Luis Rubiales: Prozess in Spanien – Unter Druck
Seit Anfang Februar läuft in Spanien der Prozess gegen Luis Rubiales, den ehemaligen Präsidenten des spanischen Fußballverbandes. Dabei geht es um weit mehr als die Einvernehmlichkeit eines Kusses.

Am 20. August 2023 feierte Jennifer Hermoso in Sydney den ersten Weltmeistertitel der spanischen Frauen-Nationalmannschaft. Verglichen mit der Männer-WM ist das öffentliche Interesse am Turnier der Frauen eher gering – doch ein Mann sorgte dafür, dass die Bilder von der Siegerehrung dennoch um die Welt gingen: Luis Rubiales.
Der Präsident des spanischen Fußballverbandes RFEF packte Jennifer Hermoso bei der Siegerehrung mit beiden Händen am Kopf und küsste sie auf den Mund. „Mir hat das nicht gefallen“, soll Hermoso noch in der Kabine zu ihren Mitspielerinnen gesagt haben. Sie zeigte Rubiales wegen sexuellen Übergriffs und Nötigung an.
Anfang Februar startete in Madrid der Prozess. Auch dort verneinte Hermoso die Frage, ob sie dem Kuss zugestimmt habe – Rubiales hatte dies immer wieder behauptet. „Dass mein Boss mich küsst, so etwas kann und darf nicht passieren“, beschwerte sich Spaniens Rekordtorschützin über Rubiales. Tatsächlich ist auf den Fernsehbildern zu erkennen, dass der Kuss von Rubiales ausging.
Der ehemalige Verbandschef weist dennoch nach wie vor jede Schuld von sich und sieht sich als Opfer eines „falschen Feminismus“, der ihn „killen“ wolle. Er beharrt darauf, im gegenseitigen Einverständnis gehandelt zu haben. Er habe die Spielerin gefragt, ob er sie küssen dürfe, als sie ihn freudestrahlend umarmte. Rubiales ist sich bis heute sicher, „dass sie mir ihre Erlaubnis gegeben hat“. Ein Lippenleser entlastete Rubiales und bestätigte vor Gericht, dass der Präsident tatsächlich nach einem „Küsschen“ gefragt habe und Hermoso die Erlaubnis gegeben habe – ob sie wusste, dass damit ein Kuss auf den Mund gemeint war, blieb unklar.
Es geht um mehr als einen Kuss
Die Staatsanwaltschaft fordert zweieinhalb Jahre Haft – ein Urteil steht noch aus. Verhandelt wird jedoch nicht nur über den Kuss, denn: Rubiales soll die Nationalspielerin nach dem Kuss massiv unter Druck gesetzt haben, um den Skandal herunterzuspielen. Immer wieder warf er Hermoso öffentlich vor, „Lügen“ zu erzählen. Hermoso wurde zwischenzeitlich nicht mehr für die Nationalmannschaft nominiert – angeblich zu ihrem eigenen Schutz. Auch ein Entzug der Spielerlaubnis stand lange Zeit im Raum, was das Ende ihrer Karriere bedeutet hätte.
Abseits der Öffentlichkeit soll der Präsident versucht haben, Hermoso zur Kooperation zu überreden. Die 34-Jährige sagte aus, dass sie den Kuss-Skandal beschönigen und im Nachhinein noch ihr Einverständnis geben sollte – Mannschaftskameradinnen der Nationalmannschaft bestätigten Hermosos Aussagen vor Gericht. Offenbar wollte Rubiales wollte ein Video mit ihr drehen, um seine Unschuld zu beweisen. Da sich Hermose weigerte, suchte Rubiales nach einer anderen Möglichkeit, um sie zum Schweigen zu bringen: eine Verleumdungsklage. Dabei konnte er auf die Unterstützung des Verbands zählen, der ankündigte ebenfalls gerichtlich gegen Hermoso vorzugehen – ohne Erfolg.
Flucht aus Madrid
Verschiedene Verbandsmitarbeiter sollen sich für Rubiales eingesetzt haben und in seinem Sinne Druck auf die Spielerin ausgeübt haben. Hermosos Bruder sagte vor Gericht aus, dass der ehemalige spanische Nationaltrainer Jorge Vilda seiner Spielerin mit negativen Konsequenzen für ihre Karriere gedroht habe, falls sie nicht kooperiere. Auch dieser mutmaßliche Einschüchterungsversuch blieb erfolglos – inzwischen ist Vilda nicht mehr im Amt.
Auch die Mutter des Angeklagten mischte sich in die Debatte ein und trat als Reaktion auf die „Hetzjagd“ auf ihren Sohn in den Hungerstreik. Die Einschüchterungen zeigten Wirkung: Nach eigener Aussage erhielt Hermoso Morddrohungen und wurde im Netz zum Teil massiv beschimpft. Daraufhin sah sie sich gezwungen, ihre Heimatstadt Madrid zu verlassen und spielt seitdem in Mexiko.
Unterstützung erhielt Hermoso aus Teilen der Politik und von ihren Mannschaftskameradinnen. Aufforderungen nach seinem Rücktritt kam Rubiales erst Wochen später nach. Auch zu einer öffentlichen Entschuldigung konnte er sich bis heute nicht durchringen. Stattdessen wurde Rubiales von der FIFA für drei Jahre gesperrt. Auch deshalb, weil Rubiales sich beim Tor der Spanier provokant in den Schritt gefasst hatte – neben der minderjährigen Tochter des spanischen Königs.