TikTok testet Footnotes – ein dualer Ansatz für Kontext und Plattformverantwortung

Mit dem neuen Community Feature Footnotes setzt TikTok auf user-generierte Kontextinformationen – und positioniert sich im Spannungsfeld zwischen Meinungsvielfalt, Plattformregulierung und Transparenz.

Apr 17, 2025 - 10:13
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TikTok testet Footnotes – ein dualer Ansatz für Kontext und Plattformverantwortung

Im Rahmen eines aktuellen Tests in den USA erprobt TikTok eine neue Funktion. Nutzer:innen können damit kontextuelle Ergänzungen zu Kurzvideos verfassen und bewerten. Das Feature trägt den Namen Footnotes und orientiert sich konzeptionell am Community-Notes-System von X, das vielfach kritisch diskutiert wurde und inzwischen auch von Meta in abgewandelter Form übernommen ist. Ein erster Hinweis auf den Testlauf erschien in einem Threads Post von Lindsey Gamble, einem Analysten für Social-Media-Trends.

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Im Gegensatz zu diesen Akteur:innen setzt TikTok weiterhin auf eine Kombination aus Crowd-basierter Kontextualisierung und professionellem Factchecking durch Drittanbieter:innen. Footnotes ist daher als ergänzende Maßnahme und nicht als Ersatz zu verstehen. Ziel ist es, Informationen zu ergänzen, Missverständnisse zu vermeiden oder Fehlinformationen transparent einzuordnen. Die Sichtbarkeit und Reichweite der Inhalte bleibt dabei unangetastet. Footnotes beeinflusst das algorithmische Ranking nicht.

Community-basierte Kontextualisierung statt algorithmischer Eingriffe

Wie TikTok in einem offiziellen Blog-Beitrag mitteilt, versteht das Unternehmen Footnotes als ergänzendes Format zur bestehenden Faktenprüfung durch externe Partner:innen. Nutzer:innen können Hinweise und Quellen zu Videos hinzufügen – zum Beispiel durch Links zu weiteren TikToks oder zu externen Websites. Sichtbar werden diese Anmerkungen nur, wenn sie innerhalb der Community ausreichend positiv bewertet werden. Adam Presser, Head of Operations, Trust and Safety bei TikTok, beschreibt das Ziel der Einführung wie folgt:

Footnotes offers a new opportunity for people to share their expertise and add an additional layer of context to the discussion using a consensus-driven approach.

Zum Einsatz kommt ein sogenanntes Bridge-based Ranking System. Es orientiert sich an Open-Source-Ansätzen, basiert aber auf einem eigenen Empfehlungsalgorithmus. Dieser priorisiert laut TikTok Übereinstimmungen zwischen Nutzer:innen mit unterschiedlichen Perspektiven.

Zwischen Vertrauen und Kontrolle: TikToks differenzierter Moderationsansatz

Im Gegensatz zu anderen Plattformen passt TikTok im Zuge der Einführung von Footnotes die eigenen Moderationsrichtlinien nicht an. Der Schritt reiht sich damit in eine Debatte ein, wie Plattformen mit user-generierten Kontextinformationen umgehen. Erst dieses Jahr hatte Meta das eigene Factchecking-Programm beendet und durch ein eigenes Community-Notes-System ersetzt. Mehr zu den Hintergründen, zur politischen Einordnung und zur strategischen Neuausrichtung von Metas Community Notes-Integrationen findest du in unserem Artikel.


Metas Factchecking jetzt beendet:
Facebook, Instagram, Threads erhalten Community Notes

2 halbe Smartphone Mockups mit Community Notes auf Screen, schwarzer Hintergrund
© Meta via Canva


TikTok verfolgt hingegen eine hybride Strategie: Professionelle Faktenprüfung bleibt bestehen, wird jedoch durch einen kollektiven Kontextansatz ergänzt – ohne dabei Einfluss auf die Sichtbarkeit der Inhalte zu nehmen. Der Mehrwert soll in der zusätzlichen Einordnung liegen, nicht in der algorithmischen Bewertung.

