Völkerrechtswidrige US-Zwangsmaßnahmen gegen Venezuela: „Bringt die Wirtschaft zum Schreien”

Die Trump-Regierung packt derzeit die venezolanische Wirtschaft an der Gurgel und drückt zu, so fest sie kann. Viele der derzeitigen US-Zwangsmaßnahmen gegen Venezuela erinnern an das Vorgehen gegen die chilenische Volkswirtschaft unter Salvador Allende Anfang der 1970er-Jahre. Von Vijay Prashad. Liebe Freunde, Grüße vom Schreibtisch von Tricontinental: Institut für Sozialforschung. KeinWeiterlesen

Mai 11, 2025 - 11:48
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Völkerrechtswidrige US-Zwangsmaßnahmen gegen Venezuela: „Bringt die Wirtschaft zum Schreien”

Die Trump-Regierung packt derzeit die venezolanische Wirtschaft an der Gurgel und drückt zu, so fest sie kann. Viele der derzeitigen US-Zwangsmaßnahmen gegen Venezuela erinnern an das Vorgehen gegen die chilenische Volkswirtschaft unter Salvador Allende Anfang der 1970er-Jahre. Von Vijay Prashad.

Liebe Freunde,

Grüße vom Schreibtisch von Tricontinental: Institut für Sozialforschung.

Kein Land sollte das durchmachen, was Venezuela seit 2017 durchmacht.

Die obenstehende Grafik zeigt, dass die von den USA verhängten Sanktionen – besser als einseitige Zwangsmaßnahmen (Unilateral Coercive Measures, UCM) bezeichnet – dazu geführt haben, dass Venezuela zwischen Januar 2017 und Dezember 2024 Öleinnahmen in Höhe von 213 Prozent seines BIP verloren hat.

Insgesamt hat das Land in diesem Zeitraum Verluste in Höhe von schätzungsweise 226 Milliarden US-Dollar – rund 77 Millionen US-Dollar pro Tag – erlitten. Diese Daten, die von Global South Insights und Tricontinental auf der Grundlage einer Analyse des venezolanischen Forschers Yosmer Arellán erhoben wurden, sind durch einen Vergleich der tatsächlichen Zahlen mit einer Schätzung der venezolanischen Ölproduktion ohne die von US-Präsident Donald Trump initiierte Kampagne des „maximalen Drucks” berechnet worden.

Vor 2017 war Venezuela zu 95 Prozent von seinen Öleinnahmen abhängig. Darüber hinaus waren die Öleinnahmen für die Finanzierung der progressiven Sozialagenda der Regierung von entscheidender Bedeutung. Dieser Verlust hat zu einer galoppierenden Inflation in Venezuela geführt: Nach offiziellen Zahlen der venezolanischen Zentralbank für das Jahr 2019 lag die höchste jährliche Inflationsrate bei 344.510 Prozent, was bedeutet, dass die Preise innerhalb eines Jahres um das 3.400-Fache gestiegen sind. Dies ist eine unvorstellbare Katastrophe für jedes Land und eine enorme Belastung für die Bevölkerung.

Während Venezuela schon seit der ersten Wahl von Hugo Chávez im Jahr 1998 von der US-Regierung und ihren Verbündeten angegriffen worden ist, setzte Trumps Executive Order 13808 von 2017 eine neue Welle von Finanzsanktionen in Gang, die Venezuela den Zugang zu internationalen Kreditmärkten verwehrten und damit seine Fähigkeit, Öl ins Ausland zu verkaufen, stark einschränkten.

Die Executive Order verbot allen US-Bürgern, neue Schulden der venezolanischen Regierung zu kaufen oder bestehende Anleihen zu erwerben, die eine Refinanzierung ermöglicht hätten. Die Dividendenzahlungen von Citgo, der US-Tochtergesellschaft der venezolanischen staatlichen Ölgesellschaft PDVSA, wurden später, im Januar 2019, gestoppt, als das Unternehmen beschlagnahmt und unter die Kontrolle von Juan Guaidó gestellt wurde – die Person, die dem Land von den USA als „Präsident” übergestülpt wurde.

Dadurch wurde PDVSA daran gehindert, Akkreditive zur Absicherung von Öllieferungen zu erhalten, Versicherungen für Öltanker abzuschließen, Ölfelder zu warten und Transaktionen mit Nicht-US-Bürgern durchzuführen, die sekundäre Sanktionen befürchteten.

Zwei weitere von Trump erlassene Executive Orders (13850 vom 1. November 2018 und 13857 vom 25. Januar 2019) schränkten den Zugang Venezuelas zu Finanzmitteln weiter ein und richteten sich gegen Abnehmer seines Öls, insbesondere in Europa und Indien.

