"Elbe Day" 1945: Ein Bild und seine Geschichte: Der amerikanisch-sowjetische Handschlag

Am 25. April 1945 trafen amerikanische und sowjetische Streitkräfte erstmals an der Elbe aufeinander. Das ikonische Foto, das anschließend um die Welt ging, ist allerdings gestellt

Apr 25, 2025 - 16:36
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"Elbe Day" 1945: Ein Bild und seine Geschichte: Der amerikanisch-sowjetische Handschlag

Am 25. April 1945 trafen amerikanische und sowjetische Streitkräfte erstmals an der Elbe aufeinander. Das ikonische Foto, das anschließend um die Welt ging, ist allerdings gestellt

Lässig strecken sich die sieben Soldaten ihre rechte Hand entgegen. Die Maschinengewehre um die Schulter gelegt, lächeln sie sich zu. Die Männer stehen auf den bröckelnden Überresten einer gesprengten Elbbrücke im sächsischen Torgau. Auf der einen Seite amerikanische GIs, zwei mit Zigarette im Mund, auf der anderen Rotarmisten. 

Das Foto vom 26. April 1945 symbolisiert das erste Zusammentreffen zwischen amerikanischen Soldaten und sowjetischen Streitkräften in Nazideutschland, es kündet vom bevorstehenden Sieg der Alliierten – und dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. "Ein Bild, das die Welt nie vergessen wird", titelt die britische Zeitung "News Chronicle".

Zuerst trafen sich Amerikaner und Sowjets bei Strehla, nicht in Torgau

Doch: Das berühmte Foto stellt den Kontakt zwischen amerikanischen und sowjetischen Soldaten nur nach – und entspricht gleich in mehrfacher Hinsicht nicht ganz den historischen Tatsachen. So fand die erste Begegnung nicht etwa in Torgau statt, sondern bei Strehla, 30 Kilometer südöstlich. Auch trafen die alliierten Truppen nicht am 26. April aufeinander, sondern bereits einen Tag früher. Doch da der US-Fotograf Allan Jackson an jenem Tag nicht vor Ort war, arrangierte er den amerikanisch-sowjetischen Handschlag kurzerhand nachträglich – mit anderen Soldaten.

Die Ausgangslage, Mitte April 1945: Die Westmächte und die Sowjetunion rückten von West und Ost unaufhaltsam gegen die Wehrmacht vor. Am 18. April befreiten US-Truppen Leipzig und gelangten zum Fluss Mulde, während Rotarmisten am 23. April die Elbe erreichten. Nun lag nur noch ein Korridor von 30 bis 40 Kilometern zwischen beiden Streitkräften. Damit rückte eines der Ziele der Alliierten näher: Die Lücke zwischen Ost- und Westfront zu schließen – und den verbliebenen deutschen Kampfraum in zwei Teile zu trennen.

Am Vormittag des 25. April erreichte eine US-Patrouille unter Oberleutnant Albert Kotzebue den Ort Strehla am Westufer der Elbe. Auf einem Segelboot setzte er gemeinsam mit einigen Männern über – und traf auf den Elbwiesen bei Lorenzkirch zwischen 12 und 13 Uhr erstmals auf sowjetische Streitkräfte. 

Allerdings eignete sich das Umfeld denkbar schlecht für freudige Verbrüderungsszenen und Fotoaufnahmen: Wenige Tage zuvor hatte die Wehrmacht hier eine Pontonbrücke gesprengt und dabei bis zu 300 deutsche Flüchtlinge, die in letzter Sekunde vor der nahenden Roten Armee flüchten wollten, in den Tod gerissen. Die Leichen von Frauen, Kindern und alten Menschen lagen verteilt zwischen zerschossenen Fuhrwerken.

Ein US-Leutnant stieß mit seiner Patrouille eigenmächtig nach Torgau vor

Die Begegnung wurde abgebrochen. "First physical contact, Russian Army", notierten die Amerikaner lediglich. Kotzebue kehrte zurück auf die Westseite der Elbe, setzte dann gegen 13.30 Uhr ein Stück nördlich erneut über, diesmal mit 35 Mann. Im Ort Kreinitz konnten sie das Aufeinandertreffen mit Soldaten der russischen Armee schließlich ausgelassen feiern: mit reichlich Wodka und Tabak. Kotzebue setzte zwar einen Funkspruch an seine Vorgesetzten ab, gab jedoch falsche Koordinaten an, sodass ein Aufklärungsflugzeug ihn und seine Männer nicht fand.

Soldaten schütteln sich an der Elbe die Hände
Voller Hoffnung auf ein nahes Kriegsende in Europa: das amerikanisch-sowjetische Zusammentreffen an der Elbe
© Keystone-France

Und so ging in die Geschichte eine andere US-Patrouille ein – jene, die Torgau erreichte. Am 25. April beschloss der US-Trupp um Leutnant William Robertson, ebenfalls Kontakt zu sowjetischen Soldaten zu suchen. Eigentlich sollte er mit seinen Männern die Umgebung von Wurzen östlich von Leipzig auskundschaften – und seinem Stab eine Einschätzung über deutsche Soldaten geben, die sich den Amerikanern anschließen wollten. Doch stattdessen stieß Robertson am Nachmittag eigenmächtig nach Torgau an der Elbe vor. 

Die Patrouille malte mit blauer und roter Wasserfarbe eine US-Flagge auf ein weißes Bettlaken und hisste das Tuch am Turm des nahegelegenen Schlosses Hartenfels. Rotarmisten, die auf der gegenüberliegenden Elbseite Stellung bezogen hatten, hielten die flatternde US-Flagge jedoch für eine Falle, zumal die Amerikaner nicht – wie abgemacht – als Erkennungszeichen grüne Leuchtraketen in den Himmel schossen. 

Die Sowjets eröffneten das Feuer. Fast hätte das erste amerikanisch-sowjetische Aufeinandertreffen im Kugelhagel geendet. Erst ein ehemaliger sowjetischer Häftling, der in Torgau festsaß, konnte seinen Landsleuten verständlich machen, dass Amerikaner die Elbe erreicht hatten. 

Am Nachmittag schließlich, gegen 16 Uhr, kletterten von beiden Elbseiten sowjetische und amerikanische Soldaten auf eine zerstörte Brücke – und fielen sich in die Arme, darunter Robertson und der sowjetische Leutnant Alexander Silwaschko. US-Kommandeure legten daraufhin Torgau als ersten Begegnungsort mit den sowjetischen Verbündeten fest, der Kontakt zur Patrouille um Kotzebue war mittlerweile abgerissen. 

"Elbe Day" 2025 in Torgau

Tags darauf, am 26. April, erreichte Allan Jackson, Fotograf des "American News Service", den Schauplatz und arrangierte flugs den Handschlag zwischen amerikanischen und sowjetischen Soldaten. Auf seiner Aufnahme sind allerdings nicht die Männer um Robertson und Silwaschko zu sehen; Jackson wählte zufällige andere Soldaten aus. 

Historische Momente fotografisch nachzustellen war in jener Zeit nicht unüblich. Auch die bekannte Aufnahme von sowjetischen Soldaten mit ihrer Flagge auf dem Reichstagsgebäude in Berlin am 2. Mai 1945 entstand erst zwei Tage nach dessen Eroberung.

Allan Jacksons Foto vom amerikanisch-sowjetischen Handschlag ging als alliierter Triumph über den Nationalsozialismus um die Welt – und steht bis heute für den "Elbe Day", der jedes Jahr in Torgau gefeiert wird.