Elon Musk will Regierungszahlungen auf Blockchain bringen
Wenn der Staat das Geld von Bürgern ausgibt, sollte Transparenz das höchste Ziel sein. Nichts gewährleistet dies so gut wie eine Blockchain. Elon Musks Vorstoß, diese fürs Finanzministerium einzusetzen, erntet Applaus der Branche, aber auch ein wenig Kritik - und führt zu einer fundamentalen Frage über Demokratie und Transparenz.

Wenn der Staat das Geld von Bürgern ausgibt, sollte Transparenz das höchste Ziel sein. Nichts gewährleistet dies so gut wie eine Blockchain. Elon Musks Vorstoß, diese fürs Finanzministerium einzusetzen, erntet Applaus der Branche, aber auch ein wenig Kritik – und führt zu einer fundamentalen Frage über Demokratie und Transparenz.
Elon Musk, der sich mit seiner angeblichen Behörde „DOGE“ derzeit die Ausgaben der US-Regierung vorknöpft, erlangte vor kurzem Zugriff auf das Zahlungssystem des Finanzministerium. Dessen Daten waren bisher eigentlich streng geheim.
Musk behauptet nun, herausgefunden zu haben, dass weite Teile der Zahlungen – mindestens 50 Milliarden Dollar pro Jahr – Verschwendung oder Betrug sein soll. Insgesamt seien die Zahlungen intransparent, nicht einmal mit einem Betreff oder einer Kategorie versehen, was das Mindeste sein sollte.
Dass nun die Art und Weise, wie die mächtigste Regierung der Welt Zahlungen verarbeitet, öffentlich wird, ist spannend. Noch spannender wurde es aber, als sich der Investor Mario Nawful einschaltete, und auf Twitter fragte: „Sollte das Finanzministerium auf eine Blockchain gesetzt werden, sodass dies nicht mehr passiert?“ – worauf Musk kurz, aber prägnant mit „Ja!“ antwortete.
Transparenz ist die beste Art von Kontrolle
Damit steht eine Idee im Raum, die ebenso interessant wie kontrovers und verwirrend ist: Sollte man staatliche Transaktionen auf eine Blockchain übertragen?
Generell liegt der Vorschlag so nah, dass es weh tut, dass es erst jemanden wie Elon Musk braucht, um darüber zu reden: Eine Blockchain ist offen, also für jeden einsehbar, und sie erlaubt es nicht, Zahlungsspuren nachträglich zu verändern. Eine solche Transparenz sollte für Regierungsorgane, die mit dem Geld der Steuerzahler für das öffentliche Wohl arbeiten, eigentlich obligatorisch sein.
Eine Blockchain zu verwenden und staatliche Zahlungen darauf zu dokumentieren, würde quasi aus dem Stand heraus Korruption, „Vetternwirtschaft“, Misswirtschaft und Ineffizienz an der Grenze zum Betrug ausmerzen. Es sollte überhaupt nicht zur Debatte stehen, ob es eine gute Idee ist, denn es wäre die schärfte Maßnahmen aller Zeiten gegen staatlicher Korruption.
Dementsprechend optimistisch steht die Krypto-Szene diesem Vorschlag gegenüber. Brian Armstrong, CEO der großen Krypto-Börse Coinbase, lobt auf Twitter nicht nur die Arbeit von Elon Musk mit DOGE, sondern schlägt auch vor:
„Stellt euch mal vor, wir würden jede Ausgabe der Regierung auf der Blockchain transparent und sichtbar machen – das würde es so viel einfacher machen, sie zu prüfen.“
„Der bestmögliche Beweis dafür, dass die Regierung optimal mit den Steuergeldern umgeht“
Auch andere Krypto-Gründer, wenn auch von weniger bekannten Unternehmen, unterstützen den Vorstoß. So etwa Jean Rausis, Mitgründer von Smardex, einer Art DeFi-Aggregator. Er kommentiert:
„Das wäre ein starker Schritt in die Zukunft Amerikas. Wenn es klappt, würden die USA zum de-facto-Führer der globalen Blockchain-Innovation werden.“ Er räumt zwar ein, dass dies eine Anwendung von massiver Skalierung wäre, größer als alles bisher Dagewesene, ein Stresstest für das gesamte Krypto-Ökosystem. Doch es würde sich lohnen.
Ein weiterer Befürworter des Vorstoßes ist Harrison Seletsky, Direktor von Space ID, einer Plattform für digitale Identität auf Basis von Web3-Domains. Er kommentiert:
„Das wäre ein großer Gewinn – nicht nur für die Krypto-Branche, sondern für jeden US-Bürger. Wenn man exakt nachvollziehen könnte, was die Regierung mit dem Geld macht, wäre das bahnbrechend. Es wäre der bestmögliche Beweis dafür, dass die Regierung optimal mit den Steuergeldern umgeht.“
Auch er erkennt die Herausforderungen. Teile der derzeit verfügbaren Infrastruktur könnten zu teuer oder inflexibel sein. Doch er ist optimistisch, dass es mit den aktuellen Kapazitäten der Branche machbar wäre.