Trump packte die venezolanische Wirtschaft an der Gurgel und drückte zu, so fest er konnte.

Die verheerenden Auswirkungen waren der Trump-Regierung sofort klar. Am 11. März 2019 fragte Matt Lee von Associated Press den damaligen US-Außenminister Mike Pompeo nach der durch die Zangsmaßnahmen ausgelösten humanitären Krise in Venezuela. Pompeos Antwort war direkt:

„Der Kreis zieht sich zu. Die humanitäre Krise verschärft sich stündlich. Ich habe gestern Abend um 19 oder 20 Uhr mit unserem leitenden Mitarbeiter vor Ort in Venezuela gesprochen. Man kann die zunehmenden Schmerzen und Leiden der venezolanischen Bevölkerung sehen.”

Diese „Schmerzen und Leiden” spürte das eigentliche Ziel der Zwangsmaßnahmen: die venezolanische Bevölkerung.

Zwei Jahre später besuchte Alena Douhan, die UN-Sonderberichterstatterin für die negativen Auswirkungen einseitiger Zwangsmaßnahmen auf die Wahrnehmung der Menschenrechte, Venezuela und legte dem UN-Menschenrechtsrat einen Bericht vor. Was Douhan vorfand, war katastrophal: Der Ölpreisverfall von 2014 hatte zu einer weit verbreiteten Verknappung von Lebensmitteln und Medikamenten geführt, die durch Trumps „Maximum Pressure Campaign” ab 2017 noch verschärft wurde.

Diese Krise war ein krasser Gegensatz zu dem deutlich gestiegenen Lebensstandard, den die Bevölkerung seit Beginn der Bolivarischen Revolution 1998 genossen hatte.

Wie Douhan schrieb, „untergrub die Verschärfung der Sanktionen ab 2017 die positiven Auswirkungen der zahlreichen Reformen und die Fähigkeit des Staates, die Infrastruktur aufrechtzuerhalten und Sozialprogramme weiter umzusetzen”. Sie wies insbesondere darauf hin, dass „die bestehenden humanitären Ausnahmeregelungen unwirksam und unzureichend sind, langwierigen und kostspieligen Verfahren unterliegen und nicht die Lieferung von Ersatzteilen oder Ausrüstung und Maschinen abdecken, die für die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Wirtschaft und lebenswichtiger öffentlicher Dienstleistungen unerlässlich sind”.

Das bedeutet, dass das gesamte Regime einseitiger Zwangsmaßnahmen – trotz Ausnahmeregelungen – der venezolanischen Bevölkerung hohe Kosten auferlegt hat, wie wir in unserem aktuellen Dossier „Imperialistischer Krieg und feministischer Widerstand im Globalen Süden” zeigen.

Im Gegensatz zur Darstellung von Leuten wie Trump und Pompeo ist es unmöglich, dass Misswirtschaft und Korruption in nur sieben Jahren (2017–2024) eine derart verheerende wirtschaftliche Lage verursacht haben könnten. Jeder, der sich ernsthaft mit der venezolanischen Wirtschaft befasst hat, hat festgestellt, dass das Fiasko allein der Verschärfung der einseitigen Zwangsmaßnahmen durch die Trump-Regierung seit 2017 zuzuschreiben ist.

Damals bestand Trumps Lateinamerika-Team aus Leuten wie Mauricio Claver-Carone, einem kubanisch-amerikanischen Anwalt. Er war während der ersten Amtszeit von Trump (2017-2021) Direktor für Angelegenheiten der westlichen Hemisphäre im Nationalen Sicherheitsrat. Claver-Carone galt als Ideengeber für Trumps „Maximaldruck”-Kampagne gegen Venezuela und hat laut hochrangigen Beamten des US-Außenministeriums sogar Trumps Executive Orders geschrieben. Nach einem Skandal bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank ist er jetzt Trumps Sondergesandter für Lateinamerika im Außenministerium. Sein Ziel ist es, die Kubanische und die Bolivarische Revolution mit allen Mitteln zu stürzen.

Im April 1976 hat der Sonderausschuss des US-Senats zur Untersuchung der Regierungsaktivitäten im Bereich der Geheimdienste unter dem Vorsitz von Senator Frank Church seinen Abschlussbericht veröffentlicht.

Der Bericht mit dem Titel „Verdeckte Maßnahmen in Chile, 1963–1973″ enthält Dokumente über die Destabilisierung der Regierung von Präsident Salvador Allende.

