Thorium-Flüssigsalzreaktor: China belebt eine fast vergessene Reaktortechnologie wieder

In der Wüste Gobi setzt man sich mit einem Reaktortyp auseinander, der auf jahrzehntealten US-Plänen basiert. Es handelt sich um einen experimentellen Thorium-Flüssigsalzreaktor, der nun entscheidende Betriebsziele erreicht hat. Es handelt sich um einen Erfolg, der eine Signalwirkung für die Energiebranche haben könnte. Auf einem Treffen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften wurde offiziell bestätigt, dass …

Apr 23, 2025 - 10:21
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Thorium-Flüssigsalzreaktor: China belebt eine fast vergessene Reaktortechnologie wieder

In der Wüste Gobi setzt man sich mit einem Reaktortyp auseinander, der auf jahrzehntealten US-Plänen basiert. Es handelt sich um einen experimentellen Thorium-Flüssigsalzreaktor, der nun entscheidende Betriebsziele erreicht hat. Es handelt sich um einen Erfolg, der eine Signalwirkung für die Energiebranche haben könnte. Auf einem Treffen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften wurde offiziell bestätigt, dass der Reaktor Schlüsseltechnologien beherrscht.

Bild: SINAP

Fortschritte bei „alter“ Reaktortechnologie

Der Reaktor mit der Bezeichnung TMSR-LF1 steht am Standort Wuwei in der chinesischen Provinz Gansu. Er verwendet Thorium als Brennstoff. Dabei handelt es sich um ein Element, das auf der Erde wesentlich häufiger vorkommt als Uran und sich deutlich schwieriger für Waffen missbrauchen lässt, also weniger proliferationsgefährdet ist. Bei einem Thorium-Brennstoffkreislauf fallen auch weniger langlebige radioaktive Abfälle an.

Für den Reaktor wurde eine Flüssigsalzreaktor-Technologie (Molten Salt Reactor, MSR) verwendet, die bei niedrigerem Druck arbeitet und daher wichtige Sicherheitsvorteile gegenüber Wasserreaktoren bietet. Als Flüssigsalz kommt eine Lithium-Beryllium-Fluorid-Mischung (FLiBe) zum Einsatz. Diese fungiert gleichzeitig als Brennstoffträger und Kühlmittel und trägt zur erhöhten Sicherheit bei. Die Mischung würde im Falle eines Lecks einfach erstarren statt sich weiträumig zu verteilen. Dabei würde freigesetzte Radioaktivität in der erstarrten Mischung „eingesperrt“.

Der TMSR-LF1-Reaktor konnte seine volle thermische Leistung von zwei Megawatt bereits im Juni 2024 erreichen und auch stabil halten. Nun allerdings konnte auf dem Treffen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften ein weiterer Erfolg vermeldet werden, nämlich die erfolgreiche Demonstration des Online-Refuelings im Oktober 2024. Dabei handelt es sich um eine Weltpremiere für diese Reaktortechnologie: Erstmals konnte Brennstoff im laufenden Betrieb nachgefüllt werden. Es handelt sich um einen der entscheidenden Vorteile, die die Technologie gegenüber herkömmlichen Kernkraftwerken hat. Diese müssen nämlich für den Brennstoffwechsel abgeschaltet werden.

Kommerzielle MSR-Reaktoren könnten Energie für Jahrtausende liefern

Der chinesische Erfolg wurde unter Federführung des Shanghai Institute of Applied Physics erreicht. Ursprünglich wurde die MSR-Technologie allerdings in den 1960er-Jahren in den USA erforscht. Diese Forschungsbemühungen wurden dann zugunsten der Uran-Technologie nahezu vollständig aufgegeben. Für das Projekt in China wurden unter anderen auch öffentlich zugängliche Forschungsdaten aus den USA verwendet. „Hasen machen manchmal Fehler oder werden faul. Dann ergreift die Schildkröte ihre Chance„, kommentierte der Projektleiter Xu Hongjie diesen Umstand gegenüber der Publikation The Express Tribune.

Allerdings handelt es sich bei TMSR-LF1 noch um einen relativ kleinen Forschungsreaktor, dessen geplante Betriebstemperatur bei 650 Grad Celsius liegt. Die starke Korrosion durch die heißen, radioaktiven Salze erfordern spezielle High-Tech-Materialien und gehören bei der Skalierung derartiger Reaktoren wohl zu den größten Herausforderungen. Und genau darum geht es derzeit: Den Reaktor auf kommerzielle Größen zu skalieren.

Dabei verfolgt China ambitionierte Pläne- Bereits ab diesem Jahr soll ein größerer Demonstrationsreaktor gebaut werden, der eine elektrische Leistung von 10 Megawatt erreichen und bis 2030 in Betrieb gehen soll. Langfristig sollen dann komerzielle Thorium-SMRs (Small Modular Reactors) gebaut werden, die eine Leistung von 100 Megawatt erreichen. China denkt außerdem darüber nach, Thorium-MSRs in der Schifffahrt zu verwenden.

Mit dem betriebsbereiten TMSR-LF1 steht China aktuell an der Spitze der Forschung in diesem Bereich. Allerdings hat die ganze Welt Interesse an Thorium als Brennstoff sowie an MSR-Reaktoren. Indien etwa verfügt über sehr große Thoriumreserven und hat seit mehreren Jahrzehnten ein entsprechendes Programm. Auch in Europa und Nordamerika wird an entsprechenden Technologien geforscht

In China lagern ebenfalls große Thorium-Reserven, die dem Land potentiell Energiesicherheit über mehrere Jahrtausende bieten könnten.

via Interesting Engineering