Leif Inselmann über eine Oster-Kontroverse in der altorientalistischen Forschung: „Glaubten die Babylonier an Tod und Wiederauferstehung des Gottes Marduk?“
Leif Inselmann beleuchtet in seinem Blog "Wunderkammer der Kulturgeschichte" die Forschung zur Frage: Gibt es eine Parallele zwischen der Passionsgeschichte Christi und den Erzählungen zum babylonischen Gott Marduk? Weiterlesen →

Leif Inselmann, der am Mittwoch bei den SitP Hamburg einen Vortrag über Erich von Däniken halten wird, hat pünktlich zu den Osterfeiertagen einen neuen Beitrag auf seinem Blog veröffentlicht. Darin greift er eine Debatte in der altorientalischen Forschung auf:
In religionskritischen Publikationen wird gerne darauf verwiesen, dass viele Elemente des Christentums keinesfalls neu und exklusiv seien – vielmehr fänden viele christliche Vorstellungen Parallelen oder sogar direkte Vorbilder in älteren Kulturen und Religionen der Antike. Dass etwa die biblische Sintflutgeschichte auf babylonische Vorbilder wie das Atram-ḫasīs– und Gilgameš-Epos zurückgeht, gilt in der Forschung heute als Konsens. Doch finden sich in einschlägigen Publikationen immer wieder auch zweifelhafte Behauptungen. So sammelte etwa der Historiker Karlheinz Deschner – berühmt für seine zehnbändige Kriminalgeschichte des Christentums – in seinem Buch Der gefälschte Glaube (1988) zahlreiche solche Parallelen für die Erzählungen des Neuen Testaments und Rituale des Christentums.
Leif betrachtet in seinem Artikel die These von Deschner, der Parallelen zwischen der Passion Christi und der Erlösungsgeschichte des babylonischen Gottes Marduk sieht. Deschner vermutet daher einen intertextuellen Bezug. Doch überraschend ist, dass diese Parallele in der Forschung kaum Beachtung findet.
Umso erstaunlicher scheint es, dass diese intertextuelle Beziehung in der modernen Forschung – sowohl der Theologie, was vielleicht weniger überraschend wäre, als auch der Altorientalistik ‒ keinerlei Rolle spielt. Tatsächlich sucht man eine solch detaillierte Geschichte von Tod und Auferstehung Marduks in modernen Texteditionen der babylonischen Mythen (etwa Stephanie Dalleys Myths from Mesopotamia, Benjamin Fosters Before the Muses oder der electronic Babylonian Library) vergeblich.
Heinrich Zimmern hat mit seiner Interpretation eines Keilschriftfragments maßgeblich zu dieser Deutung beigetragen. Zimmern stand
in einer Tradition der frühen deutschen Altorientalistik, die in mesopotamischen Texten Vorbilder für die Erzählungen der Bibel suchte. So war zur gleichen Zeit unter Forschern wie Hugo Winckler und Alfred Jeremias mit dem Panbabylonismus eine umstrittene Lehre entstanden, welche das alte Babylonien als Grundlage und religiöses Vorbild fast aller anderen antiken Hochkulturen betrachtete.
Bei näherer Betrachtung steht diese Interpretation jedoch auf wackeligen Füßen:
[V]on der Grablege und Auferstehung ist in dem erhaltenen Fragment gar nicht explizit die Rede, ebenso wenig vom rekonstruierten Speer. Handelt es sich also wirklich um ein babylonisches Vorbild der christlichen Passionsgeschichte?
1955 hat der Altorientalist Wolfram von Soden widersprochen – und mit einer neuen Aufarbeitung der Quelle der Marduk-Jesus-Parallele den wissenschaftlichen Boden entzogen:
Gerade von den zentralen Punkten der rekonstruierten Erzählung – dem Tod und der Auferstehung ‒ in dem vorliegenden Text demnach überhaupt nie die Rede gewesen.
Zweifellos geht es in dem mythischen Text darum, dass der babylonische Marduk gefangen gehalten und mit dem Tode bedroht wird – für eine Hinrichtung und Auferstehung im Sinne Christi spricht dagegen nichts
In der Forschung zeichnet sich seither ein klares Bild ab:
Zimmerns Interpretation ist seit der Kritik durch Wolfram von Soden für die akademische Altorientalistik vom Tisch – in der nachfolgenden Forschung spielte diese Lesart des Marduk-Ordals keine Rolle mehr. So kann auch jede Parallele zum Martyrium Christi endgültig verworfen werden.
Die von Zimmern postulierte und bis zu Karlheinz Deschner rezipierte Jesus-Marduk-Parallele hat in den Quellen keine Grundlage und ist von der modernen Altorientalistik schon seit langem verworfen worden.
Zum kompletten Artikel, der die Debatte ausführlich und detailliert darstellt, geht’s hier entlang.
Zum Thema:
- Artikel: Ankündigung: Vortrag über Erich von Däniken und die Prä-Astronautik bei den SitP HH, GWUP-Blog vom 20.04.2025
- Artikel: Babylonische Verwirrung – König Hammurapi im Kapitol, Leif Inselmann (Wunderkammer der Kulturgeschichte) vom 30.09.2023
- Video: Why Easter is NOT Mesopotamian, or, Don’t Trust Memes, Digital Hammurabi vom 21.04.2019
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