Darunter ist eine handschriftliche Notiz von CIA-Direktor Richard Helms über ein Treffen am 15. September 1970 im Weißen Haus mit Präsident Richard Nixon, Justizminister John Mitchell und dem nationalen Sicherheitsberater Henry Kissinger. Das Treffen fand elf Tage nach dem Wahlsieg von Allende von der Sozialistischen Partei Chiles statt. Nixon riet seinem Team, „Chile zu retten”, indem sie „die besten Leute, die wir haben”, auf den Fall ansetzten. Der Aktionsplan: „Make the economy scream” (Die Wirtschaft zum Schreien bringen).

Ein paar Wochen nach dem Treffen, am 9. November, reichte Kissinger das National Security Decision Directive Memorandum 93 ein, in dem dieser „Plan” dargelegt wurde.

Mit einer „korrekten, aber kühlen” öffentlichen Haltung, so Kissinger, müssten die USA maximalen Druck ausüben, um Chile daran zu hindern, weitere Finanzmittel zu erhalten, einschließlich des Zugangs zu internationalen Banken und multilateralen Finanzinstitutionen sowie zu privaten US-Unternehmen.

Nach der Verstaatlichung der chilenischen Kupferindustrie versuchten US-amerikanische multinationale Bergbauunternehmen wie Kennecott, chilenische Schiffe abzufangen und ihr Kupfer zu beschlagnahmen oder das Land daran zu hindern, Kupfer an Dritte, darunter auch europäische Länder, zu verkaufen.

Die USA nutzten ihren Einfluss auf den Internationalen Währungsfonds (IWF), um Kredite zu verweigern, und setzten internationale Institutionen unter Druck, Chile daran zu hindern, Schiedsverfahren wegen rechtlicher Streitigkeiten um seine Minen einzuleiten.

Reedereien begannen, Chile zu meiden, und die Kupferexporte des Landes wurden für Käufer weniger attraktiv.

Der Rückgang der Preise und Mengen der Kupferexporte, die 80 Prozent der Deviseneinnahmen Chiles ausgemacht hatten, beeinträchtigte die Wirtschaft erheblich. Er führte zu einer allgemeinen Wirtschaftskrise mit Engpässen bei Importgütern und Industriegütern sowie einer Inflationsrate, die 1973 auf 200 Prozent stieg.

In unserem Dossier vom September 2023 Der Putsch gegen die Dritte Welt: Chile 1973 zeigen wir, wie der Putsch gegen die Regierung Allende tatsächlich ein Putsch gegen alle Versuche der Länder der Dritten Welt war, die Souveränität über ihre Rohstoffe auszuüben und mit diesen Einnahmen eine sozialistische Wirtschaft aufzubauen.

Genau die gleichen Motive sind im Fall von Venezuela erkennbar. Im Februar 2019 hielt Trump in Miami eine Rede über Kuba, Nicaragua, Venezuela und den Sozialismus, in der er erklärte, dass „die Stunde der Dämmerung des Sozialismus in unserer Hemisphäre angebrochen ist”. Trump bezog sich dabei nicht nur auf Lateinamerika, sondern auch auf die USA selbst, die, wie er betonte, „niemals ein sozialistisches Land sein werden”.

Was die USA zwischen 1970 und 1973 mit Chile gemacht haben, machen sie seit mindestens 2017 mit Venezuela.

1972 hat Victor Jara mit seinem Lied „El hombre es un creador” (Der Mensch ist ein Schöpfer) die Stimmung während des Wirtschaftskriegs gegen Chile und den Kern des chilenischen Widerstands gegen diesen Krieg eingefangen. Es ist ein einfaches Lied über die Arbeiterklasse in den Fabriken, auf den Feldern und unter der Erde in den Minen. Die letzte Strophe ist voller Kraft:

Ich habe das Vokabular
des Chefs, des Besitzers und des Patrons gelernt,
sie haben mich so oft umgebracht
weil ich meine Stimme gegen sie erhoben habe,
aber ich stehe wieder vom Boden auf,
weil man mir Hände reicht
weil ich jetzt nicht mehr allein bin,
weil wir jetzt viele sind.

Victor Jara wurde während des Putsches, der Allende stürzte, gefoltert und getötet. Sein Grab in Santiago ist ein Wallfahrtsort für Träumer und Träume. Träume sind wertvoll: Sie geben uns Hoffnung. Träume sind besser als die Bitterkeit von Männern wie Nixon und Trump, Kissinger und Claver-Carone.

Übersetzung: Vilma Guzmán, Amerika21.

Titelbild: Shutterstock / Alexej_Arz