausende Wohnungen schaffen, ohne zusätzliche Kosten für den Staat.
Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen. Das Nachrichtenportal gehört wie Capital zu RTL Deutschland.