„Wenn wir Web3-Domains einführen würden,“ trommelt er nun für sein eigenes Geschäft, „um einfach zu erkennen, welche Parteien an einer Transaktion beteiligt sind – statt zufällig erscheinender Wallet-Adressen –, könnte das eine Revolution bedeuten. Stell dir vor, statt einer 42 Zeichen langen Buchstaben- und Zahlenkette würde dort einfach ‚treasury.gov’ oder ‚DOJ.gov‘ stehen. Dann müsste die Regierung nur noch einen leicht navigierbaren Block Explorer bauen, damit alle Bürger ein klares Bild von den Staatsausgaben bekommen.“
Ein „nationales Sicherheitsrisiko“ und ein technisches Desaster
Doch nicht jeder in der Branche ist so zuversichtlich. So äußert etwa Nick Puckrin, ein ehemaliger Banker, der das Bildungsunternehmen „Blockchain Educational Hub“ gegründet hat, im Online-Magazin Fortune erhebliche Zweifel.
„Elon Musk – der selbsternannte ‚Schnitter der Regierungsausgaben‘, der reichste Mann der Welt und ein neuer, nicht gewählter Politiker – hat an sich recht, wenn er sagt, dass die Transparenz und Unveränderbarkeit einer Blockchain diesen mutmaßlichen Betrug ausradieren würdem. In der Theorie zumindest. Doch das Problem ist die Implementierung.“
Puckrin warnt davor, dass eine überhastete Einführung ein Desaster wäre: „Stellen wir uns vor, das US-Finanzministerium würde plötzlich alle Zahlungen über die Blockchain abwickeln. Alles wäre transparent. Das macht es natürlich schwieriger, betrügerische Zahlungen zu verschleiern – aber es würde auch bedeuten, dass sensible finanzielle Informationen über Verteidigungsausgaben oder geheime Operationen im Ausland für die ganze Welt einsehbar wären. Das wäre ein offensichtliches nationales Sicherheitsrisiko.“ Natürlich könnte man solche Daten verschlüsseln und nur bestimmten Gruppen zugänglich machen, doch diese Technologie sei noch nicht ausgereift. Zumindest nicht für eine Anwendung in dieser Größenordnung.
Ein weiteres Bedenken, das Puckrin trägt, ist die nackte Skalierung. Das US-Finanzministerium verarbeitete 2023 rund 5,4 Billionen Dollar an föderalen Zahlungen – eine Summe, die deutlich größer ist als die gesamte Marktkapitalisierung aller Blockchains zusammen. Sie übersteigt zudem das Zehnfache von Ethereum, der sichersten und etabliertesten Smart-Contract-Blockchain, und das 50-fache von Solana.
Solana steht im Ruf, die am besten skalierbare Web3-Blockchain zu sein. Doch schon der Hype um das Trump-Token sowie die vielen Trittbrettfahrer brachte sie an ihre Skalierungslimits. „Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass eine Blockchain heute so etwas stemmen kann? Ich bin mir absolut sicher, dass es in Zukunft möglich sein wird – aber wir sind noch nicht so weit.“
Selbst wenn sich die Idee bewähre, würde die Umsetzung mehrere Jahre dauern. Eine Zukunft, in der Regierungsausgaben vollständig auf der Blockchain dokumentiert sind, sei erstrebenswert und unvermeidbar – aber kurzfristig schon rein technisch schwer vorstellbar.
„Ein administrativer Staatsstreich“
In der Krypto-Branche scheint man sich generell einig zu sein, dass es gut wäre, Staatsausgaben auf die Blockchain zu bringen. Nur über den Zeitpunkt – heute, morgen oder erst übermorgen – gehen die Meinungen auseinander. Andere Kreise äußern dagegen Bedenken sehr viel grundlegenderer Art.
Exemplarisch ist ein Artikel der deutschen Historikerin Annika Brockschmidt. Sie ist Expertin für die USA und eine scharf besorgte Kritikerin der aktuellen Entwicklungen in der Regierung. Sie spricht wie viele andere mittlerweile offen von einem „Staatsstreich.“
Dies beginnt schon damit, dass DOGE keine offizielle Behörde sein kann, weil nicht der Präsident, sondern nur der Kongress eine solche gründen kann. Musk sei kein offizielles Regierungsmitglied, sondern lediglich ein Berater. Dass er sich durch seine hohen Spenden eine solche Macht angeeignet hat, widerspreche der Verfassung. Daher spreche man von einem „administrativen Staatsstreich“.
