Geldsorgen: Klimaschutz verliert in Städten und Gemeinden an Bedeutung
Viele Kommunen sehen Klimaschutz nicht mehr als wichtigste Aufgabe an. Das zeigt sich an Zahlen eines wichtigen Zertifizierungssystems: Dort steigen mehr und mehr Kommunen aus

Viele Kommunen sehen Klimaschutz nicht mehr als wichtigste Aufgabe an. Das zeigt sich an Zahlen eines wichtigen Zertifizierungssystems: Dort steigen mehr und mehr Kommunen aus
In immer mehr deutschen Kommunen verliert der Klimaschutz an Bedeutung. Nach Zahlen des European Energy Award (EEA), dessen Zertifizierungssystem europaweit in fast 2000 Städten und Gemeinden angewandt wird, haben in den vergangenen beiden Jahren die Austritte von Kommunen aus dem System hierzulande deutlich zugenommen.
Wie die EEA-Bundesgeschäftsstelle gegenüber Capital erklärte, verabschiedeten sich von zuvor 340 deutschen Städten und Gemeinden im Jahr 2023 etwa vier Prozent, 2024 waren sogar gut zehn Prozent der teilnehmenden Kommunen. Die Austritte seien „weiter anhaltend“ und lägen dauerhaft über den Eintritten, hieß es. Auf seiner Website verzeichnet das Programm, das in der Hälfte der deutschen Bundesländer auch als Grundlage für klimapolitische Förderprogramme dient, aktuell knapp 300 teilnehmende Städte und Gemeinden.
Der Klimaschutz sei als Aufgabe „von der Prioritätenliste gerutscht“, erklärte EEA-Geschäftsführerin Ilga Schwidder die Entwicklung. Zudem verwies sie auf die angespannte Haushaltslage auf kommunaler Ebene, deretwegen viele Rathäuser sich auf die gesetzlichen Pflichtausgaben beschränken müssten.
Kritik an „Selbstbelobigungsprojekt“
Auf das Missverhältnis zwischen den ambitionierten Klimaschutzzielen vieler Städte und der unzureichenden Kapitalausstattung wies zuletzt auch der Deutsche Städtetag hin. „Die offene Flanke ist die Finanzierung“, heißt es in einem Positionspapier des Verbands zur Bundestagswahl. „Transformationsaufgaben wie Energiewende, Wärmewende, Mobilitätswende und Klimaanpassung sind nicht durchfinanziert.“ Um Planungs- und Investitionssicherheit zu schaffen, sei der Bund gefordert. „Bei Klimaschutz und Klimaanpassung sollten wir uns der Idee einer neuen Gemeinschaftsaufgabe nähern.“
Im Januar erklärte zuletzt die südbadische 13.000-Einwohner-Stadt Wehr ihren Austritt aus dem EEA. Dies sei „keine einfache Entscheidung“, hieß es von der Gemeinde. 2024 beschlossen unter anderem das rheinische Eschweiler sowie die Kleinstädte Markdorf (Bodenseekreis) oder Mietingen (bei Biberach), nicht mehr am Qualitätsmanagement des EEA teilzunehmen. 2022 war bereits der Landkreis Unterallgäu ausgetreten.
Aktuell diskutiert zum Beispiel das bei Stuttgart gelegene Leonberg, eine Stadt mit immerhin fast 50.000 Einwohnern, über einen Verbleib in dem Programm. Der EEA sei ein „Selbstbelobigungsprojekt“, kritisierte Jörg Langer von den Freien Wählern im Gemeinderat. Widerspruch kam von den Grünen: „Wir brauchen die Priorisierung von Klimathemen“, so Ratsmitglied Bernd Murschel.