Krieg in der Ukraine: Drohnen als wichtigste Munition, deutsche Waffensysteme zu kompliziert

Der Vortrag, den der stellvertretende deutsche Militärattaché in der Ukraine an der Unteroffiziersschule des Heeres in Delitzsch bei Leipzig hielt, ist zwar schon fast zweieinhalb Monate her. Seine Schlussfolgerungen aus dem Krieg in der Ukraine dürften die deutschen Streitkräfte aufgeschreckt haben: Der Stellenwert von Drohnen auch und gerade als Munition ist noch höher als gemeinhin bekannt. Und: deutsche Waffensysteme sind, so das Fazit, zum großen Teil nicht uneingeschränkt kriegstauglich. Über die Zusammenfassung des Vortrags hatten zuerst ARD und Süddeutsche Zeitung

Apr 10, 2025 - 21:39
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Der Vortrag, den der stellvertretende deutsche Militärattaché in der Ukraine an der Unteroffiziersschule des Heeres in Delitzsch bei Leipzig hielt, ist zwar schon fast zweieinhalb Monate her. Seine Schlussfolgerungen aus dem Krieg in der Ukraine dürften die deutschen Streitkräfte aufgeschreckt haben: Der Stellenwert von Drohnen auch und gerade als Munition ist noch höher als gemeinhin bekannt. Und: deutsche Waffensysteme sind, so das Fazit, zum großen Teil nicht uneingeschränkt kriegstauglich.

Über die Zusammenfassung des Vortrags hatten zuerst ARD und Süddeutsche Zeitung berichtet. Das Papier liegt Augen geradeaus! vor.

Als wesentliche Erkenntnis findet sich darin gleich zu Beginn die Einschätzung der Bedeutung unbemannter Systeme, insbesondere fliegender Drohnen (Unmanned Aerial Systems, UAV):

UAV ist eine beherrschende „Munitionsart“ (mit Trefferrate 50%) an der Front. … Ein vollständiges Behersschen des Raumes bis 6 km Tiefe durch UAV (LMS) [Loitering Munition Systeme, T.W.] liegt vor. Der tägliche „Verbrauch“ von UAV (FPV, Aufklärung, Electronic Warfare-Träger, „Mutter-UAV“) beträgt ca. 400 Stück, ca 4 Mio werden jährlich oft in Heimarbeit produziert, ca. 30.000 in Lagern weil durch Gegenmaßnahmen zurzeit nicht einsetzbar (oft hilft ein Softwareupdate in Bezug auf die Gegenmaßnahme). „KI übernimmt das Ruder“, da durch russische Electronic Warfare sehr oft weite Abschnitte gesperrt werden (GPS-denied areas).

Neben den fliegenden Drohnen werden allerdings auch unbemannte Transportfahrzeuge immer wichtiger. Dabei geht es um das Verlegen von Minen ebenso wie um elektronische Kriegführung und die Versorgung. Und um den Verwundetentransport. Der ist ohnehin eine große Schwachstelle, hieß es in dem Vortrag: die durchschnittliche Wartezeit auf den Transport vom Ort einer Verwendung zu einer Sanitätsversorgung zur Stabilisierung liege bei acht Stunden – sie könne aber auch drei Tage betragen.

Bei deutschen Waffensystemen, die an die Ukraine geliefert wurden, kommt der Vortrag zu dem Schluss: Kompliziertes Gerät bleibt ungenutzt, vor allem, wenn keine Instandsetzung durch die Truppe selbst vor Ort möglich ist. Das – bei der Bundeswehr übliche – System der Instandsetzung durch zivile Mitarbeiter sei in der Ukraine in Frontnähe praktisch ausgeschlossen. Damit seien vor allem die komplizierteren Waffensysteme Panzerhaubitze 2000 und Kampfpanzer Leopard 2A6 nur von geringem Gesamtnutzen.

Folgerichtig gilt denn auch der Flugabwehrkanonenpanzer Gepard, der in der Bundeswehr vor mehr als einem Jahrzehnt ausgemustert wurde, als das beliebteste, effizienteste und zuverlässigste Waffensystem. Auch der Jahrzehnte alte Schützenpanzer Marder sei ein sehr beliebtes Gefechtsfahrzeug ohne Einschränkung.

Je moderner das Waffensystem, um so schwieriger ist angesichts der Herausforderungen an Front-Tauglichkeit und Instandhaltung der Einsatz in der Ukraine. So gelte die Panzerhaubitze 2000 zwar nach ihren Leistungsdaten als hervorragendes Waffensystem, habe aber so hohe technische Anfälligkeit, dass Kriegstauglichkeit stark in Frage gestelt wird. Beim Leopard 2A6 mache sich ebenfalls negativ der hohe Aufwand bei Instandsetzung bemerkbar, zudem sei oft keine Feldinstandsetzung möglich.

Neben der technischen Komplexität behindern offensichtlich auch andere Faktoren den Einsatz der von der Bundeswehr gelieferten Waffensysteme an der Front. So sei der Raketenwerfer MARS zwar vor allem wegen seiner Reichweite der „Gamechanger“ auf dem Gefechtsfeld – aber die deutschen Werfer dürften nicht mit Streumunition eingesetzt werden, was sie nur teilweise durch Ukraine nutzbar mache. Das Flugabwehrsystem Iris-T in den Varianten SLM und SLS habe sehr gute Wirkung – aber einen zu hohen Preis für die Munition.

Uneingeschränkt kriegstauglich ist kaum ein deutsches Großgerät, heißt es in der Zusammenfassung des Vortrags. Als unmittelbare Lessons Learned für die Truppe werden allerdings erstmal kurzfristige Schritte für die Ausbildung in Deutschland empfohlen: Unter anderem müsse die Truppe lernen, mit langfristigem Ausfall der Funkverbindungen zu leben, die durch gegnerische elektronische Kampfführung mit stundenlangem Sperren fast aller Funkkreise und Ausfall der Satellitennavigation blockiert würden. Und: der Anteil der Sanitätsversorgung in den Übungen, so ein Fazit des Vortrags, müsse erheblich verstärkt werden: mit mehr und besserer Ausbildung aller Soldaten.

Eine weitere Erkenntnis aus dem Vortrag Ende Januar ist längst beim Generalinspekteur angekommen. UAV-Kampf und Abwehr gehören zum Fähigkeitsspektrum jedes Einzelschützen, hieß es an der Unteroffiziersschule des Heeres in Delitzsch. Vergangene Woche ließ General Carsten Breuer im Bundeswehr-internen Podcast Auf Augenhöhe mit dem Generalinspekteur erkennen, dass diese Botschaft verstanden wurde: Ich glaube, dass wir dazu kommen müssen, dass wir Drohnen als Jedermannaufgabe verstehen. … Also wenn heute jeder sein Doppelfernrohr nutzt, um damit eben auf weite Entfernungen schauen zu können, wird genau das vielleicht in Zukunft eine Drohne machen …. Und so wie heute jeder von uns mit einer völligen Selbstverständlichkeit ein Doppelfernrohr nutzt, so muss man zukünftig dann auch Drohnen nutzen.