Teilnahmebedingungen und Funktionsweise

Um Footnotes aktiv nutzen zu können, müssen interessierte Personen bestimmte Kriterien erfüllen. Dazu zählen ein Mindestalter von 18 Jahren, ein aktives TikTok-Konto seit mindestens sechs Monaten sowie eine nachweislich regelkonforme Nutzung ohne Verstöße gegen die Community-Richtlinien. Beiträge innerhalb des Systems können sowohl geschrieben als auch durch andere Community-Mitglieder bewertet werden – ein Prinzip, das auf Konsens und Relevanz setzt.

Obwohl TikTok das Feature laut eigenen Angaben derzeit ausschließlich in den USA testet, ist die deutschsprachige Anmeldemaske bereits auf der Plattform aufgetaucht.

Screenshot der TikTok-Anmeldung zur Funktion Footnotes, die Nutzer:innen dazu einlädt, Videos durch kontextuelle Anmerkungen zu ergänzen und zu bewerten.
TikTok testet mit Footnotes ein Community Feature für mehr Kontext in Kurzvideos, © eigener TikTok Screenshot

Das deutet darauf hin, dass Vorbereitungen für eine breitere oder internationale Einführung bereits im Gange sein könnten – eine offizielle Bestätigung für einen Roll-out im deutschsprachigen Raum gibt es bislang jedoch nicht.

Relevanz für Marken und Plattformstrateg:innen

Für Creator, Unternehmen und Kommunikationsverantwortliche bedeutet die Einführung eine neue Dynamik in der Bewertung von Inhalten. Footnotes könnten sich langfristig auch auf die öffentliche Wahrnehmung von Markeninhalten auswirken – insbesondere dann, wenn kritische oder erklärende Anmerkungen direkt unter unternehmenseigene TikToks platziert werden.

Gerade im Hinblick auf Brand Safety und Plattformtransparenz ist es für Unternehmen wichtig, sich frühzeitig mit den neuen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen. TikTok hat bereits im Vorfeld mit der eigenen Brand Safety Suite und einem umfassenden Exclusion Tools Playbook auf die wachsenden Anforderungen im digitalen Werbeumfeld reagiert. Footnotes stellt eine weitere Ergänzung dar, die Verantwortliche im Marketing- und Content-Bereich im Blick behalten sollten.


Keine Ads mehr neben Cringe Content:
TikTok launcht Brand Safety Tools für Advertiser

Illustration eines Smartphones mit Symbolen für Datenschutz, Sicherheit und Kontrolle, darunter ein Schloss, eine Lupe mit Haken, ein Herz und ein Schild – im typischen TikTok-Stil.
© TikTok


Footnotes als differenzierter Ansatz im Umgang mit Kontext und Plattformverantwortung

Mit Footnotes führt TikTok ein eigenständiges Modell zur kontextuellen Ergänzung von Inhalten ein, das sich bewusst von direkten Moderations- oder Korrekturmaßnahmen anderer Plattformen unterscheidet. Anstelle algorithmischer Herabstufung oder zentraler inhaltlicher Eingriffe setzt TikTok auf eine zusätzliche Kontextebene, die auf community-basierter Bewertung und auf etablierten Faktenprüfungsstrukturen basiert.

Vor dem Hintergrund aktueller Debatten rund um Plattformregulierung, Desinformation und Meinungsfreiheit markiert dieser Ansatz eine strategische Differenzierung: TikTok versucht, Transparenz und Einordnung zu ermöglichen, ohne aktiv in die Reichweite einzelner Beiträge einzugreifen. Ob sich dieses Modell langfristig als belastbarer Kompromiss zwischen redaktioneller Verantwortung und offener Diskurskultur etablieren kann, bleibt abzuwarten – es signalisiert jedoch einen bewusst zurückhaltenden, aber systematisch integrierten Umgang mit Plattformintegrität.