All das klingt plausibel. Im Zentrum von Brockschmidts Artikel steht jedoch das Zahlungssystem des Finanzministeriums. Musk habe sich das „Scheckbuch der Regierung“ unter den Nagel gerissen. „Nur ein sehr kleiner Kreis von nicht-politischen Bundesbeamten,“ erklärt sie, „hat Zugriff auf die hochsensiblen Daten des US-Zahlungssystems. Jährlich fließen fast 6 Billionen Dollar durch diese streng gehüteten Kanäle – Gelder, die Unternehmen und Haushalte im ganzen Land versorgen und hunderte Millionen Menschen betreffen.“
Dass Musk und sein Team nun Zugriff auf diese Daten haben, nennt Brockschmidt einen „Skandal“. Sie zitiert einen amerikanischen Politikwissenschaftler, der dies als „die wohl größte Verletzung der nationalen Sicherheit in der Geschichte der USA“ bezeichnet. Ein Jurist erklärte in der Times, dass Musks Zugang zum Zahlungssystem gleich gegen mehrere Gesetze verstoße, etwa zur Geheimhaltung von Steuerdaten.
Ist Demokratie wirklich auf Verschleierung angewiesen?
Es ist unbestreitbar fragwürdig, was Trump und Musk derzeit tun. Die Art und Weise, wie hier „aufgeräumt“ wird, erinnert an einen Staatsstreich. Elon Musk hat sich eine Macht angeeignet, die ihm in keiner demokratischen Verfassung zustehen sollte. Er behandelt die US-Regierung – eine essenzielle Institution für hunderte Millionen Menschen – wie eines seiner Unternehmen, das er durch Rationalisierung effizienter gestalten kann, weit vorbei am Souverän, den 350 Millionen Bürgern der USA, die nur ohnmächtig zusehen können.
Dennoch offenbart Brockschmidts Analyse ein etwas merkwürdiges Verständnis von Demokratie und Transparenz: Sie betrachtet es als selbstverständlich, ja, sogar notwendig, dass ein demokratischer Staat seinen gesamten Zahlungsverkehr geheim hält – und dass nur ein sehr kleiner Kreis nicht-politischer Beamter Zugriff auf diese Daten haben darf.
Wenn Musk nun die staatliche Verschleierung von Zahlungen durchbricht und dabei entdeckt, dass hier – wie in jedem Winkel, an den kein Tageslicht dringt – Betrug und Misswirtschaft gedeihten – dann gilt das für Brockschmidt als zentrales Element eines „Staatsstreichs“.
Ist es in einer Demokratie demnach überhaupt möglich, die Regierung zu kontrollieren? Dürfen Zahlungen überhaupt transparent sein? Beginnt die Diktatur, wenn Zahlungen nicht länger verborgen und verschleiert sind? – Aus diesen Fragen spricht ein fragwürdiges Verständnis von Demokratie und staatlicher Transparenzpflichten.
Sollte es nicht vielmehr ein Skandal sein, dass Zahlungen opak sind und nur eine kleine Gruppe von Beamten Einsicht hat? Dass in dieser Intransparenz Betrug und Korruption wuchern? Dass jener Grad an finanzieller Transparenz, den wir Bürger per Gesetz erleiden müssen, für den die EU umfangreiche Regulierungswerke erarbeitet und den in jedem Land mächtige Aufsichtsbehörden erzwingen, indem sie die gesamte Finanzbranche in Haftung nehmen – für die Regierung selbst undenkbar ist?
Ich finde es schwer, mir ein Konzept von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vorzustellen, in der es kein Gewinn wäre, wenn Staatsausgaben nicht durch eine Blockchain öffentlich gemacht werden.
Man sollte so schnell wie möglich beginnen – vor allem hier!
Natürlich müssen nicht gleich sämtliche Transaktionen auf die Blockchain kommen. Die von Brockschmidt zitierten Juristen und Politikwissenschaftler haben sicherlich recht, dass etwa sensible steuerliche Daten dem Datenschutz unterliegen, wie auch Puckrin, dass sicherheitsrelevante Ausgaben geheim bleiben sollten.
Aber man muss ja nicht auf einen Schlag alle Zahlungen auf die Blockchain bringen. Man könnte stattdessen schrittweise beginnen, mit den tiefen, einfach zu pflückenden Früchten, etwa mit unproblematischen Zahlungen, vor allem im Bereich ziviler Ausgaben. Es muss ja nicht gleich um Steuerzahlungen oder das Militär gehen.
Währenddessen könnte man austesten, wie gut Blockchains skalieren, wie viel sich durch Smart Contracts automatisierbar machen lässt, und man könnte mit verschiedenen Technologien der Privatsphäre experimentieren, um auch bei eingehenden Steuerzahlungen oder Militärausgaben eine perfekte Balance von Transparenz und Datenschutz zu schaffen.
All das wäre kein kurzfristiges Projekt, sondern würde Jahre der Entwicklung und Umsetzung beanspruchen. Doch gerade deshalb wäre es für die USA umso wichtiger, schon heute damit zu beginnen. Und noch viel entscheidender, unendlich viel entscheidender: Deutschland und Europa dürfen hier erst recht keine Zeit verlieren.