Konflikt zwischen Indien und Pakistan weitet sich aus: Soldaten beider Atommächte liefern sich Grenzscharmützel

Die Spannungen in der Region Kaschmir nehmen weiter zu. Nach Angaben eines pakistanischen Regierungsvertreters beschossen indische und pakistanische Soldaten erstmals einander in der Nacht vom 24. zum 25. April. Die Schüsse fielen im Leepa-Tal an der durch Kaschmir verlaufenden Kontrolllinie, wie Syed Ashfaq Gilani, Regierungsvertreter im pakistanisch kontrollierten Teil der Region, gegenüber der Nachrichtenagentur AFPWeiterlesen

Apr 28, 2025 - 08:03
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Konflikt zwischen Indien und Pakistan weitet sich aus: Soldaten beider Atommächte liefern sich Grenzscharmützel

Die Spannungen in der Region Kaschmir nehmen weiter zu. Nach Angaben eines pakistanischen Regierungsvertreters beschossen indische und pakistanische Soldaten erstmals einander in der Nacht vom 24. zum 25. April. Die Schüsse fielen im Leepa-Tal an der durch Kaschmir verlaufenden Kontrolllinie, wie Syed Ashfaq Gilani, Regierungsvertreter im pakistanisch kontrollierten Teil der Region, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP feststellte. Im Laufe des Wochenendes kam es zu weiteren militärischen Spannungen. Von Ramon Schack.

Was für eine tragische Parallele: Die im März letzten Jahres von den sogenannten pakistanischen Taliban verübten Anschläge in Pakistan, für die die pakistanische Regierung die Taliban in Afghanistan verantwortlich machte, führten zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Afghanistan und Pakistan. Fast genauso, wie Islamabad damals gegenüber Kabul agierte, verfährt heute Neu-Delhi gegenüber seinem westlichen Nachbarn.

Die indische Regierung macht Pakistan für den blutigen Terroranschlag im indisch verwalteten Teil von Kaschmir verantwortlich, weist alle pakistanischen Staatsbürger aus und leistet sich Grenzgefechte. Die angespannten Beziehungen zwischen den beiden Atommächten erhitzen sich. Die UNO rief beide Staaten zu „maximaler Zurückhaltung“ auf. „Wir appellieren an beide Regierungen, größtmögliche Zurückhaltung zu üben und sicherzustellen, dass sich die Situation und die Entwicklungen, die wir gesehen haben, nicht weiter verschlechtern“, sagte UNO-Sprecher Stephane Dujarric am Donnerstag in New York. Alle Probleme zwischen Pakistan und Indien sollten „friedlich“ gelöst werden, so Dujarric weiter.

Polizei fahndet nach Terroristen

Die Attacke auf die Touristen wurde am Dienstag im beliebten Urlaubsort Pahalgam verübt, etwa 90 Kilometer von der Stadt Srinagar entfernt. Die Terroristen töteten 26 Menschen aus Indien und einen Nepalesen. Niemand bekannte sich zu der Tat. Die indische Polizei fahndete nach drei Angreifern der pakistanischen Extremistengruppe Lashkar-e Taiba (LeT) und setzte ein Kopfgeld in Höhe von zwei Millionen Rupien [ca. 20.600 Euro, Anm. d. Red.] aus.

Wichtigste Grenzübergänge geschlossen

In der Regel verüben die in der zwischen Indien und Pakistan umstrittenen Region aktiven militanten Gruppen Angriffe geringeren Ausmaßes auf indische Sicherheitskräfte. Von indischer Seite wurde die Verantwortung Pakistan zugewiesen, das in Kaschmir angeblich „grenzüberschreitenden Terrorismus“ unterstütze. Dass Pakistan selbst unter Terrorismus leidet, wofür es Afghanistan verantwortlich macht, wie eingangs erwähnt, wird dabei von der hindunationalistischen Regierung verschwiegen. Indien hatte bereits am Mittwoch eine Reihe von Strafmaßnahmen beschlossen. So verkündete das Außenministerium in Neu-Delhi die Schließung des wichtigsten gemeinsamen Grenzübergangs sowie die Aussetzung eines Abkommens zur Verteilung von Wasserressourcen mehrerer Himalaya-Flüsse.

Pakistan spricht von „Kriegsakt“

Die Regierung in Islamabad ließ daraufhin verlautbaren, jeder Versuch Indiens, durch ein Aussetzen des Wasserabkommens für den Indus in Kaschmir die pakistanischen Wasserressourcen zu gefährden, werde als „Kriegsakt“ bewertet. Die nördliche Himalaya-Region Kaschmir, die mehrheitlich von Muslimen bewohnt wird, ist seit der Unabhängigkeit Indiens und Pakistans im Jahr 1947 geteilt. Beide Länder beanspruchen das Gebiet vollständig für sich und haben bereits zwei Kriege um die Kontrolle der Bergregion geführt.

Die aktuellen Spannungen dürften vor allem die innenpolitische Stabilität Pakistans weiter erschüttern. Während lange Zeit die Gefahr einer iranischen Atombombe in der westlichen Weltöffentlichkeit bis zur Hysterie aufgebauscht wurde, nahm kaum jemand zur Kenntnis, dass im benachbarten Pakistan die Taliban an den Toren zur Macht stehen. Nicht umsonst handelte sich Pakistan unter Experten den unrühmlichen Titel ein, eines der gefährlichsten Länder der Welt zu sein.

Pakistan – der gefährlichste Staat der Welt?

Der pakistanische Taliban-Experte Ahmed Rashid wies darauf hin: Ohne Pakistan sind die Probleme in Afghanistan nicht lösbar. Die afghanischen Taliban haben sich teilweise auf pakistanisches Gebiet zurückgezogen, in die unzugänglichen Berggegenden Waziristans. Diese Region steht nur noch theoretisch unter der Hoheit der pakistanischen Administration. Die afghanischen Taliban genießen dort, von wo aus sie ihre Operationen starten, sogar teilweise den Schutz ihrer pakistanischen Brüder. Afghanistan und Pakistan sind schicksalhaft miteinander verbunden. Das hat drei Gründe: das demographische Gewicht Pakistans, sein Einfluss auf die Paschtunen im Süden Afghanistans und die geographische Nähe der beiden Länder. Die Armee Pakistans steht unter einem enormen Druck, ebenso die politische Klasse. Auch mit Iran gab es in jüngster Zeit Grenzkonflikte. Dies ist besorgniserregend, denn immerhin handelt es sich bei Pakistan um einen Staat, der mehr Einwohner als Russland zählt, von beträchtlicher strategischer Bedeutung ist und über Atomwaffen verfügt. Indien, das bevölkerungsreichste Land und eine der aufstrebenden Supermächte, nutzt den Konflikt mit Pakistan, um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Die indische Regierung ist sich ihrer Macht bewusst und vertritt demonstrativ ihre Interessen, wohl wissend, dass weder Washington, Peking noch Moskau angesichts der geopolitischen Ausgangslage weltweit etwas einzuwenden haben bzw. einwenden könnten.

Titelbild: Shutterstock / Tomasz Makowski